Wandernde Welten
»Holen Sie ihn zurück! Holen Sie ihn zurück!«
Paula drängte sich durch die Menge von Stythen und Sklaven auf die beiden zu. Ohne den Blick von Sabas Gesicht zu wenden stieß Tanoujin den Jungen fort, aber David hatte seine Finger in seinem Hemd verkrallt und klammerte sich an ihn.
»Holen Sie ihn zurück! Das haben Sie doch schon einmal getan! Wenn Sie ein Gott sind, dann können Sie ihn zurückholen...«
Paula nahm ihn beim Arm und riß ihn herum. »David. Hör damit auf.«
»Holt ihn zurück...« David begann wie ein Kind zu weinen.
Paula schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Er starrte sie entgeistert an, die Augen rund und groß, den Mund aufgerissen. Ketac schaffte ihn aus dem Zimmer.
Tanoujin setzte sich auf die Bettkante. Er konnte nichts mehr tun. Paula hatte es gewußt, als sie Sabas Stirn berührte. Sie drängte alle anderen aus dem Zimmer, damit Tanoujin mit seinem toten Lyo allein sein konnte.
Der süßliche Geruch von Weihrauch überdeckte den Verwe-sungsgestank des Körpers. Eine ganze Wache lang hatte sie hier gesessen, und sie würde noch zwei weitere Wachen sitzen bleiben, neben der ununterbrochen weinenden Melly und Boltiko, deren Lippen fest zusammengepreßt waren.
Der Weihrauch hatte ein harziges Aroma, wie Zedernholz. Die rauchige Luft und das ständige Dröhnen des rUlugongon benebelte ihre Sinne. Die Gestalten von Sabas Söhnen, die zu beiden Seiten des Toten standen, verschwammen vor ihren Augen. Sie hatten den Prima in der Eingangshalle des rAkellaron-Hauses aufgebahrt. Hinter Ketac und Dakkar sah Paula die Goldwand mit den einziselierten Namen aller rePriman-rAkellaron. Die Menschen von Vribulo traten durch den rechten Flügel der zweiflügeligen Tür herein, umrundeten den aufgebahrten Toten und verließen die Halle durch den linken Teil der Tür. Aus ihren leisen Gesprächen erfuhr Paula, daß manche von ihnen aus Matuko kamen, andere von so entfernten Städten wie Ponka, auf der anderen Seite des Planeten.
David stand am Fußende der Bahre, zwischen zwei seiner größeren Brüder. Sein Gesicht wirkte alt und verhärmt. Auf seinen Wangen glitzerten Tränen. Sie wandte den Kopf, um seinen Schmerz nicht mit ansehen zu müssen. Sie hatte Saba nie wirklich geliebt. Jetzt, wo er tot war, mußte sie versuchen, mit den völlig veränderten Umständen zurechtzukommen. Ihre einzigen Plus-punkte waren ihr Einfluß auf den Mittleren Planeten und ihre besondere Beziehung zu Tanoujin.
Aber für Tanoujin bedeutete Sabas Tod auch einen schweren materiellen Verlust. Als ranghöchster Offizier der Flotte hatte er kein Schiff mehr, da Ketac die Ybix erben würde. In der Kammer hatte er offiziell nur den elften Rang inne. Leno würde der neue Prima werden, und Leno haßte ihn. Aber all das würde ihm kaum Kopfschmerzen bereiten. Das waren eben Feinde, mit denen man fertigwerden mußte, aber Paula war sein einziger Rivale.
Irgendwann während der nächsten Wache ging David hinaus und kam nicht zurück. Sie war zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen, wohin er gegangen sein mochte. Wahrscheinlich ertrug er den Anblick seines toten Vaters nicht mehr, und es war besser, daß er gegangen war. Melly sackte in ihrem Stuhl zusammen und wurde hinausgetragen. Paulas Augen brannten. Aber sie war entschlossen, hier sitzenzubleiben, bis es vorüber war. Ein ständiger Menschenstrom umkreiste die Bahre mit dem Toten. Sie stöhnten, sie weinten, sie streckten die Hände aus, um Saba zu berühren oder etwas neben den Toten zu legen. Die Bahre und der Boden um sie herum waren mit aus Gras oder Papier geformten Ringen bedeckt, Symbolen der Trauer.
Sie schloß ein paar Sekunden lang die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war Tanoujin eingetreten und stand am Fußende der Bahre. Um den Hals trug er eine Kette mit einer Medaille: Sabas Orden, erkannte sie und fragte sich, ob außer ihr noch jemand wußte, daß Tanoujin ihn trug.
Ein Glasen ertönte. Die letzten Trauergäste gingen hinaus.
Sklaven schlossen die Doppeltür. Boltiko stand stöhnend auf und trat zur Bahre. »Mein Junge«, sagte sie leise und legte eine Hand auf Sabas Wange. »Mein armer Junge.«
Paula trat neben sie, und die beiden Frauen fielen einander in die Arme. Sie gingen in die Prima-Suite hinauf. David war nicht dort.
Paula goß einen guten Schuß Ponkan-Gin in eine Tasse und kippte ihn mit einem Zug herunter. Die anderen Familienmitglieder gingen in der Suite umher, sogar Sabas Töchter mit ihren Kindern. Ketac saß in dem
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