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Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck

Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck

Titel: Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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nebeneinander, und ihre Atemstöße verliefen parallel.
    Der, der zuerst gesprochen hatte, verfolgte gereizt die Bewegungen des anderen, der die Kerze irgendwo im Gepäck versteckt hatte. Seine Atemstöße wurden ruhiger, als er endlich das Geräusch der Zündholzschachtel vernahm.
    Dann zischte das Zündholz auf, und es wurde Licht: ein kümmerliches gelbes Licht.
    Sie blickten sich an. Immer, wenn es wieder hell wurde, blickten sie sich zuerst an. Dabei kannten sie sich gut, viel zu gut. Sie haßten sich fast, so gut kannten sie sich; sie kannten ihren Geruch, fast den Geruch jeder Pore, und doch blickten sie sich an, der Ältere und der Jüngere. Der Jüngere war blaß und schmal und hatte ein Niemandsgesicht, und der Ältere war blaß und schmal und unrasiert und hatte ein Niemandsgesicht.
    »Na«, sagte der Ältere, jetzt ruhiger, »wann wirst du endlich lernen, daß man nicht alles tut, was die Leutnants sagen …«
    »Er wird …«, wollte der Jüngere anfangen.
    »Er wird gar nichts«, sagte der Ältere wieder scharf und zündete
    eine Zigarette an dem Licht an, »er wird die Schnauze halten, und wenn er sie nicht hält, und ich bin gerade nicht da, dann sag ihm, er soll warten, bis ich käm, ich hätte das Licht angemacht, verstehst du.
    Ob du verstehst?«
    »Jawohl.«
    »Laß dieses Scheißjawohl, sag ruhig ja zu mir. Und mach das Koppel ab«, er schrie jetzt wieder, »zieh dieses verdammte Scheißkoppel aus, wenn du schläfst.«
    Der Jüngere blickte ihn ängstlich an und zog das Koppel aus und legte es neben sich ins Stroh.
    »Roll den Mantel zusammen und leg ihn als Kopfkissen hin. So. Ja … und nun schlaf, ich wecke dich, wenn du sterben mußt …«
    Der Jüngere rollte sich auf die Seite und versuchte zu schlafen. Man sah nur den braunen verfilzten Wirbel junger Haare, einen sehr dünnen Hals und die leeren Schultern des Uniformrockes. Die Kerze flackerte ein wenig und ließ ihr spärliches Licht schaukeln in dem dunklen Erdloch, als sei sie ein großer gelber Schmetterling, der nicht weiß, wo er sich niederlassen soll.
    Der Ältere saß noch immer halb hockend und stieß den Rauch der
    Zigarette heftig vor sich gegen die Erde. Die Erde war dunkelbraun, an manchen Stellen sah man die weißen Schnittflächen, wo der Spaten eine Wurzel durchschlagen oder etwas höher eine Zwiebel durchschnitten hatte. Die Decke bestand aus ein paar Brettern, über die die Zeltbahn geworfen war, und in den Zwischenräumen der Bretter hing die Zeltbahn etwas runter, weil die Erde, die darüber lag, schwer war, schwer und naß. Draußen regnete es. Es rauschte. Ein sanftes, unsagbar stetiges Rauschen, und der Ältere, der immer starr gegen die Erde blickte, sah jetzt einen kleinen, sehr dünnen Wasserstrahl, der unter der Decke her in das Loch floß. Das kleine Wasser staute sich ein bißchen vor irgendwelchen Erdbrocken, aber es floß stetig nach, und dann schwemmte es an den Erdbrocken vorbei bis zum nächsten Hindernis, und das waren die Füße des Mannes, und das immer mehr nachfließende Wasser umschwemmte die Füße des Mannes, so daß seine schwarzen Stiefel wie eine regelmäßige Halbinsel in dem Wasser lagen. Der Mann spuckte den Zigarettenstummel in die Pfütze und zündete an der Kerze eine neue an. Dabei nahm er die Kerze oben vom Rand des Loches und stellte sie neben sich auf einen Maschinengewehrkasten. Die Hälfte, in der der Jüngere lag, lag jetzt fast im Dunkeln. Das schwankende Licht erreichte diese Hälfte nur noch in kurzen, aber heftigen Zuckungen, die immer mehr nachließen.
    »Schlaf jetzt, verdammt«, sagte der Ältere, »hörst du, du sollst schlafen.«
    »Jawohl … ja«, sagte die schwache Stimme, aber man hörte, daß sie wacher war als eben, als es dunkel gewesen war.
    »Augenblick«, sagte der Ältere wieder milder. »Noch eine oder zwei Zigaretten, dann mach ich aus, und wir versaufen wenigstens im Dunkeln.«
    Er rauchte weiter und wandte manchmal seinen Kopf nach links, wo der Junge lag, aber er spuckte auch den zweiten Stummel in die größer werdende Pfütze, zündete die dritte an und immer noch hörte er am Atem da neben sich, daß das Kind nicht schlafen konnte.
    Dann nahm er den Spaten, hieb in die weiche Erde und richtete hinter der Decke, die den Ausgang bildete, einen kleinen Wall aus Erde auf. Hinter diesem Wall richtete er eine zweite Schicht aus Erde auf. Die Pfütze zu seinen Füßen deckte er mit einem Spaten voll Erde zu. Draußen war nichts zu hören als das milde Rauschen

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