Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
der
    wird solcher Bewegungen in der Regel leicht Herr
    werden, und meistens ohne große Opfer hüben und
    drüben; aber an diesem freien Blicke gebricht es in
    revolutionären Zeiten fast immer. Jeder ist ange-
    kränkelt, jeder erkennt der Auflehnung ein beschei-
    denes Maß von Berechtigung zu oder setzt auch wohl
    Mißtrauen in die Mittel und Wege, mit denen er in
    den Kampf eintreten soll. So wird die Entschlußkraft
    gebrochen. Das Schlimmste tuen dann schließlich
    noch die »Berater«. Unter diesen sind immer einige,
    die mit der Angst des eigenen Herzens die Herzen
    derer, bei denen die Entscheidung liegt, anzustecken
    wissen. Mitunter sind es auch Mitverschworene.
    So war es am 14. Juni. Geschwätz, Zureden und, als
    alles nicht ausreichte, direkte Lüge brachen, ohne
    daß ein Schuß gefallen wäre, den Widerstand der
    Zeughausverteidiger, und die jubelnde Menge trat
    ein. Aber nicht lange sollte sie sich dieses Sieges
    erfreuen. Das mittlerweile gesammelte 1. Bataillon
    Vierundzwanziger erhielt Befehl, das Zeughaus wie-
    derzunehmen, und vom Kupfergraben wie zugleich
    vom Kastanienwäldchen aus rückten alle vier Com-
    pagnien gegen dasselbe vor. Die Menge wich, und
    durch sie hindurch drangen jetzt die Hauptleute von
    Brause und von Stülpnagel in das Zeughaus ein,
    säuberten den Hof, nahmen in der obersten Etage
    dem Gesindel die bereits geraubten Waffen wieder
    ab und jagten dasselbe die Treppe hinunter oder zu
    den Fenstern hinaus. In Zeit von zwei Stunden war

    386
    alles beendet und die Ordnung der Dinge wiederher-
    gestellt.
    So der Juni 1848. Ernster, bedeutsamer waren die
    Maiereignisse des folgenden Jahres, insonderheit
    der Straßenkampf in Dresden.
    Hier stand man einer wirklichen revolutionären Macht gegenüber. Auf diese Kerntruppe der Revolution paß-
    te nicht mehr das, was ich vorstehend von bloßen
    Krawallern und Tunichtguten gesagt habe, hier befehdeten sich zwei Prinzipien, von denen jedes seine
    Truppen ins Feld stellte. Die Ereignisse von damals
    sind halb vergessen, sie sollten es nicht sein. Sie gaben uns einen Vorgeschmack von dem, was kommen wird.
    Am 3. Mai war der Aufstand in Dresden ausgebro-
    chen. An der Spitze standen Tzschirner, Todt, Heub-
    ner, Bakunin. Die Barrikaden (so wird erzählt) waren
    nach Anleitung Sempers errichtet, die revolutionäre
    Armee selbst aber bestand aus Turner-, Künstler-
    und Studentencorps, aus Teilen der Schützengilde,
    der Bürgerwehr, aus formierten Abteilungen militä-
    risch eingeübter Bergleute und aus Umsturzmännern
    von Fach, namentlich Polen. Es handelte sich also
    nicht um »Gesindel«, das bekämpft werden sollte,
    sondern, wie schon hervorgehoben, um eine Elite-
    truppe, die nach Intellekt, Wissen und bürgerlicher
    Stellung erheblich höher stand als die uckermärki-
    schen Füsiliere, die hier unsrerseits in den Kampf

    387
    eintraten. Je bestimmter ich auf seiten dieser
    letztren stehe, desto freier auch darf ich es ausspre-
    chen, daß nichts falscher und ungerechter ist, als auf
    die Scharen des Maiaufstandes verächtlich herabzu-
    blicken. Die Schuld lag bei den Führern . Und auch hier ist noch zu sichten. Neben Ehrgeizigen und Bös-willigen standen aufrichtig begeisterte Leute. Eine
    Republik herstellen wollen ist nicht notwendig eine
    Dummheit, am wenigsten eine Gemeinheit.
    Das sächsische Militär war nicht stark genug, den
    Aufstand zu unterdrücken. Am 5. oder 6. Mai gingen
    deshalb von Berlin aus das 1. und das Füsilierbatail-
    lon vom Alexander-Regiment nach Dresden ab, um
    die sächsischen Truppen in ihrem Kampfe zu unter-
    stützen. In der Nacht vom 7. zum 8. folgte unser
    vierundzwanziger Füsilierbataillon. Am 8. früh traf es
    in Neustadt-Dresden ein und rückte um ein Uhr mit-
    tags zur Ablösung der verschiedenen Détachements
    des Alexander-Regiments über die Elbbrücke. Die
    halbe Altstadt war um diese Zeit bereits zurückero-
    bert, aber in der im Besitz der Insurgenten verblie-
    benen Hälfte steigerte sich der Widerstand, beson-
    ders am Altmarkt und in dem zwischen der Wilsdruf-
    fer-, Scheffel- und Schloßgasse gelegenen Häuser-
    carré.
    Unsere Füsiliere begannen den Kampf sofort, aber
    der Hauptangriff wurde doch bis zum 9. morgens
    verschoben.
    Die 9. Compagnie (rechter Flügel) ging in der Frühe
    genannten Tages mit allen drei Zügen vor. Haupt-

    388
    mann von Malotki nahm das Postgebäude, Lieute-
    nant von Glasenapp das Engelsche Haus, Lieutenant
    von Horn eine starke Barrikade an der

Weitere Kostenlose Bücher