Wandernde Welten
Kindern und Kindersachen, und betraten einen großen halbdunklen Raum. Er war so vollgestellt, daß er wie ein Möbellager aussah. Die Decke war mit seltsamen abstrakten Mustern bemalt. Alle Stühle und Lampen waren mit durchsichtigen Plastikfolien bedeckt. Die drei Frauen mußten sich einen Weg durch das Möbeldickicht bahnen und erreichten eine Vitrine, die in der hintersten Ecke des Raums stand. Auf den Fachbrettern der Vitrine sah Paula Uhren der verschiedensten Machart und Herkunft, unter ihnen die Sanduhr, die Saba auf der Erde gekauft hatte.
»Oh«, sagte Uly überrascht. »Ein richtiges Kunstwerk.«
»Diese Vitrine ist so hübsch«, sagte Boltiko zu Paula, »und ich hatte nichts, um es hineinzustellen. Deshalb habe ich Saba gebeten, mir immer eine Kleinigkeit von seinen Reisen mitzubringen.«
Paula griff nach einer Uhr in einem Gehäuse, das aus einer riesigen Muschel gefertigt worden war. Sie fand den Druckknopf, und das Gehäuse sprang auf. Boltiko sagte überrascht: »Da ist ja etwas drin!«
Paula zeigte ihr die aufgeklappte Muscheluhr. In einer Schalenhälfte befand sich das Foto eines weißhäutigen Kindes mit dünnen, blonden Locken. In der anderen Hälfte, auf dem Ziffer-blatt der Uhr, stand der verschnörkelte Buchstabe T.
»Sieh nur, Uly«, sagte Boltiko.
Die andere Frau warf einen Blick auf das Kinderbild. »Was für eine häßliche Göre«, sagte sie angewidert.
Paula trat einen Schritt von den beiden anderen Frauen zurück.
Sie hatte den Eindruck, daß Boltiko überhaupt nicht wußte, was Saba auf seinen Reisen tat. Langsam ging sie im Raum umher und betrachtete die schweren Möbel unter ihren schützenden Plastikdecken.
Von der anderen Seite des Raums hörte sie Uly sagen: »Sie ist eine Sklavin. Er ist nicht mit ihr verheiratet.«
Paula hob den Kopf. Die schweren Möbelstücke verbargen sie vor den anderen Frauen.
»Nein, er hat sie nicht geheiratet«, sagte Boltiko, »aber wir sollen sie trotzdem wie seine Frau behandeln.«
»Sie ist häßlich. Eines Tages wird er sie nicht mehr sehen können und sie verkaufen.«
»Schschsch... Sie könnte dich hören.«
Paula stand hinter der Lehne eines riesigen Sessels.
»Sie ist fort«, sagte Uly.
»Wenn du mich fragst«, sagte Boltiko, »so ist er ihrer schon jetzt überdrüssig. Er fühlt sich nur verantwortlich, weil er sie geschwängert hat.« Paula hörte das Rascheln von Röcken, als die beiden Frauen zur Tür gingen. »Und das ist ein Grund mehr, nett zu ihr zu sein.«
»Wenigstens hat er sie nicht geheiratet.«
Sie verließen den Raum, und Paula wartete über eine Minute lang, bevor sie ihnen folgte. Das Baby, das sie in sich trug, machte ihren Körper schwerfällig. Ihr Rücken tat ihr weh. Langsam ging sie zur Küche zurück.
Boltiko stellte mehrere zugedeckte Platten und Schüsseln auf ein Tablett. Uly saß auf einem der Stühle und musterte kritisch ihre schönen, schlanken Hände. Paula senkte den Blick. In diesem Augenblick haßte sie beide. Sie mußte sich fast auf die Zehen stellen, um sich auf einen Stuhl setzen zu können.
»Pedasen!« rief Boltiko aus der hinteren Küchentür.
Ein braunhäutiger Mann kam über den Hof getrabt. Er trug eine lose, gesteppte Jacke. Eine Sekunde lang starrten er und Paula einander an. Er war ein Mensch ihrer Rasse. Er hatte die gleiche dunkelbraune Hauttönung wie Tony, und auch die hellen Augen Tonys. Boltiko deutete auf das Tablett.
»Bring das zum Akellar. Und sieh zu, daß ich das Geschirr bald wieder zurückbekomme.«
»Jawohl, Mem.« Seine Stimme war weich wie Samt. Erblickte Paula nicht an, als er das Tablett aufnahm und hinaustrug.
»Pedasen wird dir helfen, dein Haus einzurichten«, sagte Boltiko.
»Ich will...« Paula fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Ich brauch keinen Mann, der mir hilft.«
Uly kicherte. »Er ist ja auch kein Mann.«
Paula fühlte, wie ihre Nervenenden zu kribbeln begannen. Sie saß stocksteif auf dem Stuhl, der viel zu groß für sie war und der sie nicht nah genug an den Tisch herankommen ließ. Deshalb also klang Pedasens Stimme so weich. Er war kastriert worden. Die beiden Frauen sprachen von Dingen, die sie nicht verstand, mit Worten, die sie nicht kannte. Sie schloß die Augen.
Als sich ihr Körper so weit an die größere Schwerkraft des Uranus gewöhnt hatte, daß sie sich auf den Beinen einigermaßen sicher fühlte, sagte sie Saba, daß sie ausgehen und sich die Stadt ansehen wolle. Er verweigerte es ihr. Sie saßen auf der
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