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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Miene. Carl Uhlmann fragte knapp und sachlich nach einigen Einzelheiten, sagte nicht ja und nicht nein, sondern erbat sich drei Tage Bedenkzeit.
    ›Also bis Sonnabend. Und denken Sie daran, die neue Produktion liegt im Wert wesentlich höher als Ihre jetzige. Trotzdem würden Sie mit Ihren Arbeitskräften auskommen.‹ Damit ging der Werkleiter und ließ den Unternehmer in einem heftigen Durcheinander von Gefühlen und Überlegungen zurück.
    Die Strümpfe einfach aufgeben, wo die Firma seit fast 85 Jahren besteht? Mit der alten Familientradition brechen? Das war kaum denkbar. Wenn aber meine Fabrikation nun wirklich keine Perspektive mehr hat? Elektronik dagegen wäre eine Sache der Zukunft. Aber umstellen mit meinen Arbeitskräften, meistens ältere Leute? Was würden sie sagen, wenn es heißt: Abschied nehmen von den Strümpfen? Was würden Vater und Großvater dazu meinen? Vielleicht: Man muss mit der Zeit gehen …
    ›Man muss mit der Zeit gehen‹, lächelte Carl Uhlmann, als er am Sonnabend dem Werkleiter Werner Hofmann sein Ja-Wort gab.
    ›Gratuliere‹, sagte der, als sei er tatsächlich auf einer Hochzeit, ›dann können wir gleich anfangen. Passen Sie auf, wir beide werden das Kind schon schaukeln.‹
    Von da ab hielt die Sache Carl Uhlmann ständig in Atem. Da musste die Umstellung mit dem Rat des Kreises geregelt werden, das machten sie gemeinsam. Da half das Elektrogerätewerk einen Saal auszuräumen, einige Maschinen wurden im Nebenraum zusammengerückt, andere wurden zu Schrott, aber für Abschiedsschmerzen war keine Minute Zeit.
    Die westdeutsche Textil-Fachzeitschrift konnte jetzt auch abbestellt werden. Gerade in einer der letzten Nummern hatte gestanden, dass der Perlonkönig Margaritoff mit einem gewaltigen Krach in Konkurs gegangen war. Nachdem sie die kleinen verschluckt hatten, fraßen sich jetzt die großen Haie gegenseitig auf. Carl Uhlmann konstatierte es mit einer gewissen Befriedigung – er hatte doch dem Besseren sein Ja-Wort gegeben, damals schon und heute erst recht.
    Nun begann die Umschulung der Belegschaft. Fünf Arbeiter und Arbeiterinnen der Firma hielten Einzug in den Meinersdorfer Zweigbetrieb des Elektrogerätewerkes, der gegenwärtig noch die Flachsteckverbindungen produzierte, und wurden dort angelernt. Das sprach sich mit Windeseile in der Gegend herum.
    ›Ich kann mich im Augenblick vor Anrufen aus Geschäftskreisen nicht retten‹, seufzte Carl Uhlmann in einem Gespräch mit dem Werkleiter. ›Alle sind interessiert, alle fragen: Wie soll das ablaufen? Was produzierst du? Was gewinnst du da? Hoffentlich haben sie dir nicht den Schwarzen Peter zugeschoben!‹
    ›Den bestimmt nicht‹, lachte Werner Hofmann. Aber da stand der Augenblick kurz bevor, an dem Carl Uhlmann doch glaubte, er habe jetzt den Schwarzen Peter in der Hand. Anfang Dezember kam Heiner Drechsele, der kaufmännische Direktor des Elektrogerätewerkes, zu ihm und sagte: ›Herr Uhlmann, wir bestätigen jetzt die Verträge für 1963. Auch Sie müssen Ihre Verträge unterschreiben.‹
    ›Unterschreiben? Ich? Wo überhaupt noch nichts da ist?‹ Entgeistert starrte Carl Uhlmann auf die Papiere. Jetzt legen sie dich doch rein, dachte er.
    Zunächst fragte er das Vertragsgericht – dort warnte man ihn vor dem Unterschreiben. Dann rief er seinen Notar an. ›Kommt gar nicht in Frage!‹ sagte der. Schließlich kam es zur Verhandlung. Sie saßen fast bis Mitternacht in C. A. Uhlmanns Kontor: Werner Hofmann und die Mitarbeiter vom Rat des Kreises, Carl Uhlmann und seine Rechtsberater.
    ›Meine Herren, Sie müssen doch verstehen: Ich habe fünf Mann seit drei Tagen in der Umschulung und weiter nichts, kann mir überhaupt noch nicht richtig vorstellen, wie das alles laufen soll, und da soll ich mich festlegen auf eine Produktion, die das Vierfache dessen ausmacht, was mein Betrieb bisher im Jahr geleistet hat?‹
    ›Aber wir unterstützen Sie doch in jeder Weise. Sie können am 1. Januar mit der Produktion beginnen‹, hielten ihm die anderen entgegen.
    ›Zunächst stellt Ihnen das Werk die wichtigsten ingenieurtechnischen Kader, einen Technologen und einen Gütekontrolleur zur Verfügung‹, redete Werner Hofmann dem Zögernden zu. ›Dann kommt jetzt ein sehr tüchtiger junger Meister zu uns, den überlassen wir gleich Ihnen.‹
    Nichts half. Carl Uhlmann spielte seinen höchsten Trumpf aus: ›Und wer zahlt die Vertragsstrafe, die ich aufgebrummt bekomme, wenn ich den Plan nicht erfülle?‹«
    So ging

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