Wandel
Bündelchen, die wahrscheinlich das eine oder andere an Standardausrüstung für einen Magier enthielten. So etwas trug ich auch bei mir, wenn ich arbeitete. Der Merlin führte seinen langen, weißen Stab mit sich, schlicht und ohne Verzierungen, aus einem Holz, dessen Name mir nicht bekannt war.
Ich starrte ihn einen Moment lang an. „Sind die Friedensverhandlungen schon vorbei?“, wollte ich wissen.
„Natürlich nicht“, sagte der Merlin. „Meine Güte, Dresden, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir den gesamten Ältestenrat auf einer Bühne aufbauen, wo er sich in unmittelbarer Reichweite der Klauen einer Vampirin befindet. Sind Sie wahnsinnig?“
Ich blinzelte ihn verwirrt an.
„Vom Ältestenrat steht nur McCoy auf der Bühne“, fuhr der Merlin fort, „und Cristos natürlich.“ Er verzog leicht angewidert das Gesicht. „Der sich unserer kleinen Sicherheitsmaßnahme nicht bewusst ist. Die Gesandte könnte durchaus eine Assassinin sein.“
Ich massierte mir nachdenklich den Kiefer. „Ihr habt ihn also allein da oben stehen lassen, während ihr anderen auf Nummer sicher gegangen seid.“
Der Merlin zuckte die Achseln. „Einer von uns musste schließlich anwesend sein, um eventuelle Fragen zu beantworten. Die Idee stammte übrigens von McCoy, der ein nerviger, arroganter, aber ziemlich beeindruckender Mann ist.“
Widerwillig schalt ich mein Hirn, das wieder mal kurzfristig ausgesetzt und mich zu einer bissigen Bemerkung verführt hatte. Ich musste mich endlich zwingen, alte Feindschaften hintanzustellen und mich aufs Wesentliche zu konzentrieren. „Ihr vertraut den Vampiren nicht“, sagte ich langsam. „Ihr trinkt hier bei den Friedensverhandlungen nicht das Kool-Aid, das sie euch vorsetzen.“
Langtry sah mich geduldig an. Dann wandte er seinen Blick Luccio zu.
„Jonestown“, half sie ihm weiter. „Der Massenselbstmord im letzten Jahrhundert.“
Er runzelte die Stirn, nickte dann aber. „Eine Metapher! Ich verstehe. Nein, Dresden, wir sind nicht bereit, ihnen einfach zu vertrauen. Nur sind viele Leute im Rat anderer Meinung. Cristos hat unzählige Unterstützer gewinnen können, die alle nur zu gerne die genannten Friedensbedingungen annehmen möchten.“
„Wenn ihr den Krieg nicht beenden wollt …“ Ich musste immer noch scharf nachdenken. „Warum zum Teufel hast du mich dann zurückgehalten, Luccio? Ich hätte das an Ort und Stelle für euch regeln können.“
„Eben nicht“, widersprach Langtry gelassen. „Man hätte Sie bewusstlos geschlagen und in ein Loch geworfen.“ Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Eine angenehme Vorstellung, wenn ich das so sagen darf. Aber nicht gerade praktisch.“
Neben mir stützte Molly die Ellbogen auf den Tisch, legte das Kinn auf ihre verschränkten Hände und sah den Merlin nachdenklich an.
Mein Hirn befand sich auf einer Bergtour. „Ich schaffe das, ich schaffe das“,tuckerte es vor sich hin, und als es auf dem Gipfel angekommen war, riss ich die Augen auf. „Ihr habt nicht vor, die Friedenspfeife zu rauchen. Im Gegenteil: Ihr erwartet einen Angriff.“
Der Merlin warf mir einen schwer zu deutenden Blick zu und legte wie zufällig die Hand auf den Griff seines Kampfstabs. „Mein Gott! Womit habe ich mich verraten, Dresden?“
Merlin hin oder her: Mir lag eine hitzige, unsachliche Erwiderung auf den Lippen, aber Anastasia war schneller und packte mein Handgelenk. „Unsere Quellen berichten von jeder Menge Aktivitäten im Lager des Roten Hofs. Er macht mobil.“
Mein Blick glitt zwischen den beiden hin und her. „Ihr glaubt, sie versuchen es mit einem trojanischen Pferd?“
„Oder irgendeiner Variante dieses altbekannten Themas.“ Langtry nickte.
„Also bereiten wir uns darauf vor“, fuhr Anastasia fort. „Gleichzeitig bereiten wir den schwersten Gegenangriff vor, mit dem wir sie je bedacht haben.“
„Hm!“, ließ sich Molly hören. „Was, wenn es ihnen ernst ist? Wenn sie wirklich Frieden schließen wollen?“
Woraufhin sich die Augen alle Anwesenden auf meinen Lehrling richteten. Unter dem Blick des Merlins schmolz Molly sichtlich in sich zusammen.
„Es könnte doch sein“, verteidigte sie sich schwach.
Langtry schenkte ihr ein herablassendes Lächeln. „Die Katze lässt das Mausen nicht, Miss Carpenter. Lämmer können nur für kurze Zeit mit einem heißhungrigen Wolf befreundet sein. Wenn die Roten mit uns Frieden schließen, dann nur, um sich zu regenerieren und hinterher erneut und härter
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