Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Gang der Schlacht überhaupt.
Unser Regiment stand am diesseitigen rechten Hügel
(Zietensches Corps) teils bei St-Amand, teils tausend
Schritt weiter nördlich bei dem Dorfe St-Amand-la-
Haye. Hier nahm es an den erbitterten Kämpfen die-
ses Nachmittags teil. Wir geben nun einige Details.
Um eineinhalb Uhr durchschritt der greise Feldmar-
schall das Bivouac der 1. Brigade: 12. und
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24. Infanterieregiment, und ermunterte die Soldaten
mit ein paar kräftigen Worten: »Seht, dort bei Fleu-
rus, da zieht sich's zusammen. Nun gilt es, Kinder.«
Um dieselbe Stunde erhielt unser Füsilierbataillon,
Major von Blücher, Ordre, in St-Amand einzurücken.
Bis dahin hatte das Bataillon in einem Garten in
Front des Dorfes gelegen. In Gemäßheit dieser Ordre war man eben damit beschäftigt, die südwestliche
Lisière von St-Amand mit Tirailleurs zu besetzen, als
der Gegenbefehl eintraf, statt in das Dorf, in die Reserve zu rücken. Das Bataillon verließ St-Amand und marschierte bis St-Amand-la-Haye, wo es östlich
neben dem Dorfe Stellung nahm. Hier befand sich
ein Backofen, von dessen Höhe aus, über St-Amand
hinweg nach Fleurus zu, unsere Offiziere die Einlei-
tungen zum Gefecht, wie sie auf französischer Seite
stattfanden, deutlich verfolgen konnten.
Inzwischen sahen unsere auf einem Höhenzuge un-
mittelbar nördlich von St-Amand stehenden Muske-
tier bataillone ebenfalls über dies Dorf hinweg und nahmen gleicherweise das Vorrücken der Vandam-meschen Kolonnen wahr, die sich von Fleurus aus
gegen St-Amand dirigierten. Dieses war nach Abzug
unseres Füsilierbataillons durch das 29. Regiment
besetzt worden. Vandamme griff mit Übermacht an,
bemächtigte sich des Dorfes und warf die Neunund-
zwanziger hinaus. Als er indessen von der nordöstli-
chen Lisière her in Kolonnen debouchieren wollte,
ging ihm unsere 1. Brigade, rechts das 12., links das
24. Regiment, entgegen und drang mit einer glückli-
chen Attacke in das Dorf ein. Kaum war dieser Erfolg
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errungen, als frische feindliche Streitkräfte St-Amand
wieder zu nehmen trachteten. Dies versagte jedoch.
Unsere Musketiere gewannen sogar Terrain, nach-
dem sie dem Feinde, der sich mit der größten Erbit-
terung schlug, Gehöft nach Gehöft und Hecke nach
Hecke hatten abringen müssen.
Aber der Feind führte jetzt abermals neue Bataillone
gegen St-Amand vor. Unser Regiment mußte die
südwestliche Lisière wieder aufgeben, da es an Pat-
ronen zu mangeln begann, und das Gefecht im Dorfe
selbst erneuerte sich nunmehr. Endlich traf unsererseits die 2. Brigade Pirch zur Ablösung ein. Schwierig
war es, die in lauter Trupps zerstreuten Mannschaf-
ten aus dem wütenden Kampfe herauszuziehen. End-
lich gelang es. Laurens bestimmte als Sammelplatz
einen tief gelegenen Punkt zwischen Ligny und St-
Amand-la-Haye. Leider sicherte diese Vertiefung
nicht ausreichend gegen das Einschlagen von Ge-
schossen, und beide Musketierbataillone erlitten hier
noch erhebliche Verluste. Dem Lieutenant von Wulf-
fen riß eine Granate den Kopf weg, eine andere ra-
sierte fünf Mann vom rechten Flügel der
5. Compagnie, eine dritte traf Laurens' Pferd und
schleuderte diesen aus dem Sattel.
Was nun noch folgte, war, soweit unser Regiment in
Betracht kommt, ein Hin- und Hermarschieren. Es
ging nach Sombreffe und wieder zurück.
Auf diesem Rückmarsch indes war es unsern Vier-
undzwanzigern noch beschieden, an dem in gewis-
sem Sinne wichtigsten Moment des Tages teilzuneh-
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men. Blücher selbst, um Ligny wiederzugewinnen,
führte zum Schluß des Tages, wie schon erwähnt, ein
paar Kavallerieattacken aus. Aber sie mißglückten,
Blücher stürzte und lag unterm Pferde. Die französi-
schen Reiterungewitter donnerten über das Feld hin.
In diesem Augenblicke trafen wie durch glücklichen
Zufall unsere Musketierbataillone an dem Wasserlauf
ein, der hart an Mont Potriaux vorüberfließt. Laurens
ließ Carré schließen und kommandierte: »Zweites
Glied, Feuer!« Dies wechselte darauf mit dem dritten
Glied die Gewehre, und eine zweite Salve folgte. Bei-
de hatten ihre Wirkung, die Reitermasse stob seit-
wärts und wurde von dem Punkt abgedrängt, wo
Blücher unterm Pferde lag. Vielleicht wandten diese
Salven eine Gefangennahme ab, die, nach allgemei-
ner Annahme, verhängnisvoll gewesen wäre.
Der Rückzug – Gneisenaus unsterbliches Verdienst –
ging auf Wavre, das heißt den Engländern entgegen.
Der
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