Wandel
zuschlagen zu können.“
„Wer uralt ist, hat nun mal seine festen Gewohnheiten und weicht kaum mal davon ab“, fügte ich ergänzend hinzu, wobei mein Ton deutlich machte, dass für mich auch Langtry zu den Uralten gehörte. „Immer das Beste hoffen und sich auf das Schlimmste vorbereiten, das ist die Parole.“
Molly nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe, nickte dann aber doch.
Langtry warf mir einen strengen Blick zu. „Muss ich erklären, warum ich das alles gerade erläutert habe, Dresden?“
„Vielleicht sollten Sie das besser tun“, sagte ich. „Ich meine, wo Sie doch ohne Schautafel gearbeitet haben und ich vom Kopf her etwas langsam bin, Herr Professor.“
Langtry holte vernehmlich Luft, schloss kurz die Augen und drehte den Kopf zur Seite.
„Was denn?“ Molly runzelte die Stirn.
„Falls der Rote Hof die Absicht hat anzugreifen, wollen wir, dass er das auch tut“, erklärte ich. „Wir wollen ihn glauben machen, sein Trick hätte funktioniert. Wir wollen, dass er sich in Sicherheit wiegt, allzu selbstsicher wird, und wenn die Vampire uns dann angreifen, schlagen wir so hart und schnell zurück, dass alles schon vorbei ist, ehe sie kapieren, wie ihnen geschieht.“
„Nein.“ Der Merlin schüttelte den Kopf. „Wir schlagen so hart und fest zu, dass sie überhaupt nicht mitbekommen, was los ist. Punkt. Wir führen keinen endlosen Krieg mehr mit diesem Abschaum. Keinen heißen, keinen kalten, überhaupt keinen. Wir werden sie ausmerzen, mit Stumpf und Stiel austilgen.“ Er reckte das Kinn, seine Stimme verwandelte sich zu Eis. „Wir werden sie auslöschen, exterminieren.“
Schweigen senkte sich auf den Raum. Nur das Feuer knisterte fröhlich.
Ich spürte, wie sich meine Fäuste ballten. „Aber wenn das hinhauen soll, müsst ihr sie erst einmal dazu bringen, die Maske fallen zu lassen“, flüsterte ich, „und deswegen werden Sie mich jetzt gleich bitten, die Hände von Herzogin Arianna zu lassen.“
„Absurd“, sagte Langtry mit ruhiger, leiser Stimme. „Ich bitte Sie nicht, die Herzogin in Ruhe zu lassen. Ich befehle es Ihnen, Wächter Dresden.“
„Dann wird das Kind sterben“, sagte ich.
„Das Kind ist aller Wahrscheinlichkeit nach bereits tot oder ein Vampir“, antwortete Langtry, „und selbst wenn es bis jetzt überlebt haben sollte: Wir müssen uns der Wahrheit stellen, auch wenn sie manchmal hart und kalt ist. Wenn wir den Roten Hof daran hindern, sich jewieder an der Menschheit zu nähren, rettet das Milliarden Menschen das Leben. Wir retten Unbekannte, die jetzt schon leben, und viele, viele mehr, die erst noch das Licht der Welt erblicken werden.“ Die Stimme des Merlins wurde womöglich noch kälter. „Kein Mensch, egal wie schuldig oder unschuldig, ist mehr wert als diese Milliarden.“
Ich schwieg für mehrere lange, stille Sekunden.
Dann erhob ich mich, stand einen Augenblick lang direkt vor dem Merlin, spürte den stahlharten, unerbittlichen Willen dieses Mannes, den größten Quell sterblicher Magie auf Erden.
„Sie verdrehen alles“, sagte ich leise. „Kein Leben ist mehr wert als diese Milliarden? Nein. Kein Leben ist weniger wert!“
Der Merlin verzog keine Miene. Nur die Finger, die seinen Kampfstab hielten, verspannten sich ein wenig. Der Blick seiner kalten blauen Augen glitt kurz zu Molly hinüber, ehe er sich wieder auf mich richtete.
Die Drohung war nicht zu übersehen.
Ich beugte mich vor, dicht an das Ohr des Merlins. „Mach schon, Arthur! Versuch es.“ Dann richtete ich mich langsam wieder auf, ohne eine Regung im Gesicht, ohne dass man mir auch nur einen Gedanken an der Nasenspitze hätte ablesen können. Die Spannung im Raum war greifbar geworden. Molly zitterte.
Ich bedachte den Merlin mit einem nachdenklichen Nicken.
Dann sagte ich leise, aber deutlich: „Grashüpfer.“
Molly sprang auf.
Ich achtete darauf, dass ich zwischen Langtry und dem Mädchen blieb, während Molly und ich zur Tür gingen. Er tat gar nichts, aber der Blick seiner Augen war kalt wie die Arktis. Luccio, die hinter ihm stand, warf mir ein kaum merkliches, konspiratives Lächeln zu.
Herrjemine. Sie hatte die ganze Zeit gewusst, gegen wen sie würde arbeiten müssen.
Molly und ich ließen Edinburgh hinter uns und machten uns auf den Heimweg nach Chicago.
9. Kapitel
I ch rechnete auf der Strecke nach Chicago eigentlich ständig mit Ärger, aber seltsamerweise lief alles glatt.
Hätten wir die Tour mit rein physischen Transportmitteln bewältigen
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