Wanderungen durch die Mark Brandenburg
doch nichts weiter; der Freund seiner letzten Jahre war der Graf La Roche-Aymon.
Bei der Geschichte dieses Mannes, »die den Roman
auf seinem eignen Felde schlägt«, werden wir zum
Schluß noch einige Zeit zu verweilen haben.
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Antoine-Charles-Étienne-Paul Graf La Roche-Aymon
war 1775 geboren. 1792, siebzehn Jahr alt, verließ
er mit andern Émigrés sein Vaterland und trat als
Volontair in das Condésche Corps, nach einer andern
Version, die sich auf Mitteilung von Personen stützt,
die den Grafen noch persönlich gekannt haben, in die
neapolitanische Armee . Gleichviel, 1794 erschien ein junger, sechs Fuß hoher Offizier von dunkelstem Kolorit und dürftigster Kleidung in Rheinsberg und gab
bei »Demoiselle Aurore«, jener schon genannten
Schauspielerin des prinzlichen Hoftheaters, einen
Empfehlungsbrief ab. Der Brief enthielt die Bitte, den
Überbringer, den jungen Grafen La Roche-Aymon,
bei günstiger Gelegenheit in die Nähe des Prinzen zu
bringen. Demoiselle Aurore war echte Französin,
lebhaft und gutherzig, dabei Royalistin und zu Aben-
teuern geneigt; sie bestritt also eine passende Equi-
pierung aus eignen Mitteln, und vor Ablauf einer Wo-
che war der Graf in des Prinzen Dienst. Er bezog
Wohnung im Kavalierhaus und übernahm den Befehl
über die vierzig Leibhusaren, die, wie mehr erwähnt,
als eine spezielle Prinz Heinrichsche Truppe zu
Rheinsberg in Garnison lagen. Kurze Zeit darauf
wurde er Adjutant des Prinzen. Schön, gewandt, lie-
benswürdig, ein Kavalier im besten Sinne des Worts,
trat er alsbald in eine Vertrauensstellung, ja darüber
hinaus in ein Herzensverhältnis zum Prinzen, wie's
dieser, seit Tauentzien, nicht mehr gekannt hatte.
Der Graf erschien ihm als ein Geschenk des Him-
mels; der Abend seines Lebens war gekommen, aber
siehe da, die Sonne, bevor sie schied, lieh ihm noch
einmal einen Strahl ihres beglückenden Lichts. Graf
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La Roche-Aymon war der letzte Adjutant des Prinzen.1)
Nach dem Basler Frieden, der eine halbe Versöhnung
zwischen dem Prinzen Heinrich und seinem Neffen,
dem Könige, herbeigeführt hatte, kam der Prinz auch
wieder nach Berlin, aber freilich ohne rechte Lust
und Freudigkeit und immer nur auf kürzere Zeit. Auf
einer der bei dieser Gelegenheit statthabenden Fest-
lichkeiten war es, daß der Graf La Roche-Aymon, der
nunmehrige Adjutant des Prinzen, ein Fräulein von
Zeuner sah und von ihrer blendenden Schönheit so-
fort hingerissen ward. Er seinerseits war völlig dazu
angetan, nicht bloß bezaubert zu werden, sondern
auch selbst wieder zu bezaubern, und als der Prinz
bei beginnendem Frühling nach Rheinsberg zurück-
kehrte, folgten ihm Graf und Gräfin La Roche-Aymon
als eben vermähltes Paar.
Karoline Amalie von Zeuner war die Tochter eines
seit 1786 als Hofmarschall und Kammerherr im
Dienste der Königinmutter stehenden Herrn von
Zeuner, aus seiner Ehe mit einer Gräfin von Neale.
Fräulein von Zeuner selbst, als der Graf La Roche-
Aymon sie kennenlernte, war Hofdame bei der Prin-
zessin Wilhelmine. Sie war von mittlerer Figur, vom
weißesten Teint und besaß, als besondere Schönheit,
eine solche Fülle blonden Haares, daß es, wenn auf-
gelöst, bis zu den Knien herabfiel und sie wie ein
goldener Mantel umhüllte. Niemand kannte diese
Schönheit besser als sie selbst und noch in späteren
Jahren wußte sie's derart einzurichten, daß etwa ein-
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treffender Besuch sie womöglich im Négligé überra-
schen und das Haar bewundern mußte.
Wenn die Gegenwart des Grafen schon vorher ein
Lichtblick an dem vereinsamten Hofe des Prinzen
gewesen war, so war es jetzt , wo »Prinzessin Gold-haar« mit ihm zurückkehrte, wie wenn die Tage frü-
herer Rheinsberger Herrlichkeit noch einmal anbre-
chen sollten. Anstelle halb pedantischer und halb
équivoquer Junggesellenwirtschaft erschienen wieder
die heiteren Grazien, die dauernd immer nur da zu Hause sind, wo schöne Frauen ihren wohltätigen und
gern gelittenen Zwang üben. Seit den Tagen Lisette
Tauentziens hatte der Rheinsberger Hof diesen
Zwang nicht mehr gekannt.
Der Freundschaftstempel mit seinen Inschriften, die
die Liebe für eine Torheit erklärten, erschien nun
selber als eine große Torheit, und man speiste wie-
der gern auf der Remus-Insel im See, heitern Ange-
denkens aus jenen Tagen her, wo Kronprinz Friedrich
noch der »Constant« des Bayard-Ordens und nicht
der Philosoph von Sanssouci gewesen war. Die Grä-
fin
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