Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Zeit über entbehrt hatten – das Leben der großen Stadt . Das Gut ward also verpachtet, und die Pachterträge sollten nunmehr ausreichen zu einem Leben in der Residenz. Aber das junge Paar
erkannte bald, daß es die Rechnung ohne den Wirt
gemacht habe, und der Graf mußte sich schließlich
noch beglückwünschen, als er 1805 dem Göckingk-
schen (ehemals Zietenschen) Husarenregiment als
Major aggregiert wurde. Mit diesem Regiment war er
bei Jena. 1807 ward er Kommandeur der Schwarzen
Husaren und zeichnete sich, an der Spitze derselben,
durch eine glänzende Attacke bei Preußisch-Eylau
aus. Napoleon, als er nach dem Kommandeur fragte,
geriet in heftigen Zorn, als er einen französischen
Namen hörte. 1809 wurde Graf La Roche-Aymon
Oberst und bearbeitete das Exerzierreglement der
Reiterei, wie er denn überhaupt, allem anderen vor-
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auf, ein glänzender Kavallerieführer war. Seine Bü-
cher über diesen Gegenstand sollen wertvoll und bis
zu dieser Stunde kaum übertroffen sein. 1810 zum
Inspecteur der leichten Truppen ernannt, machte er
die Feldzüge von 1813 und 1814 auf preußischer
Seite mit, wurde Generalmajor und kehrte 1814
nach dem Sturze Napoleons wieder nach Frankreich
zurück. 1815, während der Hundert Tage, ging er
mit Ludwig XVIII. nach Gent, befehligte 1823 in der
in Spanien einrückenden französischen Armee eine
Kavalleriebrigade und wurde Generallieutenant. In
den Besitz aller seiner früheren Güter wieder einge-
setzt, ward er, zu nicht näher zu bestimmender Zeit,
Marquis und Pair von Frankreich. Einige Jahre vorher (1827) hatte er auf dem Punkt gestanden, als
Kriegsminister in kaiserlich-mexikanische Dienste zu treten. Ein Bruder des Königs Ferdinands VII. von
Spanien, der Infant Don Francisco de Paulo, sollte
zum Kaiser von Mexiko erhoben werden, und das
Cabinet dieses Kaisers war bereits in Paris ernannt.
Es bestand aus Baron Alexander von Talleyrand,
Herzog von Dino, Marinecapitain Gallois und Graf
La Roche-Aymon. Man kann fast beklagen, daß sich's
zerschlug; es wäre eine »Aventüre« mehr gewesen
in dem an Aventüren so reichen Leben des Grafen.
Er verblieb in Paris. Kurze Zeit vor der Februarrevo-
lution sah ihn ein alter Bekannter aus den Rheins-
berger Tagen her in der Pairskammer, als er eben im
Begriff stand, das Wort zu nehmen; er hatte den
Grafen in sechsundvierzig Jahren nicht gesehen, seit
jenem Tage nicht, wo derselbe dem Sarge des Prinzen zur letzten Ruhestätte gefolgt war. Im Jahre
darauf (1849) starb der Graf.
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Wir wenden uns nun zum Schlusse der Gräfin zu. Sie war 1815, nach der völligen Niederwerfung Napoleons, ihrem Gatten nach Paris hin gefolgt und hatte
daselbst, am Hofe Ludwigs XVIII., Huldigungen ent-
gegengenommen, die fast dazu angetan waren, die
Triumphe ihrer Jugend in den Schatten zu stellen. In
der Tat, sie war noch immer eine schöne Frau, hatte
sie doch das Leben allezeit leichtgenommen und im
Gefühl, für die Freude geboren zu sein, der anklop-
fenden Sorge nie geöffnet. Aber wenn sie auch kein
Naturell hatte für Gram und Sorge, so war sie doch
empfindlich gegen Kränkungen, und diese blieben
nicht aus. Sie war eitel und herrschsüchtig, und so
leicht es ihr werden mochte, die leichte Moral der
Hauptstadt und ihres eignen Hauses zu tragen, so
schwer und unerträglich ward es ihr, die Herrschaft im Hause mit einer Rivalin zu teilen . Das Blatt hatte sich gewandt, und die Schuld der Rheinsberger Tage
wurde spät gebüßt. Die Marquise beschloß, Paris
aufzugeben; ein Vorwand wurde leicht gefunden
(»der Pächter habe das Gut vernachlässigt«), und
1826 zog sie still in das stille Wohnhaus von Köper-
nitz ein.
Dort hat sie noch dreiunddreißig Jahre gelebt, und
alt und jung daselbst weiß von ihr zu erzählen. Sie
war eine resolute Frau, klug, umsichtig und tätig,
aber auch rechthaberisch, die, weil sie beständig
recht haben und herrschen wollte, zuletzt schlecht zu regieren verstand. Es lag ihr mehr daran, daß ihr Wille geschah, als daß das Richtige geschah, und die Schmeichler und Jasager hatten leichtes Spiel auf
Kosten derer, die's wohlmeinten. Es eigneten ihr all
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die Schwächen alter Leute, die die Triumphe ihrer
Jugend nicht vergessen können; aber was ihr bis
zuletzt die Herzen vieler zugetan machte, war das,
daß sie, trotz aller Schwächen und Unleidlichkeiten,
im Besitz einer wirklichen Vornehmheit war und
verblieb. Sie glaubte an sich.
Ihre
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