Walter Ulbricht (German Edition)
inzwischen waren die Demokratische Bauernpartei und die National-Demokratische Partei hinzugekommen – an den Staatsorganen mit höchsten Funktionen beteiligt.
Mit dem Eintritt in die Übergangsperiode zum Sozialismus 1952 war aber eine neue Lage entstanden, weil es nun nicht mehr um die Errichtung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung, sondern um den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft ging. Unter diesen Bedingungen hätte das bisherige Bündnis der Parteien durchaus zerbrechen können. Doch es gelang der Führung der SED unter Walter Ulbricht, die anderen Parteien für die Unterstützung dieses Weges zu gewinnen. Das war sicherlich nur möglich, weil bereits der Grundstein für eine Politik der Einbeziehung der von den anderen Parteien politisch repräsentierten Klassen und Schichten in die sozialistische Entwicklung gelegt worden war. Gewaltsame Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse wurden vermieden und auch im ökonomischen Bereich Formen der Zusammenarbeit zwischen dem volkseigenen oder sozialistischen Sektor und den privaten Betrieben entwickelt, welche die Interessen der Privateigentümer wahrten und ihnen eine längerfristige Perspektive eröffneten. Das war eine entscheidende ökonomische Grundlage dafür, dass die politische Zusammenarbeit aller Parteien fortgesetzt werden konnte. Natürlich blieb es nicht aus, dass auch hier die vorhandenen Interessenunterschiede zu Reibungen und Konflikten führten, aber es gab immer eine Grundlage, um einen Ausgleich der Interessen und eine Verständigung zu erzielen, ohne in gewaltsame Methoden zu verfallen.
Dennoch verliefen Entwicklung und Ausgestaltung des politischen Systems der DDR mit den entsprechenden staatlichen Machtorganen und Funktionsmechanismen nicht gradlinig und widerspruchsfrei. Der Staat besitzt das Gewaltmonopol, und in diesem Sinne hat jeder Staat eine diktatorische Komponente – unabhängig davon, in welcher Form er organisiert ist und ob er diese Diktatur mit moderaten oder mit gewaltsamen Mitteln und Methoden ausübt. Der sozialistische Staat ist seinem Klasseninhalt nach die politische Herrschaft der Arbeiterklasse und der mit ihr verbündeten Bauernklasse, was darin zum Ausdruck kam, dass deren Grundinteressen die Staatspolitik bestimmten, während die Interessen anderer Schichten der Gesellschaft durchaus Berücksichtigung fanden, sofern sie mit diesen Grundinteressen vereinbar waren.
Da der sozialistische Staat die politische Herrschaft der Mehrheit über eine kleine Minderheit der Gesellschaft bedeutete, konnte er seiner Natur nach weit demokratischer agieren als jeder bürgerliche Staat.
Was theoretisch einleuchtet, war jedoch in der realen Praxis weitaus komplizierter, denn nach dem Beginn der Übergangsperiode zum Sozialismus erfolgten bedeutende Umgestaltungen in der Struktur und Funktionsweise des Staates, die sich teilweise auch an den sowjetischen Erfahrungen orientierten. Im Sowjetstaat aber waren aus verschiedenen historischen Gründen die diktatorischen Elemente weit stärker ausgeprägt als die demokratischen. Wenn in der DDR auch weitgehend andere Verhältnisse herrschten, hinterließ das sowjetische Muster doch gewisse Spuren auch im Aufbau und in den Funktionsmechanismen des politischen Systems. Weiter musste natürlich beachtet werden, dass gegen die DDR durch zahlreiche westliche Geheimdienste eine sehr intensive subversive Tätigkeit organisiert wurde, was zur Folge hatte, dass sich ein Sicherheits- und Abwehrdenken entwickelte. Argwohn und Misstrauen nahmen zu. Da diese Organe in aller Welt mit Methoden und Mitteln arbeiten, die häufig mit Zwang und Gewalt verbunden sind, darf man ruhig konzedieren, dass auch in der DDR die Relationen zwischen demokratischen und diktatorischen Elementen nicht in jeder Hinsicht den Erfordernissen entsprachen.
Die Erfahrungen der bisherigen Entwicklung machten also deutlich, dass die Vorzüge und positiven Aspekte des politischen Systems der DDR zugleich mit einer Reihe negativer Erscheinungen verbunden waren, die sich hemmend auf die demokratische Mitwirkung und Mitbestimmung der Parteien, der gewählten Repräsentativorgane und der Bevölkerung auswirkten. Wesentliche Reformen waren darum also nicht nur in der Wirtschaft erforderlich – es mussten auch entsprechende Veränderungen im politischen System erfolgen.
Dafür gab es kein Vorbild, und angesichts der besonderen Lage der DDR – einerseits in starkem Maße von der Sowjetunion abhängig, andererseits ständig mit
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