Walter Ulbricht (German Edition)
Verwaltungsrecht führte – mich schriftlich verpflichtete, keinerlei Kontakte ins kapitalistische Ausland zu unterhalten. Ich unterschrieb, weil ich davon ausging, dass die Korrespondenz mit Herbert über meine Mutter problemlos weiterliefe, was sie auch tat. Mutter lebte seit meiner Heirat in unserem Hause. Auch mein Mann, der im Apparat des Zentralkomitees arbeitete, war von dieser restriktiven Maßnahme betroffen.
Dass diese aber auch auf Mutter ausgedehnt wurde, merkten wir, als sie von ihrem Schwager zu einem Besuch in die USA eingeladen wurde. Sie war im Rentenalter und konnte also ins NSW 3 fahren. Sie erhielt keine Ausreiseerlaubnis.
Onkel Herbert sah den Abbruch des Briefwechsels als meine eigenständige, ihn persönlich treffende Entscheidung. Ich sah mich nicht in der Lage, ihm die Situation zu erklären, sie war nicht nur ihm unverständlich.
1983 schrieb er meiner Mutter, ob es denn keine Möglichkeit gäbe, »die politischen Ideen, die uns ungeheuerlich trennen, zu überbrücken. Selbst die drei Ulbricht-Geschwister haben sich am Sterbebett geeinigt und sich inniglich die Hände geschüttelt.«
Tatsächlich hatte Schwester Hildegard aus Bad Seegeberg ihren älteren Bruder Walter Ulbricht 1973 kurz vor seinem Tod in der DDR besucht. Ob auch Erich Ulbricht damals in Deutschland weilte, ist nicht bekannt. 4
1 Aus: »Lotte und Walter«, herausgegeben von Frank Schumann, Berlin 2003, S. 242
2 Genex war auf Regierungsanordnung am 20. Dezember 1956 als »Geschenkdienst- und Kleinexporte GmbH« gegründet worden. Dort konnten gegen Devisen Waren, die zum größten Teil aus DDR -Produktion stammten, erworben und verschenkt werden. Das Angebot richtete sich vor allem an BRD -Bürger, die ihren Verwandten eine Freunde machen wollten, aber auch an DDR -Bürger, die im Ausland – auch im sozialistischen – tätig waren. Vor allem wurden hochwertige Konsumgüter angeboten.
3 Nichtsozialistisches Währungs-, auch Wirtschaftsgebiet
4 Vgl.: » Lotte und Walter« …, a. a. O., S. 239
Elfriede Brüning
1933 kam er fast täglich zu uns
Elfriede Brüning, Jahrgang 1910, schloss sich Ende der 20er Jahre der KPD und dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller an. Sie wurde 1935 von den Nazis inhaftiert. Nach dem Krieg arbeitete sie für Zeitungen und Zeitschriften, seit 1950 lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. Bis heute erschienen von ihr 28 Bücher.
D ein Vater war Tischler und deine Mutter Näherin, und irgendwann wurdet ihr exmittiert, weil die Werkstatt in der Weltwirtschaftskrise krachen ging.
Ja, das war ein Problem, denn nicht nur wir standen auf der Straße, sondern auch unsere Möbel. Die Genossen halfen. Der eine nahm den Schrank mit nach Hause, der andere Stühle und Tisch, ein Dritter das Sofa … Und dann besorgten sie uns eine Wohnung in Moabit. Die hatte drei Ausgänge, eine Tür zur Straße, eine im Hausflur und die dritte führte auf den Hof. Das, so merkte ich erst später, war Kalkül. So konnte man notfalls unbemerkt über den Hof flüchten, wenn vorn etwa die Polizei reinkam.
Kalkül von wem?
Na, von wem wohl? Von Walter Ulbricht. Er war damals auch der Quartiermeister der Partei. Wir wurden Anfang 1933 gefragt, ob sich bei uns im Hinterzimmer gelegentlich die Genossen treffen könnten, worauf mein Vater sagte: Selbstverständlich, ihr habt uns damals mit den Möbeln geholfen, jetzt helfen wir euch. Dazu muss ich noch nachtragen, dass nicht ein Stück vom Mobiliar fehlte, als wir dort einzogen. Sie brachten alles wieder.
Und wer kam da so?
Die ganze Parteiführung. Pieck, Ulbricht, ich glaube, dass auch Thälmann einmal dabei war, er wurde bekanntlich bereits am 3. März 1933 verhaftet. Die meisten kannte ich nicht. Im Keller hatte mein Vater sich eine Werkstatt eingerichtet, und beim ersten Treffen stand die Luke auf. Pieck sah die Hobelbank und sagte zu meinem Vater: Na, Kollege. Worauf mein Vater, der extrem kurzsichtig war und Pieck darum nicht erkannte, von unten rief: Biste auch Tischler? Ich war einer, sagte Pieck. Und, was machste jetzt?, erkundigte sich mein Vater wieder. Jetzt bin ich Leimreisender? Vertreter also, kam es aus dem Keller. Ernährt dich denn das? Na, geht so, sagte Pieck und lachte.
Und Ulbricht?
Der kam fast täglich und traf sich mit irgendwelchen Leuten. Das ging bis zum Herbst, danach blieb er weg. Er war, wie ich nach dem Krieg erfuhr, von der Partei nach Frankreich geschickt worden.
Die Gestapo hatte ihn am 1. März zur Fahndung
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