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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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würden gemacht und jeder anständige Deutsche würde zur Volkspolizei gehen, sich ein Visum ausstellen lassen und damit die Grenze passieren. Wenn Ulbricht kurz vor dem Mauerbau in einem Pressegespräch gesagt hat: Wir haben keine Absicht, eine Mauer zu bauen, unsere Bauarbeiter sind für andere Dinge da, unterstellt man ihm heute, dass er das gesagt hat, um abzulenken. Ich glaube, er war überzeugt von dem, was er da gesagt hat, das war seine ehrliche Meinung, denn das war in Moskau verhandelt worden.« (vgl. »Berlin-Moskau-Berlin. Werner Eberlein im Gespräch mit Joachim Heise und Marianne Regensburger«, in: Leben und Berlin – mit und ohne Mauer. Gespräche und Betrachtungen, verlag am park, Berlin 2003, S. 125)

Wurzeln

Elfriede Leymann
    »Westpakete« von Walter Ulbrichts Schwester Hildegard
    Elfriede Leymann, Jahrgang 1928, geboren und aufgewachsen in Leipzig, Besuch der Arbeiter-und-Bauern-Fakultär 1946/47, Jura-Studium an der Leipziger Universität bis 1950, danach Tätigkeit an der Akademie für Staat und Recht in Potsdam-Babelsberg bis 1964, anschließend an der Humboldt-Universität zu Berlin an der Sektion Rechtswissenschaft, seit 1976 Außerordentliche Professorinfür das Gebiet Verwaltungsrecht. 1988 Emeritierung
    D en Namen »Ulbricht« hörte ich Anfang der 30er Jahre oft. Mein Vater Rudolf Eichhorn sprach dann von Erich Ulbricht, dem Freund seines älteren Bruders Herbert. Beiläufig wurde auch erwähnt, dass dieser Erich einen älteren Bruder namens Walter habe, der Reichstagsabgeordneter in Berlin sei. Dass auch eine Schwester existierte, erfuhr ich erst in einem Brief aus den USA. Mein Onkel Herbert wunderte sich darin: »Ist es nicht ein komischer Zufall, dass alle drei Geschwister Hilda, Walter und Erich, der Jüngste, alle in demselben Jahr zur Ruhe gingen?« Alle drei Ulbrichts starben im Jahre 1973.
    Herbert Eichhorn und Erich Ulbricht hatten sich in Leipzig während ihrer Ausbildung zum Bandagisten, heute heißt das Orthopädiehandwerker, kennengelernt. Herbert Eichhorn war, wie er im März 1984 schrieb, »ein wöchentlicher Besucher bei dem alten Schneidermeister Ulbricht und Familie«. Nach ihrer Gesellenprüfung in den Inflationsjahren fanden Herbert Eichhorn und Erich Ulbricht weder in Leipzig noch anderswo in Deutschland Arbeit. Mein Vater erzählte oft, dass beide erwogen, in die Sowjetunion auszuwandern. Doch dafür türmten sich ungeahnte Schwierigkeiten auf. Deshalb beantragte Herbert 1922 die Einreise in die USA, wo entfernte Verwandte für ihn bürgten. So bestieg er im Oktober 1925 ein Schiff nach New York. Im März 1926 folgte ihm seine Frau Elisabeth, meine Tante. Bald bekam er dort festen Boden unter den Füßen, er hatte eine auskömmliche Arbeit. Und so »verhalf ich meinem ehemaligen Lehrlings- und Arbeitsgenossen Erich Ulbricht nach hier zu kommen«, berichtete er mir in jenem Brief. 1928 konnte er ihn und dessen Frau Erna in New York willkommen heißen. Beide blieben ihr Leben lang eng verbunden – als Freunde wie als gefragte Spezialisten für orthopädische Artikel verschiedener Art.
    Darüber sprach mein Vater wiederholt, reichte auch mal ein Foto von Erich Ulbricht herum, wenn sich einige ehemalige Mitglieder des Kommunistischen Jugendverbandes Anfang der 30er Jahre mit ihren Familien trafen. An Sommersonntagen fuhren sie auf ihren Rädern – der Nachwuchs jeweils auf einem Kindersitz auf Vaters Rad – zu den Lübschitzer Teichen bei Machern, östlich von Leipzig gelegen. Im Winter besuchten sie sich reihum, so in der Sternwartenstraße die Thiemigs (Arthur und Lene), in den Meyerschen Häusern in Plagwitz (die »große Marthl« und ihr Mann), meine Eltern in Leipzig-Schönefeld, später in der Elisenstraße in der Südvorstadt. Ganz in unserer Nähe, in der Scharnhorststraße, lebten die »kleine Marthl« Biller und ihr Gerhard.
    1932 lernte ich, an der Hand meiner Oma, die Eltern Ulbricht kennen. Das muss nach Omas erstem Besuch in den USA gewesen sein. Natürlich hatte sie dort Erich und Erna Ulbricht getroffen und – so vermute ich heute – von ihnen Nachrichten, Geschenke und vielleicht auch Geld als Kurier befördert. Unser Besuch bei Ulbrichts war angemeldet: Der Kaffee stand bereit.
    Der alte Schneidermeister Ulbricht wohnte mit seiner Frau im »Naundörfchen«. Hinter dem wuchtigen Bau der Hauptfeuerwache am Fleischerplatz gelangten wir über eine schmale Brücke in eine richtige Dorfstraße, wie ich sie von Besuchen bei Verwandten in der

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