Wanderungen durch die Mark Brandenburg
durften
sich alles erlauben, ja, eintreffender Besuch pflegte
meist in nicht geringe Verlegenheit zu geraten, wo
Platz zu nehmen sei, wenn überhaupt. Aber mit dem
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Erscheinen der alten Marquise war sofort alles ver-
gessen, man achtete der Unordnung nicht mehr, und
was bis dahin lästig gewesen war, wurde jetzt cha-
rakteristisches Ornament. Ihre Rede riß nicht ab, und
wurde Rheinsberg oder gar »der Prinz« zum Gegens-
tande der Unterhaltung, so vergingen die Stunden
wie im Fluge, ihr selbst und andern.
Ihr Tod war wie ihr Leben und hatte denselben Ro-
kokocharakter wie das Sofa, auf dem sie starb, oder
die Tabatière, die vor ihr stand. Ihre Lieblingskatze,
so heißt es, habe sie in die Lippe gebissen. Daran
starb sie (oder doch bald darauf) im neunundacht-
zigsten Jahre, dem 18. Mai 1859.
Mit ihr wurde die letzte Repräsentantin der Prinz-
Heinrich-Zeit zu Grabe getragen.
1. Die Adjutanten des Prinzen Heinrich, soweit
ich es in Erfahrung bringen konnte, waren seit
Beginn des Siebenjährigen Krieges die fol-
genden: Graf Henkel (1757 und 1758); Graf
Kalckreuth in der zweiten Hälfte des Krieges;
nach dem Kriege: Kaphengst, Tauentzien,
La Roche-Aymon.
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Köpernitz
Rote Dächer, die verschwiegen
Still an Wald und Wiese liegen.
Köpernitz, auf dem die Gräfin La Roche-Aymon, ge-
borne von Zeuner, ihr reichbewegtes Leben
beschloß, ist ein Platz von einer nicht gerade frap-
panten, aber doch von einer poetischen und nachhal-
tig wirkenden Schönheit. Man begreift eine stille Pas-
sion dafür.
Das Herrenhaus ist von großer Einfachheit: ein Erdgeschoß (neun Fenster Front) mit Dach und Erker.
Dementsprechend ist die Einrichtung, aber durch
Bilder und Erinnerungsstücke reichlich aufwiegend,
was ihr an modernem Glanze fehlt. Das einladendste
Zimmer des Hauses ist der Salon, der den Blick auf
eine große Parkwiese hat. Hier, an einem milden
Herbsttage, bei offenstehender Tür und Kaminfeuer,
ist es gut sein. In ebendiesem Salon befindet sich
auch die Mehrzahl der historischen Wertstücke. Dar-
unter zunächst folgende Bilder:
1. Hofmarschall von Zeuner, Großvater des gegen-
wärtigen Besitzers.
2. Hofmarschallin von Zeuner, geborne Gräfin Neale.
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3. Graf Neale, Bruder der Hofmarschallin von Zeu-
ner.
4. Oberst von Zeuner, Kommandeur des 4. (schlesi-
schen) Husarenregiments; Vater des gegenwärtigen
Besitzers.
5. Frau Oberst von Zeuner, geborne Baronesse Oet-
tinger. Bild aus der Zeit vor ihrer Vermählung.
6. Baronin von Oettinger (Mutter der vorigen), von
Tischbein gemalt.
7. Gräfin La Roche-Aymon, geborne von Zeuner,
Tochter des Hofmarschalls, Schwester des Obersten
von Zeuner, Vorbesitzerin von Köpernitz.
8. Graf La Roche-Aymon.
9. Kardinal La Roche-Aymon (gutes Bild); Oheim des
Grafen La Roche-Aymon.
10. Prinz Louis Ferdinand (sehr gut). – Bis zum Tode
der Gräfin La Roche-Aymon befand sich noch ein
zweites Bild des Prinzen Louis in Köpernitz, das dem Sohne des letztren, dem General von Wildenbruch,
gehörte und nur »leihweise auf Lebenszeit« der Grä-
fin überlassen worden war. Nach dem Hinscheiden
derselben erhielt es General von W. zurück. (Ein drit-
tes treffliches Bild des Prinzen Louis Ferdinand befin-
det sich in Wustrau.)
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Außer diesen Bildern interessiert zumeist eine Roko-kokommode mit vergoldeten Griffen und Marmorta-
fel. In den Fächern dieser Kommode (damals in
Rheinsberg) befand sich die vom Prinzen Heinrich
niedergeschriebene Geschichte des Siebenjährigen
Krieges. Unmittelbar nach dem Tode des Prinzen
erschien eine »Kommission« in Rheinsberg und
nahm das Manuskript, von dessen Existenz man in
Berlin Kunde hatte, mit sich, um es im Staatsarchive
zu deponieren. Diese Lesart ist die wahrscheinlichste. Nach einer andern Version aber wäre das Manu-
skript verbrannt worden. Träfe dies zu, so würde der
Welt eines der denkbar interessantesten Bücher ver-
lorengegangen sein. Und doch mag es zweifelhaft
erscheinen, ob ein solcher Verlust, wenn er überhaupt stattgefunden, zu beklagen wäre. Der Prinz –
soviel war schon bei seinen Lebzeiten laut geworden
– hatte strengste Kritik geübt, namentlich auch ge-
gen seinen königlichen Bruder, und es würde die
Kenntnis über diesen vielleicht mehr verwirren als
aufklären, wenn wir plötzlich Urteilen begegneten,
deren Gerechtigkeit , bei dem mit allen Vorzügen, aber auch mit allen Mängeln des vorigen Jahrhunderts reich
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