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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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erklärten die Fremdenführer den gaffenden Touristen: ›Und hier, meine Herrschaften, wohnt Deutschlands Perlon-König Margaritoff.‹
    Von ihm und den anderen las Carl Uhlmann manchmal in der westdeutschen Textil-Fachzeitschrift, die er abonniert hatte.
    Ich würde drüben kein allzu großes Unternehmen aufmachen, mehr so einen mittleren soliden Betrieb, dachte er bei dieser Lektüre. ›Man könnte aber dann gleich mit Rundwirkmaschinen anfangen. Denn die Umstellung von Cotton-Wirkmaschinen auf Rundwirkmaschinen hatte auch in Westdeutschland die Situation in der Branche verändert. Der Unterschied bestand nur darin, dass dort 1960 bereits 35 kleinere und mittlere Strumpffabrikanten ruiniert worden waren, darunter auch der Namensvetter Werner Uhlmann. Die Großen fraßen die Kleineren, da war es wieder das Wolfsgesetz, unter dem einst sein Vater und Großvater gezittert hatten.
    In der Erinnerung an die Vorfahren pflegte Carl Uhlmann solche Überlegungen mit dem Gedanken zu beenden: Von Gornsdorf gehe ich nicht weg, ich bin nun einmal hier aufgewachsen.
    War es nicht doch mehr als das Heimatgefühl, das ihn hier hielt? War ihm der ganze Reklameballon, der in Westdeutschland um die Strümpfe aufgeblasen wurde, nicht ein wenig unheimlich? ›C. A. Uhlmann hat nie Reklame gemacht. Die Reklame liegt im Produkt‹, pflegten Vater und Großvater zu sagen. So hatte auch er es von ihnen übernommen. Hier, in den volkseigenen Betrieben, sagten sie: ›Meine Hand für mein Produkt.‹ Das war ein guter Grundsatz, mit dem man einverstanden sein konnte. Hier, in der Deutschen Demokratischen Republik, gab es keinen Konkurrenzneid und Konkurrenzkampf, und an diesen angenehmen Zustand hatte er sich schon sehr gewöhnt. Und schließlich war da noch der Junge, der Bernd. Er hatte Freude am Studium, gehörte zu den besten seiner Seminargruppe, war Mitglied der FDJ und wäre mit solchem Schritt des Vaters gewiss nicht einverstanden gewesen.
    So meinte Carl Uhlmann schließlich,drüben ist das Leben vielleicht in manchem angenehmer, hier aber sicherer. Immerhin ist schon fast die halbe Welt sozialistisch, und ihnen scheint nun einmal die Zukunft zu gehören.
    Und er tat ganz von selbst sein Teil, um die Deutsche Demokratische Republik vom Westen unabhängiger zu machen. Er stellte auf seinen Wirkmaschinen einen Artikel her, der vorher importiert werden musste und in der Fachsprache ›Netzbeinkleid‹ heißt. Es sind dies jene durchbrochenen Gebilde, von denen man nicht genau weiß, ob sie die schönen Beine leichtbekleideter Tänzerinnen eigentlich ver- oder enthüllen.
    Machte Carl Uhlmann sich seine Gedanken, so hatte sein ›Mieter‹, das Elektrogerätewerk und dessen Werkleiter Werner Hofmann nicht weniger zu überlegen. Der Bedarf an Bauelementen für die Nachrichtentechnik wuchs und wuchs. Für 1963 sah der Plan wiederum eine Steigerung vor, und Werner Hofmann wusste nicht, woher die Arbeitskräfte nehmen.
    Ihm machte das Wachstum des Neuen Kopfzerbrechen, Carl Uhlmann war das Herz schwer durch das Absterben des Alten. Doch der Weg, diese Gegensätzlichkeit schließlich in einen gemeinsamen Strom münden zu lassen, war schon gewiesen. Bereits auf der 3. Parteikonferenz hatte Walter Ulbricht im Hinblick auf die Privatunternehmer gesagt: ›Selbstverständlich gibt es Betriebe, die unnötige Waren produzieren – sogenannte Überplanbestände. In diesen Fällen ist es notwendig, sachlich zu prüfen, welche Umstellung der Produktion erfolgen kann. Das kann nicht auf bürokratische Weise geschehen.‹
    Werner Hofmann erinnerte sich im Spätsommer 1962 nicht mehr genau an diese Worte, doch er blickte wiederholt aus dem Fenster auf das benachbarte rote Fabrikgebäude. Mehr als genug Platz böte es der neu hinzukommenden Produktion, die für die Wirtschaft notwendiger war, als das, was dort jetzt produziert wurde. Da kam ihm eine Idee.
    Freilich kannte er bisher keinen Fall, in dem geschehen wäre, was er jetzt vorhatte. Aber gleichviel: Dann sind wir eben die ersten! Bei diesem Gedanken klopfte er schon an die Tür des Uhlmannschen Kontors und kam ohne viel Umschweife mit seinem Vorschlag heraus: ›Wir müssen einen Teil unserer Produktion abgeben, es geht um Flachsteckverbindungen, die wir verlagern müssen. Da möchte ich zuerst Ihnen als Hausherrn das Angebot machen: Wollen Sie die Strümpfe aufgeben, diese Produktion übernehmen, und dann als halbstaatlicher Betrieb arbeiten?‹
    Ein guter Geschäftsmann beherrscht seine

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