Wanderungen durch die Mark Brandenburg
kümmerlicher Bau
aus dem vorigen Jahrhundert; nur etwas mehr nach
der Vorstadt hin, auf den ersten Blick ohne rechten
Zusammenhang mit den Eck- und Fronthäusern,
steht noch ein gotischer Giebel, ziemlich malerisch,
mit Glockennische und Storchennest. Erst nachdem
man eins der Fronthäuser, gleichviel welches, durch-
schritten hat, nimmt man wahr, daß man sich inner-
halb einer klösterlichen Anlage befindet: ein Hof,
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nach drei Seiten hin von Häusern umstellt; die vierte
Seite, das Quadrat abschließend, eine Kapelle.
Wie die drei Häuser, so ist auch die Kapelle bewohnt die längst aufgehört hat, kirchlichen Verrichtungen
zu dienen. Aus Altären wurden Feuerstellen, und
statt des Weihrauchs zieht Torfqualm durch die Luft;
gespaltenes Holz liegt hoch aufgeschichtet in den
Nischen, und wo sonst ein geschnitztes Christusbild
zwischen zwei Pfeilern hing, ist jetzt ein Hängeboden
gezogen, auf dem Kisten und Kasten, Urväter Haus-
rat und die letzten Ausläufer alten Trödels stehn.
Leitern führen hinauf, halsbrecherisch wie der Hän-
geboden selbst. Der untere Raum der Kapelle wurde
längst zu Wohnungen aufgeschlagen, und auf dem
Mittelgange schlurren jetzt die Nachfolgerinnen der
Beguinen auf und ab oder klappen mit ihren Pantinen
über den Estrich hin. Eine von ihnen machte die
Honneurs und zeigte mir draußen auf dem Kloster-
hof, an einem breiten und weit vorspringenden Pfei-
ler, sechs Höhlungen, in denen noch, bis vor wenig
Jahrzehnten, ebenso viele fest eingemauerte Begui-
nenschädel sichtbar gewesen seien. Ich bat, indem
ich ihr dankte, noch einen Augenblick bleiben zu dür-
fen, worauf sie sich zurückzog. Sie war unzweifelhaft
der esprit fort und die historische Autorität des Spit-
tels.
Ich war nun allein und sah mich mußevoll um. Wun-
derliches Bild. Der kaum zwanzig Schritt im Quadrat
habende Hof war in zwei Teile geteilt, von denen der
eine ein Blumengarten, der andre ein Dunghaufen
war. An der Grenze zwischen beiden stand ein Apfel-
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baum und streckte seine Zweige nach links und
rechts hin über Gerechte und Ungerechte; von dem
links gelegenen Blumengarten her zog Resedaduft
nach rechts hinüber und tat, was er konnte; aber er
konnte nicht viel. Oben im Nest, am Giebelfelde der
Kapelle, begann der Storch zu klappern – ein son-
derbarer Genosse hier .
Ich zog mein Notizbuch, um das Bild in wenig Stri-
chen festzuhalten, wobei mein Hauptaugenmerk o-
ben auf das Storchennest und unten auf den Pfeiler
mit den sechs Höhlungen gerichtet war.
Und nun war ich fertig. Noch ein Blick auf meine
Zeichnung, dann sah ich wieder um mich her. Aber
himmlische Mächte, was war inzwischen geschehen?!
Aus jedem Fenster sah ein »Beguinengesicht« und
grinste mich an, alle von einer Spittel-
Ausgesprochenheit, die's ihnen erlaubt hätte, ohne
weitere Vorbereitungen in die sechs Höhlungen ein-
zutreten.
Und mit verlegener Herzlichkeit grüßend, wie man's
tut, wenn man sich fürchtet, empfahl ich mich und
floh die Straße hinab und vor das Wildberger Tor
hinaus.
1. Das Altarblatt der Wusterhausener Kirche ist
ein Bild aus verhältnismäßig neuerer Zeit (et-
wa 1770) und rührt von Bernhard Rode her,
den man in so vielen unserer märkischen Kir-
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chen, namentlich in der Berliner Marien- und
noch besser in der Garnisonkirche, studieren
kann. Dies große Wusterhausener Blatt stellt
die Begegnung Christi mit Thomas dar, der,
nachdem er seine Finger in die Nägelmale ge-
legt, in die Worte ausbricht: »Mein Herr und
mein Gott.« – Bernhard Rode war ein soge-
nannter Schnellmacher, und die Mängel aller
seiner Arbeiten sind evident; in einem aber
grenzt er an die wirklichen Meister: er besaß
eine völlig selbständige Vortragsweise, so
charakteristisch, daß es selbst dem Laien
leicht wird, seine Bilder auf zwanzig Schritt
als Rodesche Bilder zu erkennen.
Trieplatz
Ein Kapitel von den Rohrs
Die Douglas waren immer treu.
Schottisches Lied
Trieplatz ist alter Besitz der Rohrs, wiewohl es nicht
zu den Gütern zählt die, gleich nach ihrem Erschei-
nen in den Marken, von ihnen erworben wurden.
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Die Rohrs kamen mutmaßlich aus Bayern und stam-
men, einer Familiensage nach, von jenem Grafen
von Abensberg ab, der mit zweiunddreißig Söhnen
am Hoflager Kaiser Heinrichs IV. erschien.1)
Einer dieser zweiunddreißig, Adalbert mit Namen,
wurde mit dem in der Nähe von Abensberg gelege-
nen Dorfe Rohr belehnt
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