Wandernde Welten
Vorderpfoten.
»Was ist das?« fragte Paula noch einmal.
»Ein Kusin.« Seine Stimme klang immer noch verärgert. »Es ist völlig harmlos, nur nicht für Mäuse, Ratten und Schlangen.«
»Es war in dem Raum, in dem ich schlief«, sagte sie.
»Es wird nicht wiederkommen, nun, da jemand in dem Haus wohnt. Sie fürchten sich vor Menschen.«
Er legte ihr die Hand auf die Schulter und öffnete die Haustür.
»Geh hinein. Ich habe etwas zu erledigen. Boltiko weiß, wer du bist.« Er wandte sich um und überquerte den Hof in die andere Richtung, auf das größte Gebäude des Komplexes zu. Sie blieb stehen und blickte zu dem Haus zurück, das sie eben verlassen hatten. Es sah aus wie eine weiße Schachtel. Am liebsten wäre sie wieder zurückgegangen. Aber irgendwann mußte sie Sabas Frauen ja kennenlernen. Sie trat in Boltikos Haus.
Seine erste Frau war um viele Jahre älter als er. Ihre Figur bestand nur noch aus Fettrollen. Ihr Hals war von zahlreichen tiefen Falten durchzogen. Paula saß unsicher auf einem Stuhl in der Küche.
Kinder stürzen schreiend herein und hinaus, und die Frau schnitt Brot und beschäftigte sich mit den Kochtöpfen, die auf dem Herd standen. »Habt ihr auf der Erde geheiratet?« fragte sie.
»Wir haben gar nicht geheiratet.«
»Ach.« Boltiko wandte sich um und schlug einem vorbeihuschenden Kind kräftig auf den Hintern. »Habe ich dir nicht gesagt, ihr solltet im Haus nicht rennen?« Sie gab dem Kind noch einen Klaps. Der kleine Junge rannte schreiend hinaus. Paula erkannte nur am kahlrasierten Kopf, daß es ein Junge war. Mädchen trugen ihr Haar zu Zöpfen geflochten. Boltiko musterte Paula verstohlen, während sie in einem Topf rührte.
»Werdet ihr heiraten?«
»Nein.«
»Oh.«
Eine andere Frau trat herein. Diese war sehr jung, schlank und auffallend hübsch, attraktiv wie ein Fotomodell. Die Ärmel ihres Kleides bestanden aus Silberspitzen.
»Uly«, sagte Boltiko, »das ist Paula.«
»Hallo«, sagte Paula.
Uly blickte sie ablehnend an, und erst nach einer Weile bequemte sie sich dazu, Paulas Gruß mit einem kurzen >Hallo< zu erwidern. Ihre Stimme hatte die gleiche musikalische Qualität wie die Tanoujins. Sie setzte sich am anderen Ende des Küchentisches auf einen Stuhl.
»Wo ist er?« fragte sie Boltiko.
»Er ist mit Dakkar fortgegangen. In die Stadt.«
»Was hat er dir mitgebracht?«
»Eine Uhr, wie immer.«
»Mir hat er Hauttönung geschenkt. Goldfarben. Wie findest du das?« Uly blickte wieder Paula an. Ihr Haar war auf dem Kopf zu einer Art Krone zusammengebunden. Sie war die schönste Frau, die Paula jemals in ihrem Leben gesehen hatte. »Wo habt ihr euch kennengelernt?«
»Auf dem Mars«, sagte Paula.
»Mars«, wiederholte Uly erstaunt.
»Mars«, sagte Boltiko in einem Tonfall, als ob der ganze Planet ein anrüchiger Ort wäre.
»Ich dachte, du seist von der Erde«, sagte Uly.
»Bin ich auch. Aber wir haben uns auf dem Mars getroffen.«
Sie blickte von einem schwarzen Gesicht zum anderen. »In einem sehr bekannten Sex-Club.«
Uly lächelte. Boltiko sagte: »Ich weiß nicht, was für Manieren ihr auf der Erde habt, aber in meinem Haus benutzt man solche Worte nicht in Gegenwart von Kindern.« Sie goß eine Flüssigkeit in den brodelnden Topf.
»Ich verstehe nicht«, sagte Uly. »Was wolltest du dort? Warst du allein?«
»Ja. Ich hatte mit ihm zu sprechen. Politik.«
»Oh.« Boltiko fuhr mit einem Lappen über die saubere Tischplatte. »Bist du so zu dem Kind gekommen? Bei Gesprächen über Politik?«
»Gespräche und Politik haben nur den Ort bestimmt. Das Wie war wie sonst auch.«
Zu ihrer Überraschung brach Boltiko in amüsiertes Lachen aus.
Die Küchentür wurde aufgestoßen, und Saba trat herein, gefolgt von seinen beiden Söhnen Dakkar und Ketac. Paula blickte überrascht von Ketac zu Boltiko. Unter all den Fettmassen war deutlich die Ähnlichkeit von Mutter und Sohn zu erkennen. Uly legte mit einer eleganten Bewegung die linke Hand vor Mund und Nase, um vor den jungen Männern nicht mit unverdecktem Gesicht zu erscheinen.
Saba wandte sich an Boltiko. »Beeile dich mit dem Essen. Ich bin halb tot vor Hunger. Wir essen im Männerhaus.« Gefolgt von seinen beiden Söhnen verließ er die Küche wieder, ohne die beiden anderen Frauen auch nur anzusehen. Uly ließ ihre Hand wieder sinken.
»Ich werde euch die Uhr zeigen, die er mir mitgebracht hat«, sagte Boltiko.
Sie gingen einen langen Korridor entlang, vorbei an mehreren Zimmern mit
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