Wanderungen durch die Mark Brandenburg
der
wird solcher Bewegungen in der Regel leicht Herr
werden, und meistens ohne große Opfer hüben und
drüben; aber an diesem freien Blicke gebricht es in
revolutionären Zeiten fast immer. Jeder ist ange-
kränkelt, jeder erkennt der Auflehnung ein beschei-
denes Maß von Berechtigung zu oder setzt auch wohl
Mißtrauen in die Mittel und Wege, mit denen er in
den Kampf eintreten soll. So wird die Entschlußkraft
gebrochen. Das Schlimmste tuen dann schließlich
noch die »Berater«. Unter diesen sind immer einige,
die mit der Angst des eigenen Herzens die Herzen
derer, bei denen die Entscheidung liegt, anzustecken
wissen. Mitunter sind es auch Mitverschworene.
So war es am 14. Juni. Geschwätz, Zureden und, als
alles nicht ausreichte, direkte Lüge brachen, ohne
daß ein Schuß gefallen wäre, den Widerstand der
Zeughausverteidiger, und die jubelnde Menge trat
ein. Aber nicht lange sollte sie sich dieses Sieges
erfreuen. Das mittlerweile gesammelte 1. Bataillon
Vierundzwanziger erhielt Befehl, das Zeughaus wie-
derzunehmen, und vom Kupfergraben wie zugleich
vom Kastanienwäldchen aus rückten alle vier Com-
pagnien gegen dasselbe vor. Die Menge wich, und
durch sie hindurch drangen jetzt die Hauptleute von
Brause und von Stülpnagel in das Zeughaus ein,
säuberten den Hof, nahmen in der obersten Etage
dem Gesindel die bereits geraubten Waffen wieder
ab und jagten dasselbe die Treppe hinunter oder zu
den Fenstern hinaus. In Zeit von zwei Stunden war
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alles beendet und die Ordnung der Dinge wiederher-
gestellt.
So der Juni 1848. Ernster, bedeutsamer waren die
Maiereignisse des folgenden Jahres, insonderheit
der Straßenkampf in Dresden.
Hier stand man einer wirklichen revolutionären Macht gegenüber. Auf diese Kerntruppe der Revolution paß-
te nicht mehr das, was ich vorstehend von bloßen
Krawallern und Tunichtguten gesagt habe, hier befehdeten sich zwei Prinzipien, von denen jedes seine
Truppen ins Feld stellte. Die Ereignisse von damals
sind halb vergessen, sie sollten es nicht sein. Sie gaben uns einen Vorgeschmack von dem, was kommen wird.
Am 3. Mai war der Aufstand in Dresden ausgebro-
chen. An der Spitze standen Tzschirner, Todt, Heub-
ner, Bakunin. Die Barrikaden (so wird erzählt) waren
nach Anleitung Sempers errichtet, die revolutionäre
Armee selbst aber bestand aus Turner-, Künstler-
und Studentencorps, aus Teilen der Schützengilde,
der Bürgerwehr, aus formierten Abteilungen militä-
risch eingeübter Bergleute und aus Umsturzmännern
von Fach, namentlich Polen. Es handelte sich also
nicht um »Gesindel«, das bekämpft werden sollte,
sondern, wie schon hervorgehoben, um eine Elite-
truppe, die nach Intellekt, Wissen und bürgerlicher
Stellung erheblich höher stand als die uckermärki-
schen Füsiliere, die hier unsrerseits in den Kampf
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eintraten. Je bestimmter ich auf seiten dieser
letztren stehe, desto freier auch darf ich es ausspre-
chen, daß nichts falscher und ungerechter ist, als auf
die Scharen des Maiaufstandes verächtlich herabzu-
blicken. Die Schuld lag bei den Führern . Und auch hier ist noch zu sichten. Neben Ehrgeizigen und Bös-willigen standen aufrichtig begeisterte Leute. Eine
Republik herstellen wollen ist nicht notwendig eine
Dummheit, am wenigsten eine Gemeinheit.
Das sächsische Militär war nicht stark genug, den
Aufstand zu unterdrücken. Am 5. oder 6. Mai gingen
deshalb von Berlin aus das 1. und das Füsilierbatail-
lon vom Alexander-Regiment nach Dresden ab, um
die sächsischen Truppen in ihrem Kampfe zu unter-
stützen. In der Nacht vom 7. zum 8. folgte unser
vierundzwanziger Füsilierbataillon. Am 8. früh traf es
in Neustadt-Dresden ein und rückte um ein Uhr mit-
tags zur Ablösung der verschiedenen Détachements
des Alexander-Regiments über die Elbbrücke. Die
halbe Altstadt war um diese Zeit bereits zurückero-
bert, aber in der im Besitz der Insurgenten verblie-
benen Hälfte steigerte sich der Widerstand, beson-
ders am Altmarkt und in dem zwischen der Wilsdruf-
fer-, Scheffel- und Schloßgasse gelegenen Häuser-
carré.
Unsere Füsiliere begannen den Kampf sofort, aber
der Hauptangriff wurde doch bis zum 9. morgens
verschoben.
Die 9. Compagnie (rechter Flügel) ging in der Frühe
genannten Tages mit allen drei Zügen vor. Haupt-
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mann von Malotki nahm das Postgebäude, Lieute-
nant von Glasenapp das Engelsche Haus, Lieutenant
von Horn eine starke Barrikade an der
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