Wandel
bekam ich mit, wie mich jemand aufhob und sich über die Schulter warf. Dann trug man mich unsanft und schnell weg, wovon mir erst nur übel wurde. Aber als die Reise andauerte, musste ich mich auch noch übergeben, wobei ich leider nicht mehr die Kraft hatte, den Schwall Erbrochenes gegen meine Kidnapper zu richten.
Eine subjektive Ewigkeit später landete ich unsanft auf dem Boden. Ich verhielt mich still, hoffte ich doch, meinen Entführern vorgaukeln zu können, ich sei kaum bei Bewusstsein und schwach wie ein Kätzchen. Unter dem Strich ein ziemlich einfacher Bluff, immerhin war ich wirklich kaum noch bei Bewusstsein und schwach wie ein Kätzchen. Was ich in dieser Situation als Vorteil ansah, denn als Schauspieler hatte ich mich noch nie hervorgetan.
„Igitt, was ist das? Wir mögen das nicht“, sagte eine Frauenstimme. „Seine Kraft stinkt.“
„Wir müssen geduldig sein“, antwortete die Stimme eines Mannes. „Es könnte sehr wertvoll sein.“
„Es hört uns zu“, sagte die Frau.
„Das wissen wir“, antwortete der Mann.
Ich hörte leise, weiche, durch Kiefernnadeln gedämpfte Schritte und wieder die Stimme der Frau, langsamer, tiefer. Sie klang … hungrig. „Das arme Ding, so zerschlagen. Wir sollten ihm einen Kuss geben und es schlafen lassen. Das wäre gnädig, und er wäre erfreut.“
„Nein, unsere Liebe. Er wäre zufrieden. Das ist nicht dasselbe.“
„Als würden wir den Unterschied nicht verstehen!“ Die Stimme der Frau klang säuregetränkt. „Er wird uns nie in den Kreis aufnehmen, egal welche Beute wir bringen. Wir gehören nicht zu den ersten Maya.“
„Im Laufe der Ewigkeit können sich viele Dinge ändern, unsere Liebe. Wir werden geduldig sein.“
„Du meinst, er könnte stürzen?“ Sie stieß ein ziemlich beunruhigendes Kichern aus. „Warum bemühen wir uns dann nicht um die Gönnerschaft Ariannas?“
„Das werden wir nicht einmal ins Auge fassen.“ Die Antwort kam schnell und bestimmt. „Er könnte es schon mitbekommen, wenn es uns zu oft durch den Kopf geht. Er könnte entsprechend handeln. Verstehen wir?“
„Ja“, sagte sie bockig.
Dann packte jemand meine Schulter mit eisernem Griff und drehte mich mit Schwung auf den Rücken. Über mir drehten sich die dunklen Gipfel der Bäume, nichts weiter als schwarze Schattenrisse vor den Lichtern Chicagos, reflektiert von den tiefhängenden Wolken.
Das Licht reichte knapp, mich die bleichen, zarten Gesichtszüge einer winzigen Frau erkennen zu lassen, die kaum größer als ein Kind war. Ich schätzte sie auf einen Meter vierzig, aber mit den Formen einer Erwachsenen. Ihre Haut war blass, mit einem Hauch Sommersprossen auf Nase und Wangenknochen, das Haar hellbraun und sehr glatt. Sie mochte etwa neunzehn sein. Das Seltsamste an ihr waren die Augen: Das eine erstrahlte in einem hellen, eisigen Blau, das andere tief grün. Hinter diesen nicht zueinander passenden Augen, befanden meine Instinkte, lauerte auf jeden Fall kein rationales Wesen.
Sie trug ein Kleid mit langen, fließenden Ärmeln, darüber ein Korsett und eine Art ärmellose Robe, und sie war barfuß – was ich ziemlich deutlich zu spüren bekam, als sie mir ihren kleinen, kalten Fuß auf die Brust pflanzte und sich vorbeugte, um auf mich herabzuschauen.
„Wir sind zu spät. Sieh doch nur, es vergammelt schon!“
„Unsinn“, sagte die männliche Stimme. „Es ist ein untadeliges Exemplar. Sterbliche Magier müssen abgenutzt und zäh sein, unsere Liebe, dann sind sie richtig.“
Als ich aufsah, entdeckte ich auch den männlichen Part des Duos, das sich über meinen Kopf hinweg unterhielt. Er mochte einen Meter siebzig groß sein, mit einem kurzen, roten Haarschopf, schwarzem Bart und einer Haut, die aussah wie in der Sonne nachgedunkeltes Kupfer. Er ging ganz in schwarzer Seide und sah aus, als käme er gerade von einer Hamlet - Generalprobe.
„Aha“, sagte ich. „Ihr müsst Esmeralda und Esteban sein. Ich habe schon von euch gehört.“
„Wir sind berühmt“,zischte die winzige Frau und strahlte den Mann an.
Der warf ihr seufzend einen strengen Blick zu. „Ja, wir sind Esteban und Esmeralda Batiste. Wir sind hier, um dich daran zu hindern, Arianna weiterhin ihre Pläne umsetzen zu lassen.“
Ich blinzelte. „Was?“
Esmeralda beugte sich dichter heran, wobei ihr Haar mir über Nase und Lippen strich. „Sind seine Ohren entzwei? Wenn seine Ohren defekt sind, können wir sie dann abnehmen und zurückschicken?“
„Friede, unsere
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