Wanderungen durch die Mark Brandenburg
machte die Honneurs des Hauses, war Gast und
Wirtin zugleich, und der Prinz, enchantiert, hing nicht nur an jeder Bewegung der schönen Frau, sondern
freute sich ihrer Gegenwart überhaupt, alles an ihr
bewundernd, ihre Augen, ihren Witz und selbst – ihre
Kochkunst.
Ein Abenteuer trat endlich störend dazwischen und
warf einen Schatten auf dies heitere Stilleben, das
dem Prinzen teurer geworden war, als er sich selbst
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gestehen mochte. Prinz Louis Ferdinand erschien
eben damals von Zeit zu Zeit in Schloß Rheinsberg,
um seinem Oheim, den er beerben sollte, seinen
Respekt zu bezeugen. Im Sommer 1800 kam er häu-
figer als zuvor, kam und ging, ohne daß Wünsche,
wie sonst wohl, laut geworden wären. Ein Geplauder
im Park, ein Gastmahl auf der Remus-Insel schien
alles , worauf sein Sinn jetzt gerichtet war. Die Gräfin saß neben ihm bei Tisch und trug einen Kranz von
Teichrosen im Haar, den ihr der jugendliche Prinz auf
der Fahrt zur Insel hin geflochten hatte. Sie glich
darin einer Wassernixe. So kam der Abend, und laut-
los glitten die Kähne zurück; nur dann und wann
unterbrach ein Flüstern und Lachen die tiefe Stille.
Prinz und Gräfin fuhren im selben Kahn. Was heim-
lich versprochen wurde, wir wissen es nicht und ver-
suchen nur das Bild zu malen, das die nächste Stun-
de brachte. Vor dem Fenster der Gräfin lag ein Wie-
senstreifen im Vollmondschein, und aus dem Schat-
ten heraus trat der Graf, die Hand am Degen. Ihm
gegenüber, auf dem erhellten Rasen, stand der
Prinz; typische Gestalten aus Nord und Süd. Am off-
nen Fenster aber erschien die Gräfin, bittend und
beschwörend, und die Degen der beiden Gegner fuh-
ren zurück in die Scheide. Man trennte sich mit ei-
nem kurzen »jusqu'àä demain«.
Der alte Prinz legte sich ins Mittel, und der Zwei-
kampf unterblieb. Ebenso schwieg man über den
Vorfall. Aber man mühte sich umsonst, ihn zu ver-
gessen . Die Gräfin war das Licht gewesen, dessen klarer Helle sich jeder gefreut hatte; nun hatte das
Licht, wie jedes andere, seinen Dieb gehabt, und
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eine leise Mißstimmung griff Platz. Der Rheinsberger
Hof war niemals ein Tugendhof gewesen, war es
auch jetzt nicht, und doch sah sich jeder ungern des einen Ideals beraubt, an das er geglaubt hatte. Die Gräfin blieb Mittelpunkt des Kreises bis zuletzt, aber
doch mehr äußerlich, und die Blicke, die sich auf sie
richteten, sahen sie mit verändertem Ausdruck an.
Die letzten poetischen Momente des Prinz-Heinrich-
Hofes waren hin.
Nur in den Beziehungen zwischen dem Prinzen und
seinem Adjutanten änderte sich nichts. Die kritisch-
militärischen Arbeiten des Grafen weckten mehr
noch als früher das Interesse seines väterlichen
Freundes und Wohltäters, der sich vielfach und in
eingehendster Weise daran beteiligte. Dies Freund-
schaftsverhältnis dauerte denn auch bis zum Tode
des Prinzen, welcher letztre noch wenige Monate vor
seinem Hinscheiden in seinen »Dernières Dispositi-
ons« die Worte niederschrieb: »Ich bezeuge dem
Grafen La Roche-Aymon meinen lebhaften Dank für
die zarte Anhänglichkeit, die er mir all die Zeit über
erwiesen hat, wo ich so glücklich war, ihn in meiner
Nähe zu haben«, sowie denn auch anderweitig aus
beinah jedem Paragraphen dieser »Dernières Dispo-
sitions« hervorgeht, daß der Graf die recht eigent-
lichste Vertrauensperson des Prinzen war, der jenige, der seinem Herzen am nächsten stand. Der Prinz
hatte darin richtig gewählt. Graf La Roche-Aymon
vereinigte, nach dem Zeugnis aller derer, die ihn
gekannt haben, drei ritterliche Tugenden in ganz
ausgezeichnetem Maße: Mut, Diensttreue und kindli-
che Gutherzigkeit.
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Am 3. August 1802 starb der Prinz, und im selben
Jahre noch gelangten Graf und Gräfin La Roche-
Aymon in den Besitz des Gutes Köpernitz, das eines
der sechs Erbzinsgüter war, die zum Amte Rheins-
berg gehörten. Ob der Prinz erst in seinem Testa-
ment oder schon bei Lebzeiten diese Schenkung
machte, hab ich nicht mit Bestimmtheit in Erfahrung
bringen können. Wahrscheinlich fand ein Scheinkauf
mit Hülfe dargeliehenen Geldes statt, das dann
schließlich in die prinzliche Kasse zurückfloß.
Köpernitz war nun gräfliches Besitztum. Es scheint
aber nicht, daß das La Roche-Aymonsche Paar auch
nur vorübergehend das Gut bezog, vielmehr eilten
beide nach Berlin, um endlich wieder das zu genie-
ßen, was sie, trotz aller Anhänglichkeit an den Prin-
zen, so lange
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