Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
rief sie, oder flehte sie etwa? Aber sie fror so sehr.
„So, ich breite das Tuch jetzt hinter dir aus – es ist ziemlich groß. Ich werde wegschauen, und du stehst auf, dann wickele ich dich hinein.“
„Ich habe eine bessere Idee. Du legst es auf den Hocker da, gehst hinaus, und dann klettere ich aus der Wanne.“
Breit lächelnd sah er auf sie nieder. „Mein Vorschlag gefiel mir besser. Und ehe du etwas einwendest, denk dran, ich habe die Tücher.“
„Dreh dich weg und schließ die Augen.“
„Da sind wir wahrscheinlich zum ersten Mal, seit wir uns kennen, einer Meinung. Das lässt mich fast glauben, alles wäre möglich. Also los, und rutsch nicht aus.“
Sie wartete, bis er das Handtuch weit ausgebreitet hatte – es war, Gott sei Dank, wirklich sehr groß und würde sie ganz bedecken – erhob sich dann, nachdem er die Augen geschlossen und den Kopf abgewandt hatte, und stürzte sich förmlich in das Tuch. Sofort hüllte er sie fest darin ein, hob sie aus der Wanne, als wöge sie nicht mehr als eine Feder, und hielt sie so, ein ganzes Stück über dem Boden, an sich gedrückt.
„Himmel, du fühlst dich gut an!“, flüsterte er ihr ins Ohr, und dann küsste er sie hinter eben dieses Ohr. „Aber du schmeckst nach Seife.“
Sie war gefangen, in dem Tuch und in seinen Armen. „Setz … mich … ab!“
„Ja, das wäre wohl besser.“ Sanft stellte er sie auf die Füße und trat zurück. „Kommst du nun allein zurecht?“
„Du meinst, ob ich mich alleine abtrocknen und anziehen kann?“, fragte sie, wobei sie sich aus dem Schein des Kaminfeuers entfernte und auf der anderen Seite des Bettes Zuflucht suchte. „Wieso fragst du? Kannst du das etwa nicht?“
Er kratzte sich wie verlegen die Stirn, doch sie sah, dass er lächelte. „Touché, mein Herz“, sagte er. „Wenn du so weit bist, findest du mich in meinem Zimmer. Es gibt Schinken, ohne Fettrand.“
„Oh! Aber den mag ich, wenn er schön knusprig braun ist.“ Ihr Magen knurrte, und sie fragte sich, ob er es gehört hatte, und sie war immer noch nass, und sie fror erbärmlich, besonders hier, wo die Wärme des Feuers kaum noch spürbar war. „Ich .. ich komme dann gleich.“
Er verneigte sich höchst elegant, und vermutlich spöttisch, und ging hinaus, sorgsam die Tür hinter sich schließend.
Kaum war er fort, trottete sie zum Kamin, mit einer Hand das Badetuch festhaltend, während sie mit der anderen das Band aus ihren tropfenden Haaren zerrte.
Sie kniete sich neben ihre Reisetasche, löste die Schnallen und schaute, was Lydia wohl zu packen für richtig befunden hatte.
Zuoberst lag das Reitkleid, darunter kam ein geblümtes Vormittagskleid zutage, das – verflixt – im Rücken mit einer endlosen Reihe winziger Knöpfe geschlossen wurde. Das konnte sie kaum ohne Hilfe anziehen.
Des Weiteren folgte Unterwäsche, und ganz zuunterst fand sie einen flauschigen Flanellmorgenmantel mit einem ebensolchen Nachthemd. Entsetzt starrte sie die Teile an.
Denn beide gehörten nicht ihr, sondern Lydia, und die trug sie ganz gewiss nur, wenn sie krank war und Wärme suchte! Anders ausgedrückt, sie, Nicole, würde darin von Kopf bis Fuß eingepackt sein wie eine Nonne in ihre Tracht.
Andererseits war ihr immer noch kalt, also hieß es, entweder das keusche Habit oder das geblümte Kleid, mit dem sie – nur in Unterwäsche – zu Lucas gehen müsste, um ihn zu bitten, dass er es ihr zuknöpfte. Und ihn später, wenn sie zu Bett gehen wollte, bitten müsste, es auch wieder aufzuknöpfen …
„Ach, was soll’s“, sagte sie und schlüpfte in das Nachtgewand, dessen baumwollene Häkelmanschetten selbst noch ihre Hände halb bedeckten. Dann zog sie den Morgenmantel an. Guter Gott, oberhalb der Taille war er mit gelben Röschen bestickt!
Eingedenk der Nachtwäsche, die ihre Mutter trug, hatte Nicole die ihre mit Bedacht in den elegantesten Läden der Bond Street gewählt und bald festgestellt, wie sehr sie das Gefühl glatter weicher Seide auf ihrer nackten Haut genoss. Hätte Lydia nicht ihr gelbes Ensemble einpacken können? Das mit der feinen venezianischen Spitze an den Säumen?
Manchmal war ihre Schwester so … so … schwesterlich!
Sie nahm das letzte trockene Handtuch und legte es sich um die Schultern, um zu verhindern, dass ihr immer noch feuchtes Haar den Morgenmantel durchnässte.
Zum Schluss griff sie zu der silberplattierten Frisiergarnitur und begann, sich zu kämmen. Fast kamen ihr die Tränen, so sehr ziepte es,
Weitere Kostenlose Bücher