Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
durften
    sich alles erlauben, ja, eintreffender Besuch pflegte
    meist in nicht geringe Verlegenheit zu geraten, wo
    Platz zu nehmen sei, wenn überhaupt. Aber mit dem

    494
    Erscheinen der alten Marquise war sofort alles ver-
    gessen, man achtete der Unordnung nicht mehr, und
    was bis dahin lästig gewesen war, wurde jetzt cha-
    rakteristisches Ornament. Ihre Rede riß nicht ab, und
    wurde Rheinsberg oder gar »der Prinz« zum Gegens-
    tande der Unterhaltung, so vergingen die Stunden
    wie im Fluge, ihr selbst und andern.
    Ihr Tod war wie ihr Leben und hatte denselben Ro-
    kokocharakter wie das Sofa, auf dem sie starb, oder
    die Tabatière, die vor ihr stand. Ihre Lieblingskatze,
    so heißt es, habe sie in die Lippe gebissen. Daran
    starb sie (oder doch bald darauf) im neunundacht-
    zigsten Jahre, dem 18. Mai 1859.
    Mit ihr wurde die letzte Repräsentantin der Prinz-
    Heinrich-Zeit zu Grabe getragen.

    1. Die Adjutanten des Prinzen Heinrich, soweit
    ich es in Erfahrung bringen konnte, waren seit
    Beginn des Siebenjährigen Krieges die fol-
    genden: Graf Henkel (1757 und 1758); Graf
    Kalckreuth in der zweiten Hälfte des Krieges;
    nach dem Kriege: Kaphengst, Tauentzien,
    La Roche-Aymon.

    495
    Köpernitz

    Rote Dächer, die verschwiegen
    Still an Wald und Wiese liegen.

    Köpernitz, auf dem die Gräfin La Roche-Aymon, ge-
    borne von Zeuner, ihr reichbewegtes Leben
    beschloß, ist ein Platz von einer nicht gerade frap-
    panten, aber doch von einer poetischen und nachhal-
    tig wirkenden Schönheit. Man begreift eine stille Pas-
    sion dafür.
    Das Herrenhaus ist von großer Einfachheit: ein Erdgeschoß (neun Fenster Front) mit Dach und Erker.
    Dementsprechend ist die Einrichtung, aber durch
    Bilder und Erinnerungsstücke reichlich aufwiegend,
    was ihr an modernem Glanze fehlt. Das einladendste
    Zimmer des Hauses ist der Salon, der den Blick auf
    eine große Parkwiese hat. Hier, an einem milden
    Herbsttage, bei offenstehender Tür und Kaminfeuer,
    ist es gut sein. In ebendiesem Salon befindet sich
    auch die Mehrzahl der historischen Wertstücke. Dar-
    unter zunächst folgende Bilder:
    1. Hofmarschall von Zeuner, Großvater des gegen-
    wärtigen Besitzers.
    2. Hofmarschallin von Zeuner, geborne Gräfin Neale.

    496
    3. Graf Neale, Bruder der Hofmarschallin von Zeu-
    ner.
    4. Oberst von Zeuner, Kommandeur des 4. (schlesi-
    schen) Husarenregiments; Vater des gegenwärtigen
    Besitzers.
    5. Frau Oberst von Zeuner, geborne Baronesse Oet-
    tinger. Bild aus der Zeit vor ihrer Vermählung.
    6. Baronin von Oettinger (Mutter der vorigen), von
    Tischbein gemalt.
    7. Gräfin La Roche-Aymon, geborne von Zeuner,
    Tochter des Hofmarschalls, Schwester des Obersten
    von Zeuner, Vorbesitzerin von Köpernitz.
    8. Graf La Roche-Aymon.
    9. Kardinal La Roche-Aymon (gutes Bild); Oheim des
    Grafen La Roche-Aymon.
    10. Prinz Louis Ferdinand (sehr gut). – Bis zum Tode
    der Gräfin La Roche-Aymon befand sich noch ein
    zweites Bild des Prinzen Louis in Köpernitz, das dem Sohne des letztren, dem General von Wildenbruch,
    gehörte und nur »leihweise auf Lebenszeit« der Grä-
    fin überlassen worden war. Nach dem Hinscheiden
    derselben erhielt es General von W. zurück. (Ein drit-
    tes treffliches Bild des Prinzen Louis Ferdinand befin-
    det sich in Wustrau.)

    497
    Außer diesen Bildern interessiert zumeist eine Roko-kokommode mit vergoldeten Griffen und Marmorta-
    fel. In den Fächern dieser Kommode (damals in
    Rheinsberg) befand sich die vom Prinzen Heinrich
    niedergeschriebene Geschichte des Siebenjährigen
    Krieges. Unmittelbar nach dem Tode des Prinzen
    erschien eine »Kommission« in Rheinsberg und
    nahm das Manuskript, von dessen Existenz man in
    Berlin Kunde hatte, mit sich, um es im Staatsarchive
    zu deponieren. Diese Lesart ist die wahrscheinlichste. Nach einer andern Version aber wäre das Manu-
    skript verbrannt worden. Träfe dies zu, so würde der
    Welt eines der denkbar interessantesten Bücher ver-
    lorengegangen sein. Und doch mag es zweifelhaft
    erscheinen, ob ein solcher Verlust, wenn er überhaupt stattgefunden, zu beklagen wäre. Der Prinz –
    soviel war schon bei seinen Lebzeiten laut geworden
    – hatte strengste Kritik geübt, namentlich auch ge-
    gen seinen königlichen Bruder, und es würde die
    Kenntnis über diesen vielleicht mehr verwirren als
    aufklären, wenn wir plötzlich Urteilen begegneten,
    deren Gerechtigkeit , bei dem mit allen Vorzügen, aber auch mit allen Mängeln des vorigen Jahrhunderts reich

Weitere Kostenlose Bücher