Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
triumphiert.
    Auch die »Historie« ist leisen Fußes durch diese Ge-
    genden hingeschritten und erzählt von Kronprinz
    Fritz und seiner Liebe zum schönen Försterkinde von
    Binenwalde. Von Rheinsberg aus herüberkommend,
    gab er im Abenddämmer das wohlbekannte Zeichen
    nach dem mitten im See gelegenen Forsthaus hin-
    über, und nicht lange, so glitt ein Kahn aus dem
    Schilfgürtel hervor und der Stelle zu, wo der Prinz,
    unter den Zweigen einer überhängenden Buche, die
    schöne Sabine, das »Insel- und Försterkind«, erwar-
    tete. Die schöne Sabine aber stand lächelnd aufrecht
    im Kahn, das Ruder mit raschem Schlage führend,
    bis im nächsten Moment das Ruder ans Land und sie
    selbst dem Harrenden in die Arme flog.
    Aber diese Tage sind hin, und wie tiefe Sonntagsruhe
    liegt es in den Lüften, wenn, wie zu dieser Mittags-
    stunde, die nachbarliche Mühle schweigt.

    Ausgestreckt am Hügelabhang, den Wald zu Häup-
    ten, den See zu Füßen, so träumst du hier, bis die
    wachsende Stille dich erschreckt. Mit angespannten
    Sinnen lauschest du, ob nicht doch vielleicht ein Laut
    zu dir herüberklinge, und endlich hörst du die Rät-
    selmusik der Einsamkeit. Der See liegt glatt und

    511
    sonnenbeschienen vor dir, aber es ruft aus ihm, die
    Bäume rühren sich nicht, aber es zieht durch sie hin,
    aus dem Walde klingt es, als würden Geigen gestri-
    chen, und nun schweigt es, und ein fernes, fernes
    Läuten beginnt. Ist es Täuschung, oder ist es mehr?
    Ein wachsendes Bangen kommt über dich, bis plötz-
    lich das Klappern der Mühle wieder anhebt und der
    schrille Ton der Säge den Mittagszauber zerreißt.
    Wer will sagen, wenn er die Ruppiner Schweiz
    durchwandert, wo ihr Zauber am mächtigsten wirkt.
    Und fragst du doch : »Den vollsten Reiz, Wo birgt ihn die Ruppiner Schweiz?
    Ist's norderwärts in Rheinsbergs Näh?
    Ist's süderwärts am Molchow-See?
    Ist's Rottstiel tief im Grunde kühl?
    Ist' Kunsterspring, ist's Boltenmühl?
    Ist's Boltenmühl, ist's Kunsterspring?
    Birgt Pfefferteich den Zauberring?
    Ist's Binenwalde?« – Nein, o nein,
    Wohin du kommst, da wird es sein,
    An jeder Stelle gleichen Reiz
    Erschließt dir die Ruppiner Schweiz.

    Am Molchow- und Zermützel-See

    512

    Abgeschieden, rings geschlossen,
    Wenig kümmerliche Föhren,
    Trübe flüsternde Genossen,
    Die hier keinen Vogel hören.
    Lenau

    »An jeder Stelle gleichen Reiz
    Erschließt dir die Ruppiner Schweiz«,
    aber doch mit der einen Einschränkung, daß wir uns in der Helvetia propria dieser Gegenden halten und
    es vermeiden, von dem westlichen Ufer des Rhin auf das östliche hinüberzutreten. Tuen wir diesen verhängnisvollen Schritt dennoch, so sind wir aus unse-
    rer eigentlichen Schweiz heraus und wandeln nur
    noch an ihrer Peripherie hin. Mit andern Worten: das
    östliche Rhinufer hat keinen andern Reiz mehr als
    den , welchen es seinem Gegenüber, dem westlichen Ufer, entnimmt.
    Aber Ausnahmen auch hier, und unter diesen Aus-
    nahmen in erster Reihe das alte Dorf Molchow, das
    wir, über eine Schmalung des gleichnamigen Sees
    hinweg, in diesem Augenblick erreichen. Eingespon-
    nen in Gärten und Laub liegt es da, die Studenten-
    blume blüht, der Kürbis hängt am Gezweig, und der
    Hahn begrüßt uns vom Zaun her und kräht in den
    lachenden Morgen hinein. Alles hell und licht, im
    rechten Gegensatze zu Molchow , das mit seinem

    513
    finster anklingenden Namen an alle Schrecken des
    Schillerschen »Tauchers« mahnt.
    Alles hell und licht, ausgenommen ein rondellartiger
    Grasplatz inmitten des Dorfs. Auf ihm wird begraben,
    mehr in Unkraut als in Blumen hinein, und aus der
    Mitte dieses Platzes wächst ein Turm auf, unheimlich
    und grotesk, als hab ihn ein Schilderhaus mit einer
    alten Windmühle gezeugt. Von beiden etwas. Und
    unheimlich wie der Turm, so auch die alte Glocke , die in ihm hängt. »Ave Maria, gratia plena« steht an
    dem obern Rande, die Glocke selbst aber ist gebors-
    ten, und ihre Inschrift war ihr kein Talisman. Zwei-
    hundert Jahre, da fanden sie die Molchower auf einer
    halb Heide gewordenen, halb waldbestandenen
    Feldmark zwischen zwei Bäumen aufgehängt. Es war
    die Glocke von Eggersdorf, eines Dorfes, das im
    Dreißigjährigen Kriege, wie hundert andere, wüst
    geworden war und es seitdem auch geblieben ist. Die
    Molchower aber erbarmten sich des Findlings und
    bauten ihm diesen Glockenturm. Eine Leiter führt
    hinauf, die glücklicherweise von denen, die dort oben
    regelmäßig wohnen, entbehrt

Weitere Kostenlose Bücher