Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
verschuldeten Besitz verwaltete und sie und ihre Kinder verachtete. In der Vergessenheit des kleinen, heruntergekommenen Landsitzes hockend, war es da verwunderlich, dass sie alles getan hatte, um ihr Leben selbst zu gestalten?
Das zumindest hätte ich getan, dachte Nicole. Wenn auch auf andere Weise als ihre Mutter, die immerzu auf der Suche nach jemandem war, der sie liebte, sie errettete. Und sie, die das sah und nicht verstand, hatte verkündet, sie selbst werde nie, niemals zulassen, dass ein Mann über sie bestimmte.
Mutter und Tochter, sie waren so verschieden und sich doch so ähnlich.
„Sie hat Angst“, verkündete Nicole dem leeren Zimmer, und ihr Herz stolperte ein bisschen, als sie erkannte, wie recht sie mit ihrer Folgerung hatte. „Wahrscheinlich hat sie sich ihr Leben lang gefürchtet, hat sich verstellt, nie gewagt, sie selbst zu sein, immer bemüht zu gefallen, zu schockieren, alles zu tun, um Aufmerksamkeit zu erregen, vorhanden zu sein.“ Aufseufzend lehnte sie ihren Kopf gegen den Wannenrand. „Ach, Mama, ich habe es nicht gewusst, nicht verstanden. Es tut mir leid.“
Lange saß sie so, in Grübeln versunken, bis sie merkte, dass sie trotz des lodernden Kaminfeuers fröstelte.
Gerade hatte sie sich in der Wanne erhoben und griff nach dem Badetuch, als sie aus einer Ecke des dämmrigen Zimmers ein Klopfen vernahm und sich eine Tür öffnete, die ihr bis dahin nicht aufgefallen war.
Sie erwartete, die Wirtin zu sehen.
„Lucas!“
Mit vernehmlichem Platschen plumpste Nicole zurück ins Wasser, tauchte vollkommen unter, sodass das Badetuch in ihrer Hand wie eine Plane über sie fiel. Strampelnd tauchte sie unter dem an ihr klebenden, nassen Tuch vor, doch nur bis zu den Schultern.
„Nicole? Himmel, hast du dir wehgetan?“
Sie spuckte Wasser und rieb sich mit einem Zipfel des Badetuchs Augen. „Du … du Trottel! Was sollte das denn? Willst du mich ertränken?“ Da ihre Augen von dem Seifenwasser brannten, konnte sie Lucas nicht richtig erkennen, hörte jedoch eindeutig das Lachen in seiner Stimme.
„Wenn, dann hat es offensichtlich nicht geklappt. Es tut mir leid, ich dachte, du wärest längst fertig mit Baden. Als ich aus dem Schankraum kam, sah ich nämlich die Wirtin dort unten hantieren.“
„Ich hatte sie weggeschickt“, erklärte Nicole. „Wo bist du?“, fragte sie, während sie vergeblich in die dämmrige Ecke lugte.
„Hinter dir. Weißt du übrigens, dass du nur dieses eine Badetuch hast!“
Aufkeuchend zerrte sie sich das Tuch weiter über den Oberkörper. Wie gut nur, dass die Wanne einen so hohen Rand hatte! „Und weiß du, dass ich dich in diesem Augenblick am liebsten erwürgen möchte?“
„Wie tröstlich. Eine andere Frau wäre angesichts dieser misslichen Lage in Ohnmacht gefallen und dem Ertrinken nahe gewesen. Nicht so Sie, Mrs Payne, Sie haben Mumm bis in die Knochen!“
Am liebsten hätte sie ihm das nasse Tuch um die Ohren geschlagen, weil er so fröhlich und ungekünstelt lachte, nur dass sie dann splitternackt, mit nichts als ihrem Ärger bekleidet, vor ihm gesessen hätte.
„Bist du fertig? Fällt dir nichts mehr zu sagen ein? Gut! Dann besorg mir ein Badetuch. Das Wasser wird immer kälter!“ Dann aber riss sie die Augen auf und sank erneut tiefer in die Wanne. „Was war das?“
„Das, Weib, war ein Klopfen – das vermutlich unser Dinner ankündigt. Soll ich aufmachen?“
„Ach nein, mach dir nicht die Mühe, erlaube mir, selbst zur Tür zu gehen.“ Ihr Tonfall triefte vor Sarkasmus.
„Wenn du darauf bestehst“, sagte er, fügte aber besänftigend hinzu, dass sie bleiben solle, wo sie war, und sich vor Augen halten, dass man nichts Anrüchiges darin sehen würde, wenn der Gemahl im Zimmer seiner Gemahlin weilte, obwohl sie nackt war.
„Sag nicht nackt“, verlangte sie, während ihr Verstand sich bei der Suche nach einem Ausweg aus dieser lächerlichen Situation fast überschlug. Sie sah sich nach Lucas um.
Er war fort.
Ihre Zähne begannen zu klappern. Er würde sie hier erfrieren lassen!
Aber nein, da kam er schon wieder und verkündete: „Ich habe angeordnet, dass unser Dinner in meinem Zimmer serviert wird. Und außerdem habe ich ein paar Badetücher mitgebracht.“
„Man hört, wie stolz du darauf bist! Vermutlich soll ich dir jetzt danken?“
Eins der gefalteten Tücher plumpste vor ihr in die Wanne.
„Lucas!“
„Jetzt sind es noch zwei. Nur zwei. Bedenke das, ehe du noch mehr sagst.“
„Lucas, bitte!“,
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