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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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genug, ein Kind darauf zu betten. Was der Fabrikant zahlte, reichte knapp zum Leben, geschweige denn für ein Kinderbett.« Das schien dann der Autorin doch zu simpel, zu schwarz und weiß und darum relativierte sie: »Mancher wird sagen, auch die Uhlmanns hätten einmal klein angefangen. Aber als sich der Großvater Carl die erste Maschine kaufte, sagte er: Die muss täglich 24 Stunden laufen. Hatte Carl seine zwölf Stunden daran gearbeitet, musste seine Frau aufstehen und ihr Teil übernehmen. Hart gegen sich und andere – so hat C. A. Uhlmann 1878 seine Firma gegründet und mit der Zeit aus der einen Maschine und der Arbeit anderer viele Maschinen, aus dem ersten Fabrikgebäude dann in den 20er Jahren einen ganzen geschlossenen Betriebskomplex gemacht, der hinfort in voller Größe auf den Briefbogen prangte und den Kunden in der weiten Welt das solide sächsische Unternehmen auch auf diese Weise vor Augen führte.
    Vom Großvater ging der Betrieb auf den Vater, von diesem auf Carl Uhlmann über. So konnte eigentlich auch die Familie Uhlmann sagen, sie sei ›auf Strümpfen groß geworden‹, nur dass es nie an einem Kinderbett fehlte in der Uhlmannschen Villa, dicht bei der Fabrik. Die Villa stand auf einer kleinen Höhe, gleichsam ein Symbol für die Position ihrer Bewohner. Als mittlere Fabrikanten und Kaufleute eng mit den Stätten der Produktion verbunden, waren sie doch ›oben‹, und die anderen waren ihnen untertan. Sie waren die Kapitalisten, jene die Arbeiter, sie die Ausbeuter, jene die Ausgebeuteten. Es führte keine Brücke über diese Kluft.
    Als Carl Uhlmann England bereiste, sich dort seine ersten Sporen als Kaufmann verdiente und eifrig strebte, genau in die Fußstapfen von Vater und Großvater zu treten, wurde der um acht Jahre jüngere Arbeitersohn Werner Hofmann Mitglied der sozialdemokratischen Jugendorganisation ›Rote Falken‹, weil er einmal ein besseres Leben führen und freier sein wollte als sein Vater.
    Das neue Leben begann 1945, und Werner Hofmann fühlte sich ganz in seinem Element. Kaum aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, wurde er Mitglied der SED, lernte Elektromechaniker, studierte, wurde Bereichsleiter im Messgerätewerk Zwönitz und 1959 Werkleiter des volkseigenen Elektrogerätewerkes Gornsdorf, das jetzt das Leben und die Entwicklung des Ortes und seiner Umgebung bestimmte.
    Auch Carl Uhlmann war aus dem Krieg nach Gornsdorf zurückgekehrt. Ihm aber schien es, als sei nun alles aus. Die Demontage der Fabrik war schmerzlich, doch es blieb noch einiges, um wieder neu anzufangen. In der ›roten Fabrik‹, wie das ältere Gebäude im Unterschied zu den anderen grauen Betriebsbauten genannt wurde, begann die Firma C. A. Uhlmann wieder mit der Strumpfproduktion. Die übrigen Häuser vermietete man an einen volkseigenen Textilbetrieb, der später vom Elektrogerätewerk abgelöst wurde. Ja, jetzt herrschten die Arbeiter, jetzt schliefen ihre Kinder in richtigen Betten, und allmählich kam ein Wohlstand in ihre Häuser, in ihr Leben, von dem die Strumpfwirker von damals nie zu träumen gewagt hätten. Wer wollte es ihnen verdenken, wenn sie mit den früheren Herren nicht gerade zart umgingen?
    Zwar gehörten die Uhlmanns nicht zu den Großkapitalisten, sie wurden nicht enteignet und verjagt wie jene, die Faschismus und Krieg über die Welt gebracht hatten. Deshalb stand Carl Uhlmann dem jungen demokratischen Staat, in dem er lebte, nicht gerade feindlich, aber doch mit tiefem Misstrauen gegenüber. Als dieser Staat 1952 den Sozialismus auf seine Fahnen schrieb, dachte er: Jetzt werden sie uns auch bald die Luft abdrehen.
    Eines Tages schien es fast, als sollte er recht behalten, doch da war es die Arbeiterpartei selbst, die gewissen Überspitzungen beim sozialistischen Aufbau Einhalt gebot und erklärte, die Arbeiter-und-Bauern-Macht lege Wert auf die Produktion der privaten Betriebe, die den Bedarf der Menschen nach guten Waren befriedigen helfen. Das schien Carl Uhlmann noch ein Widerspruch, doch er griff nach jeder Möglichkeit, das Bestehen seines Betriebes zu sichern. Der Staat half ihm sogar dabei. Für bestimmte Spezialartikel, die C. A. Uhlmann herstellte, erhielt er staatliche Subventionen.
    Inzwischen war der Sohn Bernd herangewachsen, ging zur Oberschule und brachte stets die besten Noten heim. In alten Zeiten wäre es ganz selbstverständlich gewesen, dass er auch den Beruf seiner Väter ergriffen hätte. Aber er hatte eine ganz andere Begabung und andere

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