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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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kümmerlicher Bau
    aus dem vorigen Jahrhundert; nur etwas mehr nach
    der Vorstadt hin, auf den ersten Blick ohne rechten
    Zusammenhang mit den Eck- und Fronthäusern,
    steht noch ein gotischer Giebel, ziemlich malerisch,
    mit Glockennische und Storchennest. Erst nachdem
    man eins der Fronthäuser, gleichviel welches, durch-
    schritten hat, nimmt man wahr, daß man sich inner-
    halb einer klösterlichen Anlage befindet: ein Hof,

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    nach drei Seiten hin von Häusern umstellt; die vierte
    Seite, das Quadrat abschließend, eine Kapelle.
    Wie die drei Häuser, so ist auch die Kapelle bewohnt die längst aufgehört hat, kirchlichen Verrichtungen
    zu dienen. Aus Altären wurden Feuerstellen, und
    statt des Weihrauchs zieht Torfqualm durch die Luft;
    gespaltenes Holz liegt hoch aufgeschichtet in den
    Nischen, und wo sonst ein geschnitztes Christusbild
    zwischen zwei Pfeilern hing, ist jetzt ein Hängeboden
    gezogen, auf dem Kisten und Kasten, Urväter Haus-
    rat und die letzten Ausläufer alten Trödels stehn.
    Leitern führen hinauf, halsbrecherisch wie der Hän-
    geboden selbst. Der untere Raum der Kapelle wurde
    längst zu Wohnungen aufgeschlagen, und auf dem
    Mittelgange schlurren jetzt die Nachfolgerinnen der
    Beguinen auf und ab oder klappen mit ihren Pantinen
    über den Estrich hin. Eine von ihnen machte die
    Honneurs und zeigte mir draußen auf dem Kloster-
    hof, an einem breiten und weit vorspringenden Pfei-
    ler, sechs Höhlungen, in denen noch, bis vor wenig
    Jahrzehnten, ebenso viele fest eingemauerte Begui-
    nenschädel sichtbar gewesen seien. Ich bat, indem
    ich ihr dankte, noch einen Augenblick bleiben zu dür-
    fen, worauf sie sich zurückzog. Sie war unzweifelhaft
    der esprit fort und die historische Autorität des Spit-
    tels.
    Ich war nun allein und sah mich mußevoll um. Wun-
    derliches Bild. Der kaum zwanzig Schritt im Quadrat
    habende Hof war in zwei Teile geteilt, von denen der
    eine ein Blumengarten, der andre ein Dunghaufen
    war. An der Grenze zwischen beiden stand ein Apfel-

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    baum und streckte seine Zweige nach links und
    rechts hin über Gerechte und Ungerechte; von dem
    links gelegenen Blumengarten her zog Resedaduft
    nach rechts hinüber und tat, was er konnte; aber er
    konnte nicht viel. Oben im Nest, am Giebelfelde der
    Kapelle, begann der Storch zu klappern – ein son-
    derbarer Genosse hier .
    Ich zog mein Notizbuch, um das Bild in wenig Stri-
    chen festzuhalten, wobei mein Hauptaugenmerk o-
    ben auf das Storchennest und unten auf den Pfeiler
    mit den sechs Höhlungen gerichtet war.
    Und nun war ich fertig. Noch ein Blick auf meine
    Zeichnung, dann sah ich wieder um mich her. Aber
    himmlische Mächte, was war inzwischen geschehen?!
    Aus jedem Fenster sah ein »Beguinengesicht« und
    grinste mich an, alle von einer Spittel-
    Ausgesprochenheit, die's ihnen erlaubt hätte, ohne
    weitere Vorbereitungen in die sechs Höhlungen ein-
    zutreten.
    Und mit verlegener Herzlichkeit grüßend, wie man's
    tut, wenn man sich fürchtet, empfahl ich mich und
    floh die Straße hinab und vor das Wildberger Tor
    hinaus.

    1. Das Altarblatt der Wusterhausener Kirche ist
    ein Bild aus verhältnismäßig neuerer Zeit (et-
    wa 1770) und rührt von Bernhard Rode her,
    den man in so vielen unserer märkischen Kir-

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    chen, namentlich in der Berliner Marien- und
    noch besser in der Garnisonkirche, studieren
    kann. Dies große Wusterhausener Blatt stellt
    die Begegnung Christi mit Thomas dar, der,
    nachdem er seine Finger in die Nägelmale ge-
    legt, in die Worte ausbricht: »Mein Herr und
    mein Gott.« – Bernhard Rode war ein soge-
    nannter Schnellmacher, und die Mängel aller
    seiner Arbeiten sind evident; in einem aber
    grenzt er an die wirklichen Meister: er besaß
    eine völlig selbständige Vortragsweise, so
    charakteristisch, daß es selbst dem Laien
    leicht wird, seine Bilder auf zwanzig Schritt
    als Rodesche Bilder zu erkennen.

    Trieplatz
    Ein Kapitel von den Rohrs

    Die Douglas waren immer treu.
    Schottisches Lied

    Trieplatz ist alter Besitz der Rohrs, wiewohl es nicht
    zu den Gütern zählt die, gleich nach ihrem Erschei-
    nen in den Marken, von ihnen erworben wurden.

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    Die Rohrs kamen mutmaßlich aus Bayern und stam-
    men, einer Familiensage nach, von jenem Grafen
    von Abensberg ab, der mit zweiunddreißig Söhnen
    am Hoflager Kaiser Heinrichs IV. erschien.1)
    Einer dieser zweiunddreißig, Adalbert mit Namen,
    wurde mit dem in der Nähe von Abensberg gelege-
    nen Dorfe Rohr belehnt

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