Wandel
und mehr nach gemeinsamen Lösungen, statt jedes auftauchende Problem in Blutvergießen ausarten zu lassen.“ Er strahlte uns alle auf eine freundliche, väterliche Art an. Cristos war ein großer, schmaler Mann mit langem, offenem, grauem Haar, dunklem Bart und durchdringenden, dunklen Augen. Er hatte seine Robe nicht geschlossen, damit auch jeder den teuren Designeranzug sah, den er darunter trug und der jedem Geschäftsmann Ehre gemacht hätte.
„Aus diesem Grunde habe ich vor einer Weile den Roten König um eine Telefonkonferenz gebeten“, fuhr er fort, wobei er, da es kein adäquates lateinisches Wort gab, den englischen Begriff für Telefon verwendete, ein Fauxpas, der ihm missbilligendes Raunen eintrug. So etwas tat man einfach nicht, ließ der versammelte Rat den begeisterten Redner unmissverständlich wissen. Cristos zeigte sich ungerührt. „Während dieser Aussprache konnte ich mich seiner Unterstützung bei den Bemühungen um einen klar definierten, bindenden und für beide Seiten akzeptablen Frieden versichern. Einen solchen Frieden zu schaffen und zu erhalten liegt in unser aller Interesse, und aus diesem Grunde freut es mich sehr, dass ich heute Ihnen, den Magiern des Weißen Rates, die Botschafterin des Roten Hofes vorstellen darf: Herzogin Arianna Ortega.“
Nicht weit vom Podium und von Cristos entfernt fingen einige Magier begeistert an zu klatschen. Andere ließen sich, wenn auch mit einem gewissen Zögern, anstecken, bis sich das Klatschen nach und nach zu einem höflichen Applaus ausgewachsen hatte.
Mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen betrat Arianna das Podium.
Sie war überwältigend – und damit meine ich nicht überwältigend wie das hübscheste Mädchen der Straße, damit meine ich schön wie eine Göttin. Wobei einzelne Details kaum eine Rolle spielten. Groß war sie. Dunkles Haar. Haut so weiß wie Milch, so fein wie glänzendes Elfenbein. Augen so blau wie der Himmel um Mitternacht. Ein Kleid aus tiefroter Seide mit einem Ausschnitt, der wunderbar tiefe Blicke gestattete. Leuchtende Juwelen am Hals und an den Ohren. Die Haare auf dem Kopf aufgetürmt, wobei sie es einzelnen Locken gestattete, ihr ins Gesicht zu fallen. Ihre Anmut war von so makelloser Reinheit, dass der Anblick fast schon schmerzte. Die Göttin Athene an einem Freitagabend auf dem Weg ins Nachtleben.
Ich musste die Erscheinung gute fünf, sechs Sekunden lang begaffen, ehe mir bewusst wurde, dass unter all dieser Schönheit etwas schlummerte, das mir ganz und gar nicht gefiel. Ihre Anmut an sich war eine Waffe. Kreaturen wie sie hatten Männer vor Verlangen in den Wahnsinn getrieben. Genauer gesagt: Ich wusste, Ariannas Schönheit war letztlich nur hauchdünne Patina. Ich wusste, was darunter lauerte.
„Ich danke Ihnen, Magier Cristos“, verkündete die Herzogin charmant. „Es ist eine große Ehre, dass Sie mich heute hier empfangen. Im Interesse des Friedens zwischen unseren Nationen und um dem abscheulichen Blutvergießen zwischen unseren Völkern endlich ein Ende zu bereiten.“
Der Klatschverein trat erneut in Aktion, kaum hatte Arianna die erste kleine Pause eingelegt. Diesmal griffen die anderen Anwesenden das Stichwort schneller auf, aber der Beifall blieb höflich und zurückhaltend. Abgesehen von den Magiern direkt am Rand der Bühne, die frenetisch Beifall klatschten, hielten sich alle anderen auffallend zurück.
Ich wartete, bis der Beifall verklungen war, um die Tür freizugeben, die ich bis dahin offen gehalten hatte. Sie schloss sich mit einem lauten Knall, der genau in die Stille zwischen dem Applaus und Ariannas nächsten Worten platzte.
Fast tausend Gesichter wandten sich mir zu.
Stille senkte sich über den großen Saal, man hörte praktisch nur noch den Wasserfall rauschen und die Vögelchen zwitschern.
Ich musterte Arianna mit hartem Blick. Meine Stimme war klar und deutlich, für alle im Saal gut zu hören: „Ich will das Mädchen, Vampirin.“
Arianna erwiderte meinen Blick einen Augenblick lang mit höflicher Gelassenheit, bevor sich der Hauch eines Lächelns auf ihr Gesicht stahl – gemischt mit ein klein wenig Hohn. Das brachte mein Blut in Wallung, und ich hörte, wie meine Knöchel knackten, als sich meine Finger fester um meinen Stab schlossen.
„Magier Dresden!“ Cristos ’ Stimme klang scharf und tadelnd. „Dies hier ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt für eine Ihrer kriegstreiberischen Idiotien.“
Ich war so beeindruckt von der
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