Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
welches mir wohl große Mühe machte, aber doch endlich gelungen, und führte sie zurück bis an den gedachten Champ, wo sie auch sogleich, weil sich die Bataille indes geendet, dem Feinde nachging und ihn verfolgte. Die Kavallerie, so ich gesammelt und die sogleich auf meine Vorstellung wieder zu agieren anfing, ist über zwanzig Eskadrons gewesen. Gott sei mir gelobet, der mir Davids Mut und Sinn gegeben.«
Soweit die Darstellung Seegebarts selbst. Der Vorgang machte Aufsehen bei Freund und Feind und wurde, ausgeschmückt und oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt, in Zeitungen und fliegenden Blättern erzählt. Jordan schrieb, schon zehn Tage nach der Schlacht, von Berlin aus an den König: »Hier möchte alle Welt wissen, wer der Unbekannte gewesen sei, der sich mit soviel Bravour an die Spitze einiger Eskadrons setzte und durch rasches Eingreifen zum Siege mitwirkte. Es heißt, Ew. Majestät hätten nach seinem Namen gefragt, der Angeredete habe sich aber geweigert, sein Inkognito aufzugeben.« Der große König, der damals noch mehr jung als groß war und Anstand nehmen mochte, einem einfachen Feldprediger einen wesentlichen Anteil am Siege zuzusprechen, fand es angemessen, in seinem Antwortschreiben die ganze Angelegenheit als eine Fabel zu bezeichnen, und wir würden uns vielleicht in der Lage befinden, den ganzen poetisch und psychologisch interessanten Vorgang in Wirklichkeit als eine Fabel ansehen zu müssen, wenn wir nicht das Seegebartsche Tagebuch und jenen Brief (an Professor Michaelis in Halle) besäßen, aus dem wir schon die obige Schlachtszene zitiert haben. Das Tagebuch weist in seinem Tone und seiner Schreibweise für jeden, der sich auf den Klang von Wahrheit und Unwahrheit versteht, unwiderleglich nach, daß Pastor Seegebart eine ebenso demütige wie hochherzige Natur war, ein Mann, in dessen Herzen keine Lüge bestehen konnte. So glauben wir denn ihm und keinem andern, wenn er am 24. Mai in aller Bescheidenheit, aber auch in nicht mißzuverstehender Klarheit schreibt:
»Die Sache ist beim König, der Generalität, ja der ganzen Armee bekannt geworden, und man redete in den ersten Tagen selten von dem Siege, den uns Gott gegeben, ohne daß man meiner gedacht hätte. Wenn ich ein Narr wäre, so hätte ich die beste Gelegenheit, mich aufzublasen, gehabt. Der König hat mir durch unsern Prinzen (Erbprinz Leopold von Anhalt-Dessau) ein sehr gnädiges Kompliment machen und mich versichern lassen, ›ich sollte die beste Pfarrstelle in allen seinen Landen haben‹, wozu der Prinz hinzusetzt: ›Wenn das nicht geschähe, so wollte er mir die beste in seinem eigenen Fürstentum geben, denn ich hätte in der Bataille nicht nur wie ein Prediger, sondern auch wie ein braver Mann getan.‹«
Prinz Leopold, der gewiß Wort gehalten hätte, wurde nicht beim Wort genommen; Seegebart erhielt eine Pfarre, freilich keine beste, kaum eine gute (die Etziner Pfarrstelle ist jetzt eine sehr gute, war es aber damals nicht), indessen doch immerhin eine Pfarre, und im August 1742, also kaum drei Monate nach der Schlacht, ward er in die Etziner Kirche eingeführt. Mit ungewöhnlicher Tätigkeit – so erzählte mir der achtzigjährige Pastor Duchstein, der, als er sein Etziner Pfarramt zu Anfang dieses Jahrhunderts antrat, noch Leute vorfand, die seinen kriegerischen Amtsvorgänger gekannt hatten – hat dieser hier als Seelsorger und Landwirt gewirkt. An Wochentagen hielt er im Pfarrhause Erbauungsstunden, sowohl für Kinder wie für Erwachsene, und nahm sich überhaupt seiner beiden Gemeinden: Etzin und das nahe gelegene Knoblauch, mit Eifer und Liebe an. Nebenbei aber führte er die weitläuftige Pfarrwirtschaft selbst, verbesserte mancherlei in derselben und nutzte sie durch seine Betriebsamkeit, wie die von ihm geführten Register beweisen, ungemein hoch. Den Pfarrgarten hatte er ganz verwildert übernommen; er pflanzte die besten Obstsorten an und hatte die Freude, schon im zweiten Jahre einige Früchte davon zu ernten. Sooft er ein so günstiges Ergebnis seines Fleißes in seinen noch vorhandenen Rechnungen zu vermerken hatte, versäumte er nicht, in einfachen Worten einen kurzen Dank an Gott auszusprechen. Über seine Kriegs- und Siegestat bei Chotusitz sprach er nur selten und nur gezwungen, teils weil er eine natürliche Scheu hatte, sich vorzudrängen, teils weil er zu der Ansicht gekommen sein mochte, »er habe bei Chotusitz für einen Geistlichen wirklich etwas zuviel getan«. Aber ebendeshalb, weil
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