Wandel
die Abdeckung von dem Tablett, das Gard auf seinem Schreibtisch abgestellt hatte, nickte mir vergnügt zu und ging.
Auf dem Tablett dampfte neben drei leeren Tütchen Zucker ein Becher Tee vor sich hin. Dem verführerischen Duft nach zu urteilen Pfefferminztee, den ich besonders gern trank. Daneben stand ein kleiner Teller mit zwei Donuts, beide dick mit Zuckerguss bedeckt und bar jeder Deformierung durch bunte Streusel oder andere essbare dekorative Exzesse.
Draußen verschwand Vadderung gerade, einfach so, gefolgt von beiden Empfangsdamen. Wahrscheinlich hatten sie sich einen Weg geöffnet.
„Sind Sie bereit zum Aufbruch?“, erkundigte sich Gard.
„Einen Moment noch.“
Ich setzte mich wieder auf den überraschend bequemen Besucherstuhl, trank meinen Tee, aß meine Donuts und dachte nach.
22. Kapitel
I ch brauchte Schlaf.
Am späten Vormittag fuhr ich mit Molly zu meiner Wohnung zurück. Mouse kam die Treppe herauf, als wir ausstiegen, ganz angespannte Wachsamkeit, die sich bei unserem Anblick sofort in das übliche freudige Begrüßungsritual auflöste: Schwanzwedeln, Schnüffeln, Anstupsen. Beruhigt torkelte ich die Stufen zu meiner Wohnung hinunter – wenn mein Hund sich entspannt gab, war alles in bester Ordnung.
Drinnen im Haus werkelten Susan und Martin eifrig vor sich hin, argwöhnisch beobachtet von Mister, der erneut seinen Stammplatz auf dem höchsten Bücherregal bezogen hatte. Susan hatte anscheinend alle Teppiche und Läufer im Wohnzimmer eingesammelt und kräftig ausgeklopft und verteilte sie nun wieder, allerdings nicht so, wie sie vorher gelegen hatten. Sie hob gerade mit zwei Fingern eine Sofaecke hoch, um einen Teppich geradeziehen zu können.
Martin sortierte den Inhalt meiner Bücherregale alphabetisch.
Für solche Sakrilegien hatte man die Leute früher geteert und gefedert.
Tapfer unterdrückte ich entsprechende Bedürfnisse. Wahrscheinlich, versuchte ich mir einzureden, meinten es die beiden nur gut und wollten helfen.
„Erfolg“, sagte Susan. „Wenigstens ein kleiner. Unsere Leute haben herausgefunden, wer genau uns hier so hartnäckig an den Fersen klebt.“
„Ach ja? Wer denn?“
„Die Eebs“, sagte sie.
Molly kam herein, blieb stehen, runzelte entrüstet die Stirn. Auch ihr gefiel nicht, was der Besuch in unserer Abwesenheit angestellt hatte. Sicher, die Wohnung war nach dem Durchlauf von Bullen und FBI das reine Chaos gewesen, aber trotzdem … auch Molly liebte den Status quo eben mehr als alphabetisch sortierte Bücher.
Martin schüttelte den Kopf. „Esteban und Esmeralda Batiste“, erklärte er. „Eins der Paare, das der Rote Hof zur Arbeit im Felde einsetzt.“
„Eins der?“, fragte ich.
„Wer als Paar reist, erregt weniger Aufmerksamkeit“, sagte Susan. „Aus irgendwelchen Gründen genießen Ehepaare bei Gesetzeshütern einen Vertrauensbonus, was deren Entscheidungen beeinflusst. Das macht vieles einfacher.“
„Deswegen reist du mit Martin“, sagte ich.
„Natürlich.“ Martin nickte. „Das ist doch klar.“
„Esteban und Esmeralda sind berüchtigt“, fuhr Susan fort. „Ihr Verhalten lässt sich schwer vorhersehen, sie gelten als äußerst unorthodox. Was allerhand heißt, immerhin reden wir von Vampiren. Sie verschleißen ihr Personal rücksichtslos, wenn es sein muss. Ich persönlich glaube, ihre Exzentrik hat etwas mit ihrer Beziehung zu tun – die beiden verbindet eine ziemlich gruselige Variante der Liebe. Das lässt sie emotionaler handeln als andere Vampire.“
„Sie ergänzen sich in ihrem Wahnsinn“, widersprach Martin. „Das Liebe zu nennen, verleiht dem Ganzen eine Würde, die es nicht verdient.“
„In deinem Bürohaus hat vor der Explosion doch ein Vampir entkommen können, Harry“, sagte Susan. „Das war höchstwahrscheinlich Esteban. Er haut gern und oft frühzeitig ab, wahrscheinlich ist er überhaupt nur deswegen noch am Leben, und Esmeralda hat bestimmt in der Nacht irgendwo in der Nähe auf einem Haus gehockt und Wache geschoben. Wahrscheinlich hat sie auch die Explosion ausgelöst.“
„Dann steckten die beiden auch hinter dem Mordanschlag auf mich vor dem FBI-Gebäude.“ Ich nickte. „Getönte Fensterscheiben, der Schütze saß so weit hinten auf dem Rücksitz, dass man ihn nicht zu Gesicht bekam.“
„Gut möglich – nein, eher wahrscheinlich“, sagte Susan. „Die beiden ziehen sich, wenn es nottut, eine Ganzkörperfleischmaske an und gehen auch bei hellem Tageslicht in die
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