Walter Ulbricht (German Edition)
kennzeichnen die Frauen und Männer, die im Interesse eines sozial gerechten freien Daseins ihrer Mitmenschen handeln. Politiker des Typs Kapitalmachtsdiener erkennt man daran, dass sie ihre Kunst im Rangeln um Machterwerb, Machterhaltung und Ausschalten politischer Konkurrenten austoben und erschöpfen.
Politiker des Typs Volkes Diener charakterisiert demokratische Haltung. Zu deren Bestimmung hat Uwe-Jens Heuer in seinem 1989 erschienenen Demokratiebuch (»Marxismus und Demokratie«) Gültiges formuliert, das er am Schluss seines jüngst erschienenen Glaubensbuchs (»Marxismus und Glauben«) im Selbstzitat wiedergibt. Diese drei Sätze betrachte ich als ein VADEMECUM LINKER POLITIKER. Sie lauten:
»Demokratische Haltung fordert Risikobereitschaft, fordert Verantwortung zu übernehmen, nicht für die Taten anderer, sondern für eigene Taten, fordert Einsicht in Mögliches und Nichtmögliches, fordert Lernbereitschaft und Toleranz, das Ertragen von Widersprüchen und Konflikten. Ein Demokrat muss den Mut zur eigenen Meinung haben und die Bereitschaft, die Meinung anderer zu hören und zu durchdenken, zu respektieren, aber auch zu bekämpfen. Er muss den Willen der Mehrheit achten, aber ihm auch widersprechen, wenn er den Interessen der Mehrheit oder auch zu respektierenden Interessen einer Minderheit widerspricht.«
1 Walter Ulbricht: Grundlegende Aufgaben im Jahre 1970, Berlin 1969, S. 17
2 W. I. Lenin: Der »linke Radikalismus«, die Kinderkrankheit im Kommunismus, in: Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Bd. V, Berlin 1971, S. 533
Siegfried Lorenz
Freund der Jugend und des Sports
Siegfried Lorenz, Jahrgang 1930, Volksschule, Mechanikerlehre, Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF), Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig, Diplomgesellschaftswissenschaftler, 1945 SPD, 1946 SED, Abteilungsleiter im Zentralrat der FDJ, 1961 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Berlin, von1963 bis 1990 Mitglied der Volkskammer der DDR, von 1966 bis 1976 Vorsitzender des Jugendausschusses der Volkskammer. Von 1966 bis 1976 Leiter der Abteilung Jugend im ZK der SED, seit 1967 Kandidat und seit 1971 Mitglied des ZK der SED, 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt von 1976 bis 1989. 1985 Kandidat und von 1986 bis Dezember 1989 Mitglied des Politbüros des ZK der SED.
A ls ABF-Student hast du im November 1950 an einer Zentralen Konferenz der FDJ teilgenommen, auf der Walter Ulbricht die Jugend aufforderte, einen »Feldzug zur Eroberung von Wissenschaft und Kultur« zu führen. Erinnerst du dich?
Es war meine erste Begegnung mit Walter Ulbricht. Ich saß im Präsidium, konnte ihm von dort ins Redemanuskript schauen und verfolgte auch, wie er sich zu jedem Diskussionsbeitrag Notizen machte.
Seit der Gründung der DDR war erst ein gutes Jahr vergangen. Die Volkskammer hatte auf seine Initiative hin das »Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung« beschlossen. Die politische Mitbestimmung der Jugend stand in der Aufmerksamkeit des neuen Staates ganz oben. Zum ersten Mal in Deutschland durften junge Leute mit 18 Jahren wählen. Kritiker meinten, die Jugend sei noch nicht reif dafür. Ulbricht hielt dagegen: Wer mit 18 in den Krieg gezwungen wird, hat auch das Recht, seine Zukunft im Frieden zu wählen. Verwirklicht waren schon das Recht auf Arbeit und Bildung. Jugendarbeitslosigkeit gehörte der Vergangenheit an. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit war für Jugendliche kein Fremdwort mehr. Für mich war auch bedeutsam, dass die Arbeiter- und Bauernfakultäten uns den Weg zu den Universitäten öffneten.
Im besten Sinne des Wortes gab es eine großartige Aufbruchstimmung. Unter diesen Gegebenheiten machte Ulbrichts Rede auf mich einen prägenden Eindruck. Anschaulich formulierte er, dass derjenige, der den Weg nach vorn nicht kenne, einem Blinden gleiche, der mühsam mit dem Stock seinen Weg suche.
Wichtig war ihm die Einheit von fachlicher und politischer Ausbildung. Und er wetterte gegen jede »Ablenkung vom Studium«. So kritisierte er die häufigen Arbeits- und Agitationseinsätze, bei denen auf Studenten zurückgegriffen wurde und die wir – offen gestanden – mitunter begeistert absolvierten. Er forderte: Keiner habe das Recht, Studenten von Vorlesungen und Seminaren für andere Zwecke abzuberufen. Die Hauptaufgabe, besonders der Kinder von Arbeiter und Bauern, an den Universitäten und Hochschulen
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