Wandernde Welten
zu bleiben.
»Halte ihre Hände fest, sonst kratzt sie mir die Augen aus.«
Saba packte ihre Handgelenke. »Sei ruhig, Paula«, sagte er. Sie begann vor Schmerzen zu schluchzen.
»Es tut nicht weh«, sagte Tanoujin. Er drückte seine Hände auf ihre zerfetzten Wangen.
Sie spürte nichts, nicht einmal die Kühle seiner Haut. Sie atmete tief durch. Saba hielt sie fest an sich gedrückt. Ihr Gesicht wurde plötzlich warm, fast heiß. Tanoujins Hände lösten sich von ihr, und dann gab Saba ihre Hände frei. Sie fuhr mit einer Hand über ihr Gesicht. Die Schrammen waren noch da. Aber sie bluteten nicht mehr. Sie fühlten sich an wie Narben von Wunden, die schon seit Tagen verheilt waren. Sie strich unwillkürlich ein wenig härter über die Haut. Der Schorf fiel in langen Flocken ab und schwebte vor ihrem Gesicht.
»Laß mich sehen.« Saba blickte sie an. »Er hat es geschafft.«
Sie sah, wie Tanoujin aus dem Raum glitt.
»Wie hat er die Wunden so rasch heilen können?« fragte sie.
Er antwortete nicht. »Du wirst mit niemandem darüber sprechen«, sagte er ernst. »Mit keinem Menschen. Hast du mich verstanden?«
Sie nickte. Ihr Gehirn war noch immer wie benebelt. Wie hatte er es getan? Sie fror plötzlich, und ihre Zähne schlugen aufeinander.
»Ich muß auf die Brücke.« Er umspannte ihr Kinn mit der Hand.
»Lüge mich nie wieder an, hörst du? Nie wieder.« Er nahm den Sensordraht mit sich, als er durch die Luke verschwand.
Sie hing schwerelos im Raum. Das Blut und die Flocken des zerfetzten Styropors trieben wie Wolken um sie herum. Allmählich wurden sie von den Filtern eingesaugt, und die Luft wurde wieder klar. Und mit ihnen verschwand auch ihr Glaube, daß das eben Erlebte tatsächlich Wirklichkeit gewesen war. Die Kälte zwang sie dazu, sich zu bewegen. Sie zerrte ihren Koffer aus dem winzigen Raum, öffnete ihn unter großer Anstrengung und nahm eine Bluse und einen dicken Pullover heraus.
Im Hintergrund des Raums schwebte der rechteckige Karton mit den Plastikfiguren. Sie zog ihn heraus und benutzte eine Nagelfeile, um seine Styropor-Verpackung zu zerschneiden. Zwei weitere Drähte waren in dem weißen Kunststoff verborgen. Einer hatte ein würfelförmiges Gerät von der Größe eines Daumennagels an einem Ende. Sie stieß sich von der Wand ab und schwebte zu dem kleinen Lautsprecher hinüber. Aber ihr Schwung war zu groß. Bevor sie sich mit den Händen abstützen konnte, prallte sie mit dem Kopf gegen die Wand.
Sie federte zurück. Tränen des Zorns quollen aus ihren Augen.
Sie fühlte sich wie in einer Gefängniszelle. Ihr Gehirn war blok-kiert. Sie zwang sich zur Konzentration. Ihr war nur so unheimlich zumute, weil sie hier völlig fremd war, sagte sie sich. Sie preßte eine Hand gegen die Wand, griff mit der anderen nach dem Sprechhebel und legte ihn um.
»Brücke«, sagte sie.
Eine erstaunte Stythenstimme fragte: »Wer spricht da?«
»Sagen Sie Saba, daß ich einen zweiten Sender entdeckt habe.«
Sie legte den Hebel wieder um.
Ohne die gewohnte Schwerkraft wurde das Umziehen zum Lei-stungssport. Ihre Arme schienen plötzlich zu kurz. Während sie die Bluse in die Hose stopfte und die Reißverschlüsse zuzog, schwebte sie hilflos wie eine Puppe im Raum umher, und jede Bewegung drückte sie in eine andere Richtung. Sie hörte hinter sich das Klicken des Lukendeckels. Als sie den Kopf wandte, drehte sich ihr Körper in die entgegengesetzte Richtung. Saba glitt mit den Füßen voran durch die Luke, drehte sich wie ein Akrobat mitten im Raum und glitt auf sie zu. Sie deutete stumm auf einen Griff, an dem sie die Drähte befestigt hatte. Er löste einen und sah ihn prüfend an. Kurz darauf kam Tanoujin durch die Luke. Er tat, als ob er Paula überhaupt nicht bemerkte und näherte sich dem Akellar.
»Sieh dir das an«, sagte Saba und hielt ihm den Draht vor das Gesicht. »Das scheint eine Art Recorder zu sein.«
»Wir müssen ihn sofort von Bord des Schiffes schaffen.«
»Wir müssen das Schiff sofort von hier fortschaffen«, entgeg-nete Saba.
Tanoujin wickelte den Draht um beide Hände und versuchte, ihn zu zerreißen. »Glaubst du, daß dieses Ding zu den drei Hammerhaien sendet?« Er riß mit aller Kraft. Der Plastikdraht summte wie eine zu straff gespannte Saite.
»Sie hat gesagt...« Er blickte zu Paula auf, die über den Köpfen der beiden Stythen schwebte. »Du sagtest, es sei ein Transmitter daran gewesen.«
»Hier.« Sie deutete auf den Draht mit dem kleinen Würfel am
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