Wandel
sagte Tilly mit echter Verachtung in der Stimme. „Die Regierung in diesem Staat ist so korrupt, dass es zum Himmel stinkt.“
„Amen.“
„Ich habe Ihre Akte studiert. Da steht, das Büro hat Sie schon mal unter die Lupe genommen. Da steht auch, ein paar Tage später seien vier Agenten verschwunden.“ Er schürzte die Lippen. „Man hat Sie schon der Entführung verdächtigt, des Mordes und in mindestens zwei Fällen auch der Brandstiftung. Einer der Brände verwüstete ein öffentliches Gebäude.“
„Das war nicht meine Schuld“, sagte ich. „Die Sache mit dem öffentlichen Gebäude, meine ich.“
„Sie führen ein interessantes Leben, Dresden.“
„Eigentlich gar nicht. Von Zeit zu Zeit ein wüstes Wochenende, das ist es aber auch schon.“
„Finden Sie?“, sagte Tilly. „Ich nicht. Ich finde Ihr Leben interessant und bin auch sehr an Ihnen interessiert.“
Ich seufzte. „Mann. Lassen Sie sich eines gesagt sein: Interessieren Sie sich lieber nicht für mich.“
Tilly dachte nach, zwischen seinen Brauen entstand eine kleine Falte. „Wissen Sie, wer Ihr Bürohaus in die Luft gesprengt hat?“
„Nein.“
Das Gesicht meines Gegenübers hätte aus Stein gemeißelt sein können. „Lügner.“
„Wenn ich es Ihnen sagte, würden Sie mir nicht glauben. Sie würden mich in die Psychiatrie einweisen. Also bleibe ich lieber dabei, dass ich nichts weiß. Ich weiß nicht, wer das Haus in die Luft gesprengt hat.“
Er nickte ein paarmal langsam und nachdenklich. „Was Sie da machen, Dresden, könnte man als Behinderung laufender Ermittlungen interpretieren. Sogar als Eingriff in dieselben. Mehr noch: möglicherweise sogar als Hochverrat. Kommt drauf an, wer hinter dem Bombenattentat steckt und warum es stattfand.“
„Lassen Sie mich das anders zusammenfassen“, sagte ich. „Sie haben in meiner Wohnung nichts Belastendes gefunden und auch nichts, was Ihnen das Recht gäbe, mich weiter hier festzuhalten. Deswegen versuchen Sie jetzt, mich einzuschüchtern, damit ich mit Ihnen rede.“
Agent Tilly lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Ich kann Sie ohne Angabe von Gründen vierundzwanzig Stunden lang festhalten. Ich kann dafür sorgen, dass diese vierundzwanzig Stunden für Sie ziemlich ungemütlich werden, ohne dass es zu direkten Gewaltanwendungen käme oder gegen irgendwelche Gesetze verstoßen würde.“
„Ich wünschte, das würden Sie nicht tun“, sagte ich.
Tilly zuckte die Achseln. „Ich wünschte, Sie würden mir sagen, was Sie über die Explosion wissen. Aber anscheinend soll wohl keiner von uns bekommen, was er sich wünscht.“
Nachdenklich stützte ich den Kopf in beide Hände. Meiner Meinung nach standen die Chancen eins zu eins, dass irgendwer aus der übernatürlichen Welt, höchstwahrscheinlich Arianna, ein paar Strippen gezogen und mir Rudolph auf den Hals gehetzt hatte. Vielleicht konnte ich diese kleine Handgranate jetzt zurückwerfen?
„Geht es inoffiziell?”, erkundigte ich mich bei Tilly.
Der verließ den Raum, um gleich darauf wiederzukommen – wahrscheinlich hatte er eben mal kurz sämtliche Aufzeichnungsgeräte ausgeschaltet. Er setzte sich und sah mich erwartungsvoll an.
„Sie werden herausfinden, dass im Gebäude Sprengstoff versteckt war, mit den entsprechenden Kabeln“, sagte ich, „und zwar im fünften Stock.“
„Woher wissen Sie das?“
„Jemand, dem ich vertraue, hat Baupläne des Hauses gesehen, auf denen die Sprengladungen verzeichnet waren. Wahrscheinlich wurden sie auf Anweisung des Hauseigentümers angebracht. Vor ein paar Jahren kam ein Bautrupp und hat die Wände aufgerissen, daran erinnere ich mich noch. Damals hieß es, sie nähmen eine Asbestsanierung vor. Auftraggeber war der Hausbesitzer.“
„Das Haus gehört Nuevo Verita, Inc. Wenn die einen Versicherungsbetrug geplant haben, sind sie nicht gerade geschickt vorgegangen.“
„Um Versicherungsgeld geht es hier nicht.“
„Worum denn dann?“
„Um Rache.“
Tilly musterte mich mit schräggelegtem Kopf. „Sie haben diesen Nuevo-Leuten etwas angetan?“
„Ich habe jemandem etwas angetan, der in dem Großkonzern, zu dem auch Nuevo Verita gehört, ziemlich hoch oben mitmischt.“
„Was genau haben Sie getan?“
„Nichts Illegales“, versicherte ich. „Sie sollten sich vielleicht bei Gelegenheit mal die Geschäftsunterlagen eines Mannes anschauen, der sich Paolo Ortega nannte. Er war Professor für Mythologie in Brasilien.
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