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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gewesen
    waren. Auch auf dem Deckel ihres überaus prachtvollen Sarges ist ein kleines Fenster angebracht,
    durch das man die entseelte Hülle der alten Freifrau
    erblickt. Auf allen vier Särgen befinden sich die Fa-
    milienwappen, auf drei derselben auch Name, Ge-
    burts- und Todestag.
    Über fünfzig Jahre vergingen, eh ein neuer Ankömm-
    ling vor der Kirche hielt und Raum in der Familien-
    gruft beanspruchte. Alles, was den Namen Graf
    Schlitz angenommen hatte, hatte sich auch im Tode

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    noch von Zernikow, dem ursprünglichen Familiengut,
    geschieden und dem Graf Schlitzschen Mausoleum
    auf Hohen Demzin den Vorzug gegeben. Nicht so der
    älteste Sohn der Tochter der Frau von Labes. Am 16. Februar 1861 öffneten sich die schweren Gittertüren des Fredersdorffschen Erbbegräbnisses noch
    einmal, und der Sarg des Oberstschenk Karl Otto
    Ludwigs von Arnim wurde neben Mutter und Groß-
    mutter beigesetzt. Seine Inschrift lautet:
    Dubius non impius vixi,
    Incertus morior, non perturbatus;
    Humanum est nescire et errare.
    Ens entium miserere mei.
    In Zweifeln hab ich gelebt, nicht unfromm,
    In Ungewißheit sterb ich, nicht in Bangen;
    Nichtwissen und irren ist Menschenlos.
    Wesen der Wesen, erbarme dich mein.
    Sein jüngerer Bruder, Achim von Arnim, ist auf dem
    Familiengute Wiepersdorf bei Dahme begraben. Auch
    Bettina (gestorben 1859 zu Berlin) ruht daselbst.

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    Die Ruppiner Schweiz
    Die Ruppiner Schweiz

    Ist's norderwärts in Rheinsbergs Näh?
    Ist's süderwärts am Molchow-See?
    Ist's Rottstiel tief im Grunde kühl?
    Ist's Kunsterspring, ist's Boltenmühl?

    Die Schweize werden immer kleiner, und so gibt es
    nicht bloß mehr eine Märkische , sondern bereits auch eine Ruppiner Schweiz, der es übrigens, wenn man ein freundlich-aufmerksames Auge mitbringt, weder
    an Schönheit noch an unterscheidenden Zügen fehlt.
    Sie besitzt beides in ihrem Wasserreichtum. Wäh-
    rend Freienwalde dieses Schmuckes beinah völlig
    entbehrt und Buckow, den großen See zu seinen Fü-
    ßen abgerechnet, nur zwei kleine Edelsteine von al-
    lerdings reinstem Wasser aufweist, sind Fluß und See
    das eigentliche Lebenselement der Ruppiner
    Schweiz.
    Der Fluß ist der Rhin. Er kommt von Rheinsberg
    (Rhinsberg) her, bildet zunächst eine ganze Reihe
    von Wasserbecken und gibt erst an der Südspitze
    des Molchow-Sees seine Hügelheimat auf, um in das
    »Schwäbische Meer« dieser Gegenden, in den Ruppi-
    ner See, einzutreten. Hier streift er, wie sein be-
    rühmter hochdeutschen Namensvetter, der Rhein,

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    den Rest seiner schäumenden Jugend ab, und ruhig
    geworden bis zum Stillstand, windet er sich, von nun
    an, nur noch durch Lücher und Brücher hin, die den
    Namen Linum als Mittelpunkt haben. In Poesie gebo-
    ren, fällt ihm zu guter Letzt das Los zu, den Torfkahn auf seinem Rücken zu tragen.
    Aber wenn dieser, wie nicht bestritten werden soll,
    zum prosaischen Genossen seiner reiferen Jahre
    wird, so sind Förstereien und Wassermühlen die Ge-fährten seiner Jugend, und überall da, wo sein Was-
    ser noch über ein Wehr fällt oder hochaufgeschichte-
    te Bretterbohlen an seinen Ufern liegen, da sind auch
    die Stätten seiner Schönheit. Jede dieser Stätten,
    zwischen zwei Seen gelegen, dürfte die Hand nach
    dem stolzen Namen »Interlaken« ausstrecken, aber
    im Bewußtsein eignen Wertes verschmähen sie's, mit
    vornehmen Anklängen zu prunken, und geben sich
    lieber, ohne jegliche Prätension und nur auf sich sel-
    ber gestellt, als Rottstiel und Pfefferteich, als Bol-
    tenmühle und Kunsterspring. Und wie sie selber auf
    alles klug verzichten, was zur Quelle lästiger Verglei-
    che nach außen hin werden könnte, so verzichten wir darauf, ihren Preis und Wert untereinander festzustellen. Denn wie unter schönen Schwestern die
    Streitfrage nie gelöst wird, »wer eigentlich die schö-
    nere oder die schönste sei«, weil es heute diese ist
    und morgen jene, je nach der Kleidfarbe, die sie tra-
    gen, oder nach dem Bande, das zufällig an ihrem
    Hute flattert, so ist auch hier die Frage nach der grö-
    ßeren Schönheit eine bloße Frage der Beleuchtung,
    der Stimmung, des zufälligen Schmuckes. Wenn
    heute Boltenmühle in Malven siegt, so siegt morgen

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    Kunsterspring in roten Ebereschen, und ein helleres
    oder dunkleres Abendrot, ein schmaleres oder breite-
    res Band, das der Regenbogen über die Landschaft
    spannt, entscheidet darüber, ob Rottstiel über Pfef-
    ferteich oder Pfefferteich über Rottstiel

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