Wanderungen durch die Mark Brandenburg
da, die denn auch sein Leben um Züge befragten, die mehr in die Augen sprangen. Da hörten sie von Türkenzügen, vom Niederschießen des Marienkirchturms, von Kettenkugeln, von seinen sonstigen Wundern als Artilleriegeneral, und der Zauberer war fertig. Er hat nun Fausts Mantel und fährt, wie Derfflinger, über die Kirchtürme hin, an denen der eine die Peitsche des Kutschers, der andere die Teerbutte seines Wagens hängen läßt. Was den Stein mit den Krampen und Ketten und den vier Sklaven angeht, so ist es ersichtlich, daß das Reiterbild des Großen Kurfürsten, mit den vier Gefesselten am Sockel desselben, zu dieser wie zu ähnlichen Sagen Veranlassung gegeben hat.
73 Es verlohnt sich, dies eigens hervorzuheben, denn unter den mannigfachen kleinen Strapazen, womit das Hinaufsteigen in alte Türme und das Hinabsteigen in alte Grüfte verbunden ist, steht das Glockeninschrift-Lesen obenan. Ohne »Licht und Leiter« geht es eigentlich kaum, aber beide sind nie zur Hand und so fällt einem das Los zu, sich zu helfen, so gut es geht. Das erste ist, daß alle Schallöcher geöffnet werden, die nun natürlich einen Zug herstellen, als sollte Wäsche getrocknet werden, während es dem vom Treppensteigen Erhitzten wie der Tod über den Rücken läuft. Nun sind die Schallöcher auf und das Licht dringt ein, aber entweder die Distanz oder die gotischen Buchstaben oder gar der Schwalbenguano spotten noch immer der Entzifferungskunst des unten Stehenden, der sich nun genötigt sieht, die Reste seiner Turnerschaft hervorzusuchen. Erst ein Griff nach dem Querbalken, dann ein Schwung in das Kreuzgebälk hinein, – so, halb hängend, halb stehend, beginnt die Lektüre. Ist nun ein gefälliger Küster, dem sich Wort für Wort diktieren läßt, mit in den Turm hinaufgestiegen, so kann das Schlimmste der Expedition als überstanden angesehen werden, hat er aber, aus diesem oder jenem Grunde, seine kleine Tochter mit hinaufgeschickt, so bleibt einem schließlich nichts anderes übrig, als sich, wie der Glöckner von Notre-Dame, seitwärts auf die Glocke zu werfen und, die »große Marie« fest umarmend, auf dem erzenen Nacken derselben die Inschrift abzuschreiben.
74 An der Mittelbiegung desselben und zwar dort, wo jetzt malerisch zwischen Wald und See das Dörfchen Altenhof gelegen ist, erhob sich noch ein zweites Werbellin-Schloß: Schloß Breden. Unter dem dortigen Forsthause befinden sich gewölbte Keller, die man vor etwa hundert Jahren entdeckte, als der Grund zur Aufführung einer neuen Försterei gelegt werden sollte. Man fand aber nicht bloß alte Gewölbe, sondern auch kupferne und eiserne Gerätschaften, die bis diesen Tag in der Försterfamilie (seit über hundert Jahren immer dieselbe) aufbewahrt werden. Die dörfliche Tradition spricht sogar von einem Fasse mit Wein, dessen Dauben bei der Berührung in Staub zerfielen, während der Wein, in der topasfarbenen Weinsteinkruste, die sich gebildet hatte, wie in einer Kristallbowle unverschüttet stehenblieb.
75 Schloß Grimnitz, in unmittelbarer Nähe des »Werbellin« am Grimnitzsee gelegen, war ebenso der bevorzugte Aufenthalt Ottos IV., des sogenannten Markgrafen mit dem Pfeil, wie Schloß Breden und Schloß Werbellin die bevorzugten Plätze Markgraf Waldemars waren. »Hier war es auch wohl«, so schreibt F. Brunold, »wo Markgraf Otto mit seiner kühnen Gemahlin Heilwig von Holstein am Schachbrett saß, von Spielleuten umgeben, ganz so wie es uns ein Bild in der Manessischen Sammlung der Minnesänger noch heute zeigt.« 1529 ward auf Schloß Grimnitz ein Friede zwischen der Mark und Pommern geschlossen, der ausdrücklich der Friede zu Grimnitz heißt, und 1549 brach hier Kurfürstin Hedwig, die Gemahlin Joachims II. (nicht die »schöne Gießerin« wie andere erzählen) durch den morsch gewordenen Fußboden des ersten Stockes und nahm, auf die Hirschgeweihe der darunter befindlichen Halle niederstürzend, so schweren Schaden, daß sie von der Zeit ab an Krücken gehen mußte.
76 Eine gleich große Zahl befindet sich nur noch in dem berühmten Tiergarten (»Dyrehave«) von Kopenhagen. Als König Friedrich Wilhelm IV. 1844 in Kopenhagen war, besuchte er auch den Tiergarten, Treiber und Jagdbediente bildeten Spalier und vor dem im Portal der »Eremitage« stehenden Könige wurden gegen dreitausend Hirsche vorbeigetrieben. Die klugen Tiere verrieten keine Spur von Scheu. Die Leute in der Eremitage erzählen von dieser »Revue« bis diesen
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