Wandel
dass mein Lehrling Molly eingetroffen war, während ich schlief, und gerade meine winzige Küche entweihte. Sie bereitete das Frühstück zu.
Molly war an diesem Morgen eher schlicht gekleidet: Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das in winzigen Buchstaben folgende weltbewegende Botschaft verkündete: „Wer meint, das hier lesen zu müssen, lädt mich gefälligst zum Essen ein.“Sie hatte ihr ursprünglich goldenes Haar wachsen lassen, so dass es ihr inzwischen am Rücken bis zu den Schulterblättern reichte – oben am Ansatz hellgrün gefärbt, unten an den Spitzen dunkelblau, auf dem Weg von oben nach unten in so ziemlich allen Farbschattierungen dazwischen.
Ich weiß nicht, ob die Jugend von heute Molly als „heiße Alte“ oder als „voll geil“ und „absolut abgefahren“ bezeichnete. Die entsprechenden Ausdrücke änderten sich ja alle paar Sekunden. Aber welches Wort man auch wählte: Solange man damit seine Bewunderung und sein Lob für die Anmut einer jungen Frau zum Ausdruck bringen wollte, war es richtig gewählt, und man durfte es getrost verwenden. Auf mich wirkte sie vielleicht nicht ganz so umwerfend wie auf andere, was daran lag, dass ich Molly schon gekannt hatte, als sie ein mageres kleines Gör gewesen war, zwar nicht mehr mit Stützrädern am Fahrrad, aber noch deutlich ohne ersten BH. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass ich nicht wahrnahm, wie sie aussah, oder dass meine Wertschätzung ihrer Schönheit eine rein akademische gewesen wäre. Wenn Molly es darauf anlegte, fielen die Männer scharenweise über sie her.
Mouse hockte andächtig zu ihren Füßen. Mein großer Hund wusste sehr wohl, dass er nichts vom Tisch, vom Herd, der Anrichte oder oben vom Kühlschrank nehmen durfte, und hielt sich auch gut an diese Abmachung. Nur erstreckte sie sich seiner Meinung nach nicht auf Linoleumfußböden. Was auf den Boden fiel und für ihn erreichbar war, gehörte ihm. Seine braunen Augen verfolgten angespannt alles, was Mollys Hände taten, und seinem freudigen Wedeln nach zu urteilen hatten diese Hände bereits mehrmals etwas fallen lassen. Was Hundchen betraf, hatte Molly ein weiches Herz.
„Morgen, Boss!“, zwitscherte sie.
Ich funkelte sie böse an, schleppte mich aber dann doch zu ihr in die Küche. Sie lud gerade frisches Rührei auf einen Teller, auf dem bereits gebratener Frühstücksspeck, Toast und einiges an gemischtem Obst warteten. Aber als Erstes drückte sie mir ein großes Glas Orangensaft in die Hand.
„Kaffee!“, befahl ich streng.
„Damit wolltest du diese Woche doch aufhören. Wir haben eine Abmachung, schon vergessen? Ich mache das Frühstück, und dafür trinkst du morgens keinen Kaffee mehr.“
In meinem Kopf herrschte leichter Nebel, der sich nur mit einem Kaffee vertreiben lassen würde. Hatte ich mich wirklich auf so ein schwachsinniges Abkommen eingelassen? Molly war es von zu Hause aus gewöhnt, auf ihre Gesundheit zu achten, legte aber in letzter Zeit immer größeren Wert darauf und hatte beschlossen, auch mich an den Freuden einer gesunden Lebensweise teilhaben zu lassen.
„Ich hasse euch Morgenmenschen!“ Knurrend schnappte ich mir mein Frühstück und schleppte mich zur Couch. „Gib bloß Mouse nichts, ist nicht gut für ihn.“
Mouse reagierte noch nicht einmal mit einem Ohrenzucken. Er hockte weiter friedlich da, beobachtete Molly mit Argusaugen und grinste vor sich hin.
Grummelnd trank ich meinen Orangensaft, ein vollkommen unangemessener Auftakt für diesen Tag. Der Schinken entpuppte sich als geräuchertes Truthahnfleisch, dessen Ränder Molly hatte anbrennen lassen. Ich aß ihn trotzdem, zusammen mit zwei Scheiben Toast, die nicht knusprig genug waren. Der Grashüpfer hatte Talente, aber Kochen gehörte nicht dazu. „Es liegt was an“, sagte ich, als ich fertig war.
Molly stand an der Spüle, kratzte in einem Topf und sah interessiert zu mir herüber. „Ach ja? Was denn?“
Ich murmelte Unverständliches, musste ich doch erst einmal nachdenken. Schlachten lagen Molly nicht, das war nicht ihr Ding. Die nächsten Tage würden für mich zweifellos gefährlich werden, damit konnte ich leben. Aber zog ich Molly mit in die Sache, konnte es durchaus mörderisch werden.
Angeblich sollte Unwissenheit ja in vielen Fällen vor Gefahren schützen. Ich persönlich hatte beides erlebt: Menschen, die umkamen und wahrscheinlich nicht umgekommen wären, hätte man ihnen nichts von der übernatürlichen Welt und ihren Gefahren erzählt, und
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