Wandel
mit ihren Talenten gern mal kümmern.“
„Dresden!“Miss Gard wollten die Augen vor Schreck gleich aus dem Kopf fallen.
Inzwischen hatten mich beide Empfangsdamen ins Visier genommen. Die, die bisher nichts gesagt und sich auch nicht bewegt hatte, verlagerte ein klein wenig ihr Gewicht, als wolle sie sich gleich auf mich stürzen.
„Was denn, Sigrun“, sagte ich zu meiner Begleiterin. „Ich will doch nur freundlich und diplomatisch sein. Mein Mundwerk ist weltbekannt, hinterher gibt es noch verletzte Gefühle, wenn ich es hier gar nicht aufreiße. Wo doch sonst schon Hans und Franz in den Genuss gekommen sind: Feenköniginnen, Vampirhöfe – beachten Sie den Plural, nicht nur einer! –, Halbgötter und Dämonenfürsten, und hier soll ich mich zurückhalten? Das geht einfach nicht.“
Gard beäugte mich einen Moment lang misstrauisch, aber dann flammte in den blauen Augen ein Rest Trotz auf und ein bisschen was von „ Leckt mich doch alle am Arsch!“
„Vielleicht liegen Sie aber auch falsch, und man schätzt Ihre frechen Beleidigungen gar nicht allseits.“
„Hehe“, sagte ich. „Der war gut.“
Der redselige Zwilling legte den Kopf leicht schräg. „Sofort, Sir“, sagte die Dame. „Ja, Sir.“ Sie richtete einen messerscharfen Fingernagel auf mich. „Sie sollen durch die Tür hinter mir ins Büro treten.“ Der Nagel wanderte zu Gard. „Sie sollen ihn begleiten und die Vorstellung übernehmen.“
Gard nickte und bedeutete mir mit dem Kopf, ihr zu folgen. Wir traten aus dem Lift und gingen an den Zwillingen vorbei zu der Tür hinter dem Schreibtisch. Die Köpfe beider Damen drehten sich langsam, als ich an ihnen vorbeiging – offensichtlich verfolgten sie jede einzelne meiner Bewegungen. Das war ausgesprochen gruselig.
Durch die Tür hinter dem Schreibtisch gelangten wir auf einen langen Flur, der ebenfalls ganz aus rostfreiem Stahl bestand. An den Wänden befanden sich in regelmäßigen Abständen esstellergroße Anschlussbuchten oder Luken, alle geschlossen. Bestimmt servierte man auf diesen Tellern keine köstlichen Vorspeisen, im Gegenteil. Wer davon aß, sagte mir ein dumpfes Gefühl, hatte hinterher nicht mehr Gelegenheit, sich nach dem Rezept zu erkundigen.
Am Ende des Flurs erwartete uns eine Doppeltür aus Stahl, die sich lautlos öffnete, um uns einen weiteren Raum aus rostfreiem Stahl zu präsentieren, im Wesentlichen lediglich mit einem Schreibtisch möbliert. Hinter diesem Schreibtisch saß ein Mann.
Donar Vadderung hatte das Kinn auf den rechten Handballen gestützt und starrte mit leicht zusammengekniffenen Augen auf einen holografischen Computerbildschirm. Meine Instinkte waren sich sofort einig: Der Mann da war ausgesprochen gefährlich.
Dabei wirkte er auf den ersten Blick noch nicht einmal allzu beeindruckend: Anfang fünfzig, lang und dünn, in guter körperlicher Verfassung. Drahtig wie ein Langstreckenläufer, aber für einen reinen Läufer zu schwer in Armen und Schultern, wahrscheinlich trieb er noch einen anderen Sport. Sein Haar war für einen Mann der Geschäftswelt einen Tick zu lang und ein klein wenig zu wirr, grau wie eine Gewitterwolke. Das eine Auge erstrahlte eisblau, das andere war mit einer Augenklappe aus dunklem Stoff abgedeckt, aus der oben und unten die Enden einer vertikal verlaufenden Narbe herausschauten, die meiner eigenen nicht unähnlich war. Ich hatte also richtig gelegen, was das Firmenlogo betraf. Die Augenklappe, dazu noch ein kurzer, gepflegter Vollbart – das Bild des gutaussehenden Schurken. Vadderung sah aus wie einer, der gerade nach dreißig Jahren Knast den Bewährungsausschuss beschwatzt hatte, ihn freizulassen, obwohl er eigentlich dreimal lebenslänglich hätte absitzen müssen – eine Entscheidung, die die Ausschussleute wahrscheinlich früher oder später bitter bereuen würden.
„Sigrun“, begrüßte er meine Begleiterin höflich.
Gard ließ sich auf das rechte Knie fallen und senkte den Kopf – ohne Zögern, ohne Steifheit in den Bewegungen. Für Gard war die Verneigung kein technisches Ritual, sie glaubte fest daran, dass Vadderung diese Ehrerbietung verdient hatte.
„Mein Herr“, sagte sie, „ich habe den Magier mitgebracht. Wie Sie befohlen hatten.“
„Gut gemacht!“ Der Grauhaarige hieß sie mit einer Geste aufstehen. Eigentlich konnte sie die Geste nicht gesehen haben, da sie weiterhin den Kopf gesenkt hielt, aber sie reagierte dennoch und erhob sich. Wahrscheinlich hatten die beiden ein paar Hundert
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