Walter Ulbricht (German Edition)
Verweigerung der Anerkennung der Staatsbürgerschaft durch Bonn Rentner in den Westen fahren sollten. Er fand das nachdenkenswert und schlug dann vor, um den »Blockfrieden« nicht durch Eifersüchteleien anderer Parteien zu stören, dass nicht die CDU, sondern besser Thüringens Landesbischof Moritz Mitzenheim diesen Vorschlag öffentlich machen solle. So geschah es denn auch. Ulbricht akzeptierte auch meine Forderung, den Karfreitag arbeitsfrei zu halten. Die Blockparteien hatten in der DDR wesentlich mehr Einfluss, als das heute manche wahrhaben wollen.
Es gab wiederholt vertrauliche Unter-vier-Augen-Gespräche zwischen Walter Ulbricht und dir. Auch nach dem 13. August 1961, wie ich hörte.
Ich kam am 15. August aus Lambaréné, wo ich im Auftrage Walter Ulbrichts dem Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer einen persönlichen Brief überbracht und dem Urwaldarzt die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität verliehen hatte. Schweitzer reagierte überschwänglich und gab mir Post für Walter Ulbricht mit. Bei der Zwischenlandung in Paris hatte es geheißen, in der DDR herrsche Bürgerkrieg und Chaos, ein BRD-Diplomat schlug mir vor, statt nach Berlin besser nach Köln-Bonn zu fliegen. In Schönefeld holte mich der Vize-Außenminister Sepp Schwab ab und informierte mich über die Vorgänge am 13. August, den Rest entnahm ich den Zeitungen, die er mitgebracht hatte. Unter anderem las ich, dass auch die CDU im Namen von Gerald Götting den Grenzsicherungsmaßnahmen zugestimmt habe.
Ich fuhr direkt zur Sitzung des Staatsrates in der Innenstadt, die sehr kurz war, denn Ulbricht informierte lediglich über die vollzogenen Maßnahmen, die im Aufrag der Warschauer Vertragsstaaten an der Sektorengrenze zu Westberlin und an der Staatsgrenze West zur BRD unternommen worden waren.
Danach, bereits außerhalb des Sitzungsraumes, machte ich Ulbricht darauf aufmerksam, dass ich gar nicht im Lande gewesen sei, womit ich ihm zu verstehen gab, dass ich weder um Zustimmung gefragt worden war noch diese hätte erteilen können. Ulbricht stutzte und sagte dann: »Sind Sie etwa dagegen?« Natürlich war ich das nicht.
Darauf er wieder: »Na, sehen Sie, dann ist doch alles in Ordnung.«
Weil die Sitzung vorzeitig geendet hatte, war sein Auto noch nicht da, und er fragte mich, ob ich ihn mitnehmen könne. Ich wollte zwar in den Parteihauptvorstand, der nicht in Pankow lag, wohin Ulbricht musste. Das Schloss Niederschönhausen war seit 1960 Amtssitz des Staatsrates, das Staatsratsgebäude am Marx-Engels-Platz wurde erst 1964 fertiggestellt. Aber schließlich konnte ich Ulbricht kaum sagen: Nein, ich fahre in eine andere Richtung. Also stieg er in mein Auto.
Ach, begann er, da habe ihm Chruschtschow etwas Schönes eingebrockt. Am 1. August, im Vorfeld der Sitzung des Politisch Beratenden Ausschusses in Moskau, habe er, so Ulbricht, ein Gespräch mit Chruschtschow gehabt, bei dem unter anderem auch die Berlin-Frage erörtert worden sei. 7 Er habe diesem die aktuelle Lage vorgetragen, worauf Chruschtschow erklärte hätte, die DDR solle besser an der Grenze kontrollieren. Zwei Wochen zuvor habe er, Ulbricht, eine Hausmitteilung von Paul Verner, dem Berliner Parteichef, erhalten, der von Karpin, einem für Deutschlandfragen zuständigen Mitarbeiter im Moskauer ZK, erfahren hatte, dass man in der sowjetischen Führung noch immer nicht wisse, wie man mit diesem Problem umgehen solle.
Umso überraschter sei er, Ubricht, gewesen, als Chruschtschow in großer Runde mit allen Spitzenleuten des Bündnisses erklärt habe, der Genosse Ulbricht hätte ihm soeben vorgeschlagen, um Westberlin eine Mauer zu ziehen. Er sei, sagte mir Ulbricht auf der Fahrt nach Pankow, wie vom Donner gerührt gewesen. Einen solchen Vorschlag hatte er nie gemacht. Er habe allerdings schlecht in dieser Runde aufstehen und Chruschtschow widersprechen oder gar dementieren können. Und auch außerhalb des Kreml hätte er das wohl kaum öffentlich machen können.
Ich sah, dass Ulbrichts Betroffenheit echt und keineswegs gespielt war. Aber er war eben nicht nur Parteisoldat, sondern auch Bündnispartner. Chruschtschow hat das geschätzt. Mich betrübt, dass der Zeitgeist die tatsächlichen Zusammenhänge entstellt und wahrheitswidrig Ulbricht allein für den Mauerbau verantwortlich macht.
Du warst einer der Stellvertreter Ulbrichts im Staatsrat. Wie kam es dazu?
Nach Piecks Tod hatte kaum jemand mit einem »kollektiven Staatsoberhaupt« gerechnet. Die Bildung des
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