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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ab-
    solvierung seines Trauerjahrs, erst um die Hand seiner drei Cousinen anzuhalten. Läufer vorauf und ge-
    kleidet in den Uniformrock, den er bei Prag getragen,
    fuhr er dann in Gala nach Tornow hinüber, ließ sich

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    bei den Fräuleins melden und begann seine Werbung
    bei »Jettchen«, um sie bei »Bettchen« zu beschlie-
    ßen. Immer mit demselben Erfolge, denn die Fräu-
    leins waren längst gewillt, in dem stillen Hafen ihrer
    Jungfräulichkeit zu verharren und das sturmge-
    peitschte Meer der Ehe nicht zu befahren. So hatte denn diese regelmäßig wiederkehrende Szene nur
    noch eine symbolische Bedeutung und bezweckte
    nichts weiter, als den drei Fräuleins von Bruhn eine
    exzeptionelle Stellung vor allen anderen Jungfrauen
    des Landes zu geben. Es war die Konservierung ei-
    nes Muhmenkultes, zuletzt mehr als »Muhme«.
    Gleichviel, bei den Cousinen in Tornow lag, in Rück-
    sicht auf die Wandelbarkeit menschlicher Natur, im-
    mer wieder das entscheidende Wort, und erst der
    dreimal wiederholte, verbindlich ablehnende Knicks
    schuf unserm »Hauptmann von Kapernaum« jene
    Freiheit der Aktion, von der bis diesen Tag nicht ge-
    nau festzustellen gewesen ist, ob er sie segnete oder
    beklagte. Denn die Cousinen waren reich, und die
    Zeiten waren arm.
    Aber wenn ihm die Freiheit der Aktion kein überho-
    hes Glück schaffen mochte, so schuf ihm anderer-
    seits der »Refus« keinen allzu tiefen Schmerz, zu
    welcher Annahme die vorerwähnten vier Frauen wohl eine genügende Berechtigung geben dürften.2) Alle
    vier waren Nachbarstöchter aus dem Adel der Graf-
    schaft oder der angrenzenden Prignitz. Die erste
    Frau eine Platen, die zweite eine Jürgaß, die dritte
    eine Hagen, die vierte eine Putlitz. Durch die Platen
    und Jürgaß ergab sich denn auch eine nahe Ver-
    wandtschaft mit den Zietens, so daß unser Haupt-

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    mann mit dem gesamten Adel der Nachbarschaft
    verschwägert war.
    Georg Moritz von R. kam zu hohen Jahren, und wenn
    er bald nach seiner Geburt die Kanonen von Lan-
    dau (1713) gehört hatte, so kurz vor seinem Tode
    die Kanonen von Valmy. Achtzig Jahre lagen dazwi-
    schen und drei Kriege, die er selbst bestand. Mit dem
    Älterwerden wuchsen auch seine Schrullenhaftigkei-
    ten, und er mußte den Tribut entrichten, den das
    Alter ohnehin so leicht zu zahlen hat. Dem Ehrwürdi-
    gen gesellte sich das Komische. Jeden Morgen stieg
    er mittelst einer Leiter in eine Pappelweide hinein,
    um in den Zweigen derselben seine Morgenandacht
    abzuhalten, und sang, während sein weißes Haar im
    Winde flatterte, mit klarer Stimme: »Wie schön
    leucht't mir der Morgenstern«. Grotesk und rührend
    zugleich. Für die Dorfjugend aber herrschte das ers-
    tere vor, und ein paar Übermütige sägten den Ast
    an, mit dem der Alte denn auch zusammenbrach, als
    er anderntags seinen Platz in dem Gezweige wieder
    einnehmen wollte.
    Daß er gezürnt habe, wird nicht berichtet. Er stand
    bereits da, wo Leid und Lust nur noch traumhaft wir-
    ken und selbst Unbill nichts weiter als ein Lächeln
    weckt. Seine Zeit war um, und seine Seele flog dem
    Morgensterne zu, zu dem er so oft emporgesungen
    hatte. Den 14. Juni 1793 ward er in Trieplatz begra-
    ben. Die Dorfjungen aber waren ernsthaft geworden,
    folgten seinem Sarge und sangen diesmal ihm: »Lo-
    be den Herrn, meine Seele!«

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    1. Dies »vier Frauen nehmen« war im vorigen
    Jahrhundert wenn es die Verhältnisse gestat-
    teten, an der Tagesordnung. Selbst die Unbe-
    quemlichkeit, daß – wenigstens seitens des
    Adels und Militärs – ein Konsens beim Könige
    eingeholt werden mußte, hielt nicht davon ab.
    Herr von Hagen auf Nackel bat sogar zum
    fünften Mal um die Erlaubnis und erhielt als
    Antwort weder Zustimmung noch Ablehnung,
    sondern die echt altenfritzige Replik: »Er
    braucht künftig nicht mehr einzukommen.«

    2. Bei Gelegenheit seiner vierten Verlobung hat-
    te Georg Moritz von R. (ähnlich wie Herr von
    Hagen auf Nackel, über den ich in der vorste-
    henden Anmerkung berichtet) allerdings auch
    eine Kränkung zu bestehn, die nur den einen
    Vorzug aufwies, daß sie nicht von dem ge-
    fürchteten Könige ausging. Der Kränkende
    war der eigne Bruder auf Tramnitz, allwo sich
    das Erbbegräbnis befand, in dem auch die
    Trieplatzer Rohrs beigesetzt wurden. Als Ge-
    org Moritz von B. seinem Bruder anzeigte,
    daß er sich zum vierten Male verlobt habe,
    schrieb ihm der Tramnitzer zurück: »er wün-
    sche ihm Glück, müsse ihm aber von vorn-
    herein

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