Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Beziehungen zum Rheinsberger Hofe wie zum
Prinzen Louis und kaum minder wohl die Huldigun-
gen, die ihr, später noch, am französischen Hofe zu-
teil geworden waren, gaben ihr vor der Welt ein An-
sehen, und Friedrich Wilhelm IV. kam nie nach Rup-
pin oder Rheinsberg, ohne der Marquise auf Köper-
nitz seinen Besuch zu machen. Es traf sich, daß sie,
bei einem dieser Besuche, ganz wie zu Zeiten der
Remus-Insel-Diners, durch ihre Kochkunst glänzen
und den König durch eine Trüffel- oder Zervelatwurst
überraschen konnte. Friedrich Wilhelm IV. erbat sich
denn auch etwas davon für seine Potsdamer Küche
(natürlich nicht vergeblich), und zum Weihnachts-
abend erschien das königliche Gegengeschenk: ein
Kollier, aus goldenen Würstchen bestehend, die
Speilerchen von Perlen, und begleitet von einem
verbindlichen Schreiben mit dem Motto: »Wurst wi-
der Wurst«. Geschenk und Gegengeschenk wieder-
holten sich mehrere Male, so daß sich zu dem Kollier
ein Armband und zu dem Armband ein Ohrgehänge
gesellte; zuletzt erschien eine Tabatière in Form ei-
ner kurzen, gedrungenen Blut- und Zungenwurst,
äußerst wertvoll, oben und unten mit Rubinen be-
setzt. Die Freude war groß, aber es war die letzte
dieser Art. Aus den Zeitungen ersah die Marquise
bald darauf, daß einer der Hofschlächtermeister zu
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Potsdam, als Gegengeschenk für eine große Fest-
oder Jubiläumswurst (und sogar unter Beifügung
desselben Mottos: »Wurst wider Wurst«), in gleicher
Weise durch eine Tabatière beglückt worden war,
und die Sendungen in die königliche Küche hörten
von diesem Augenblick an auf.
Ihre letzten Lebensjahre brachten ihr noch einen
andern interessanten Besuch. Ein Neffe des verstor-
benen Marquis hatte diesen beerbt und nicht zufrie-
den mit den ihm zugefallenen französischen Gütern, machte derselbe bei dem betreffenden Pariser Gerichtshof auch noch ein Verfahren anhängig, um sich
des ehemalig Prinz Heinrichschen Köpernitz', des
Gutes seiner alten Tante, zu versichern. Anfänglich
erklärten selbst die französischen Gerichte ihr
»Nein«, in der zweiten und dritten Instanz aber wur-
de das »Nein« in ein »Ja« verwandelt, einfach in Be-
rücksichtigung der Tatsache, daß der Neffe des alten
legitimistischen Marquis inzwischen ein besonderer
Günstling Napoleons III. geworden war. Und wirk-
lich, der Günstling schickte Bevollmächtigte, die Kö-
pernitz für ihn in Besitz nehmen sollten, und als sich
dies, aller Vollmachten unerachtet, nicht tun lassen
wollte, kam er endlich selbst. Er nahm in Rheinsberg
allerbescheidentlichst einen Einspänner, umkreiste
das ganze Gut, dessen Ansehn und Ausdehnung ihm
wohlgefiel, und fuhr dann schließlich vor dem Wohn-
hause der alten Tante vor. Diese empfing ihn aufs
artigste, mit dem ganzen Aufwande jenes Zeremo-
niells, worin sie Meister war, als er aber schließlich
den eigentlichen Zweck seines Kommens berührte,
lachte sie ihn so herzlich aus, daß er sich, nicht ohne 493
Verlegenheit, von der alten »ma tante« verabschie-
dete. Wurd auch nicht wieder gesehen. Dieser Neffe
aber, der im Einspänner von Rheinsberg nach Köper-
nitz gefahren war, war niemand anders als der frü-
here Befehlshaber der französischen Armee in Rom –
General Goyon.
Die Marquise, und damit schließen wir, war eine stol-
ze, selbstbewußte Frau. Sie repräsentierte die Vor-
nehmheit einer nun zu Grabe getragenen Zeit, eine
Vornehmheit, die von der Gesinnung unter Umstän-
den abstrahieren und ihr Wesen in eine meisterhafte
Behandlung der Formen setzen konnte. Diese For-
men waren bei der Marquise von der gewinnendsten
Art, und ihr Auftreten entsprach dem Urteile, das ich
einst über sie fällen hörte: »frei, taktvoll und originell zugleich«. Herrschen und ein großes Haus machen
waren ihre zwei Leidenschaften. Je mehr Kutschen
im Hofe hielten, desto wohler wurd ihr ums Herz,
und je mehr Lichter im Hause brannten, desto helle-
re Funken sprühten ihr Geist und ihre gute Laune.
Sparsam sonst und eine Frau, bei der die Rech-
nungsbücher stimmen mußten, erschrak sie dann vor
keinem Opfer, ja der Gedanke berührte sie kaum,
daß es ein Opfer sei. Nach Sitte der Zeit, in der sie
jung gewesen, sah es um sie her aus wie in einer
Arche Noäh, und vom Kakadu an bis herunter zu
Kanarienvogel und Eichhörnchen fand sich in ihren
Zimmern so ziemlich alles beisammen. Katzen und
Hunde waren natürlich ihre Lieblinge und
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