Wandel

runzelte die Stirn. „Mit Göttern, meinen Sie?“
    „Auf jeden Fall mit Göttern, die sich aufs Altenteil zurückgezogen haben. Einst verneigten sich ganze Zivilisationen vor ihnen. Jetzt haben sie nur noch eine Handvoll Anhänger. Die Macht ihres Blutes hat sich auf Tausende von Nachfahren verteilt. Dennoch sammelt sich in den Händen der Herren der äußeren Finsternis mehr Macht, als dass Sie es so, wie Sie sind, mit ihnen aufnehmen könnten.“
    „Das kriege ich nicht zum ersten Mal zu hören“, sagte ich.
    Vadderung beobachtete mich schweigend. „Dann will ich Ihnen helfen, es zu verstehen“, meinte er schließlich.
    Jäh warf mich eine Kraft, stärker als hundert Vorschlaghämmer, aus dem Stuhl und auf den Boden.
    Ich fand mich auf dem Rücken wieder, schnappte hilflos nach Luft wie ein gestrandeter Fisch. Als ich mich aufsetzen wollte, schaffte ich es noch nicht mal, die Arme zu heben. Ich bündelte meinen Willen, fest entschlossen, wenigstens einen Teil dieser Kraft von mir abzulenken und …
    Fand meinen Willen unerwartet direkt mit einem anderen konfrontiert. Was mich am Boden hielt, war mitnichten, wie ich angenommen hatte, Erdmagie. Es war die einfache, rohe, brutale Kraft des Willens Donar Vadderungs, des Vaters des Donners, des Vaters und Königs der Asen. Vater Odins Wille hielt meinen Körper am Boden fest, und ich konnte ebenso wenig entkommen oder seinen Willen brechen, wie ein Insekt es fertiggebracht hätte, einem zutretenden Fuß auszuweichen.
    Kaum hatte mich diese Erkenntnis getroffen, verpuffte die Kraft auch schon wieder, verschwand, als hätte es sie nie gegeben. Keuchend lag ich auf dem Boden.
    „Ich könnte Sie töten, junger Magier, das liegt im Bereich meiner Fähigkeiten“, flüsterte Vadderung. „Mit einem Wunsch könnte ich Sie töten, gerade hier in Midgard, im Zentrum meiner Macht.“ Er stand auf, kam um den Schreibtisch herum und streckte mir die Hand hin. Ich ergriff sie. Er zog mich hoch, ohne sich auch nur die geringste Anstrengung anmerken zu lassen. „Dort sind Sie im Zentrum ihrerMacht. Mit einem Dutzend von ihnen konfrontiert, von denen jeder fast so stark ist wie ich.“ Er legte mir flüchtig die Hand auf die Schulter. „Sie sind tapfer, klug, und von Zeit zu Zeit haben Sie Glück. Für die Schlachten, die Sie bisher schlagen mussten, zweifellos sehr gute, nützliche Qualitäten. Aber so, wie Sie jetzt sind, können Sie die Kräfte nicht überwinden, mit denen Sie es in diesem Fall aufnehmen müssen. Selbst wenn es Ihnen gelänge, den Roten König in Chichén Itzá herauszufordern, würde Ihnen doch nur das Gleiche geschehen wie eben, als ich Sie zu Boden warf, und dann können Sie nur noch zusehen, wie Ihre Tochter stirbt.“
    Er musterte mich stumm, bis sich die Bürotür öffnete und eine der Empfangsdamen den Kopf ins Zimmer steckte. „Sie haben in fünf Minuten eine Verabredung zum Mittagessen.“
    „Richtig“, sagte Vadderung. „Danke, M.“
    M. zog sich mit einem kurzen Nicken zurück.
    Vadderung hatte sich soeben mir zugewandt, als Gard eintrat, ein zugedecktes Tablett in der Hand, das sie auf dem großen Schreibtisch abstellte. Danach zog sie sich sofort ein paar Schritte zurück, um unaufdringlich und bescheiden im Hintergrund zu warten.
    „Sie haben das Schicksal herausgefordert, Dresden“, sagte Vadderung. „Sie haben sich gegen Feinde gestellt, die viel größer und stärker sind als Sie. Dafür respektiere ich Sie.“
    „Könnte ich diesen Respekt vielleicht eintauschen? Gegen – ich weiß auch nicht … ein halbes Dutzend Walküren, eine Empfangsdame und das eine oder andere Bataillon toter Helden?“
    Vadderungs Gelächter war laut und herzlich – so dürfte der Nikolaus gelacht haben, als er noch jung war und Football spielte. „Ich fürchte, ohne meine Empfangsdamen komme ich nicht zurecht.“ Er wurde wieder ernst. „Die anderen besäßen im Zentrum der Macht des Roten Königs nicht ihre eigentliche Stärke.“ Er schüttelte den Kopf. „Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht: Dies ist eine Angelegenheit der Sterblichen und muss von Sterblichen geregelt werden.“
    „Also werden Sie nicht helfen“, sagte ich leise.
    Er ging zu einem in die Wand eingelassenen Stahlschrank, nahm einen Mantel heraus, zog ihn sich über und kam noch einmal zu mir zurück. „Ich spiele dieses Spiel schon eine Weile, mein Junge. Sehr lange sogar. Woher wollen Sie wissen, dass ich Ihnen nicht genau das gegeben habe, was Sie brauchen?“
    Vadderung nahm