Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
finden. Einverstanden? Ja? Dann nick jetzt. Sei ein braver Junge.“
Das Manöver verlief glatter, als Lucas sich hätte träumen lassen, und ohne dass auch nur ein Mensch im Schankraum etwas bemerkte.
Den Wirt als Wegweiser voran, so stiegen sie über grobe Holzstiegen in den Keller hinab, in den großen, niedrigen Raum.
An den Wänden waren Dutzende von Kisten aufgetürmt, und der Tisch, der als Rednerpult gedient hatte, stand noch an Ort und Stelle. Doch wie Rafe und Lucas vermutet hatten, war keiner der Männer, die neulich hier gesprochen hatten, anwesend.
„Er hält mir ’n Messer ins Kreuz!“, schrie der Wirt plötzlich in das Stimmengedröhn, das hundert miteinander tuschelnde Männer verursachten, und ruckartig drehten sich alle Köpfe der Gruppe auf der Treppe zu.
„Jetzt nicht mehr“, knurrte Lucas, zog seine Hand mit der Klinge fort, hob aber gleichzeitig einen Fuß und versetzte dem Mann einen derart heftigen Tritt ins Hinterteil, dass der die letzten drei Stufen hinunterflog und unter lautem Gepolter in einem Berg aufgetürmter Fässchen landete.
„Also, da wir nun die Aufmerksamkeit aller Anwesenden haben …“, sagte Rafe und winkte den Männern lässig zu. „Gentlemen! Erlauben Sie, dass wir uns vorstellen. Ich bin Captain Rafael Daughtry, ich habe sechs Jahre in Spanien gedient, und mein Freund hier ist Major Lucas Payne, der zum Kommandostab Wellingtons gehört und den Sieg bei Waterloo miterlebt hat. Wir kommen als Freunde zu euch, zu den Männern, die so tapfer und treu gedient haben.“
„Wollt euch wohl noch den letzten Jackenknopf von uns holen?“, schrie einer aus den hinteren Reihen. „Alles andere habt ihr ja schon!“
Während ziemlicher Tumult ausbrach, schlug weiter vorn ein hagerer graugesichtiger Mann, dessen rechter Jackenärmel leer herabhing, in die gleiche Kerbe. „Genau! Vielleicht wollt ihr meinen anderen Arm auch noch? Und ihr wischt mir dann den Hintern, was?“
„Dass das kein Spaziergang wird, war wohl klar, oder?“, flüsterte Rafe und bedeutete Lucas, vorzutreten. „Jetzt bist du an der Reihe.“
Lucas hatte nicht unter Wellington gedient, ohne einiges über die Männer zu lernen, die im einen Moment schworen, wenn nötig, für ihr Land und ihren Duke zu sterben, um dann nach der Schlacht am Biwakfeuer zu hocken und Land und Duke zu verfluchen.
„Das reicht jetzt!“, brüllte er gebieterisch. „Wir sind hier, um euch zu sagen, dass man euch verraten hat. Und der Nächste, der hier ungefragt spricht, kriegt es mit mir zu tun! Oder seid ihr so wild darauf versessen, noch heute Nacht in der Gosse zu krepieren?“
„Hört ihnen zu!“, rief einer der Versammelten und bahnte sich einen Weg nach vorn. „Der da ist Basingstoke! Ich kenn ihn! Der is’ seinen Männern voraus zum Angriff geritten! Drei Pferde hat’s ihm nacheinander unterm Hintern weggeschossen! Das hab’ ich mit eigenen Augen gesehen!“
„Na, wir hatten ja gehofft, dass man wenigstens einen von uns erkennen würde“, sagte Rafe und stellte sich an Lucas’ Seite. „Ein Held bist du, Teufel auch! Ich hatte ja keine Ahnung. Drei?“
„Zwei, das dritte ist nur gestolpert. Aber ich werde den Burschen lieber nicht korrigieren.“
Lucas wusste, er musste handeln, ehe einem der Männer einfiel, dass der Krieg längst vorbei war. Also bat er mit einer sprechenden Geste um Ruhe und stürzte sich dann in seine wohlüberlegte Rede.
Wütenden Männern glaubhaft zu erklären, dass man sie für dumm verkauft hatte, war kein Kinderspiel und dauerte seine Zeit, doch schließlich hörten alle aufmerksam auf das, was Lucas ihnen zu sagen hatte.
Inzwischen waren auch die drei Männer zurückgelehrt, die man ausgeschickt hatte, um zu sehen, ob sich auch in anderen Schenken die Bürger für Gerechtigkei t zusammengefunden hatten. Leider mussten sie mitteilen, dass, entgegen den Versprechungen auf Unterstützung, hier im „Broken Wheel“ die einzige Versammlung stattfand.
Schließlich kam man überein, dass eine Anzahl Männer, als Spähtrupp sozusagen, von Lucas und Rafe begleitet, zur Westminster Bridge ziehen sollten; der Rest sollte in der Schenke abwarten.
Gemeinsam folgte die kleine Gruppe dem Mann, der Lucas erkannt hatte, durch dunkle Straßen und noch dunklere Gassen bis hin zu der Brücke.
An der Einmündung einer dieser finsteren Seitenstraßen verborgen, sahen sie, dass auf der anderen Brückenseite, zum Parlament hin, schon ein Großteil der Königlichen Garde aufmarschiert
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