Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
Vom Netzwerk:
Interessen.
    ›Ich möchte Journalist werden‹, sagte er zum Vater. Der wurde ein wenig traurig, wenngleich er sich an der Begeisterung des Jungen freute. Aus diesem Zwiespalt fragte er: ›Und in unserer Branche? Wäre das nichts?‹
    ›Ach, das liegt mir nicht‹, meinte Bernd leichthin. ›Was habe ich da schon für eine Perspektive.‹
    So bewarb sich Bernd bei der Journalistischen Fakultät in Leipzig zum Studium. Aber vorher musste er noch ein ›praktisches Jahr‹ absolvieren. In welchen Betrieb sollte er gehen? Das günstigste war schon das Elektrogerätewerk, es lag ja direkt vor der Haustür. Bernd machte die Arbeit im Betrieb Spaß, er verstand sich gut mit seinen Kollegen und half nebenbei tüchtig mit, eine Kulturgruppe der Jugend zu organisieren. Es war gerade die Zeit, da Werner Hofmann Werkleiter des Elektrogerätewerkes wurde.
    Carl Uhlmann allerdings schüttelte manchmal den Kopf. Da war nun der Sohn des Unternehmers in der Fabrik, in der einst Vater, Großvater und Urgroßvater über die Arbeiter geboten und die heute von einem Arbeitersohn geleitet wurde, selber Arbeiter geworden, damit ihn die Arbeiter dann zum Studium delegieren können – es war eine zu verzwickte Sache und besser, man dachte gar nicht weiter darüber nach.
    Doch seine Umwelt zwang Carl Uhlmann recht oft zum Nachdenken. Da hatten die Arbeiter ihren Sozialismus aufgebaut, und man war ganz unversehens mit hineingeraten. Er brauchte nur aus dem Fenster zu blicken, dann hatte er täglich das beste Beispiel dafür vor Augen: das Elektrogerätewerk. Aus dem Nichts war es innerhalb weniger Jahre zu einem Betrieb mit 1.300 Beschäftigten geworden und hatte die Elektrotechnik, einen ganz neuen Industriezweig, in diese Gegend gebracht. Das reckte sich gewaltig, nahm alle Gebäude und Räumlichkeiten des früheren Fabrikkomplexes ein. Und mitten im Gelände, in der roten Fabrik und in dem kleinen Verwaltungsgebäude am Werktor saß der private Unternehmer Carl Uhlmann, produzierte Strümpfe wie eh und je und dachte – halb bewundernd und halb zornig: Am liebsten würden die mich hier auch noch heraus haben.
    ›Die‹ hätten tatsächlich die rote Fabrik noch gut gebrauchen können, denn mittlerweile hatte das Elektrogerätewerk schon auf vier weitere Ortschaften, wo frühere Textilbetriebe frei wurden, seine ständig wachsende Produktion ausgedehnt. Auch in der Textilindustrie änderte sich ja manches. Andere Textilfabrikanten hatten staatliche Beteiligung aufgenommen und waren gut dabei gefahren. Aber mit der Strumpfproduktion war das noch etwas komplizierter. Mit dem Siegeszug der nahtlosen Strümpfe konzentrierte sich die Produktion immer mehr auf die Rundstrickautomaten in den großen volkseigenen Betrieben, das war dort rentabler. Carl Uhlmann bemühte sich vergeblich um eine staatliche Beteiligung. Wäre er an Stelle des Staates, er hätte auch kein sonderliches Interesse gehabt, in dieses Geschäft einzusteigen. Das verstand er als Geschäftsmann schon ganz gut. Und wenn er weiterdachte, dann hätte dieser Staat doch eigentlich zufrieden sein müssen, wenn so ein Privatunternehmer, der der Wirtschaft wenig nützt, ganz langsam und friedlich einging. Da sagten sie, der Sozialismus hat Platz für alle – aber in seiner Branche würde das wohl doch nicht mehr lange gehen.
    Bei solchen Überlegungen lockte der Weg, den einige Strumpffabrikanten vor ihm gegangen waren, auch Carl Uhlmann manchmal gleisnerisch zum Betreten. Da war die 200 Jahre alte Firma ›Elbeo‹, Louis Bahner aus Oberlungwitz, die sich jetzt in Mannheim und Augsburg etabliert hatte, auch der ›Strumpfveteran‹ Werner Uhlmann – mit C. A. Uhlmann nur dem Namen nach verwandt – saß jetzt in Westdeutschland. Und da war vor allem Margaritoff, der Mann, der sich vom Strumpfschieber der Nachkriegszeit zum Millionär und Chef der Opal-Strumpfwerke in Schleswig-Holstein emporgeschoben hatte.
    Vor einigen Jahren noch schätzte sich Carl Uhlmann glücklich, ihn zu seiner persönlichen Bekanntschaft zu zählen. Es war etwas Märchenhaftes um diesen Margaritoff. Er war der Mann, der seit Jahren die Schönheitsköniginnen in Westdeutschland ›kürte‹, die zwar als ›Miss Germany‹ proklamiert, aber in gewissen Kreisen nur ›Opal-Miss‹ genannt wurden. Er richtete sich für runde zwei Millionen Mark in Hamburg eine Alstervilla – Stilmöbel in den Gesellschaftsräumen, heizbarer Swimmingpool im Keller – ein, und wenn die Alsterdampfer daran vorüberfuhren,

Weitere Kostenlose Bücher