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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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halbiert. Schon Mitte des dreizehnten
    Jahrhunderts ging Wusterhausen an die Markgrafen
    über, ward also Immediatstadt und blieb es.
    Um 1360 trat es plötzlich in Beziehungen zur Hansa,
    und wie stark auch die Zweifel sein mögen, die sich
    speziell an diese Tradition knüpfen, so entzückt es doch meine Phantasie, mir Wusterhausen zu denken,
    wie es mit einem Sechzehntel Anteil am Bug eines
    Orlogschiffes steht und dem König Waldemar samt
    dem ganzen Norden Gesetze vorschreibt. Fünfzig
    Jahre später sehen wir unsere Dosse-Stadt abermals
    an der Grenze hoher Politik: »Die Wusterhäusener
    verbinden sich nächtlicherweile mit den Quitzows
    gegen die Bredows«, aber auch diese Großtat zerrinnt in Nebel, wie der vorerwähnte Anteil am Hansa-
    sieg. »Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.« Und dieser
    Nebelstreif wird immer dichter und dunkler und ver-
    dunkelt sich endlich zu völliger Nacht, aus der es nur
    dann und wann aufleuchtet, wenn das mit Regelmä-
    ßigkeit wiederkehrende Feuer die Stadt in Asche legt.
    1758 brannte »durch unvorsichtiges Tabakrauchen
    eines Bürgers« das Rathaus nieder. Aus der ganzen
    Reihe dieser Verheerungen blieben nur zwei bauliche
    Denkmäler übrig, die noch imstande sind, uns von
    dem alten Wusterhausen zu erzählen: die Peter-
    Pauls-Kirche inmitten der Stadt und das HeiligeGeist-Hospital am Wildberger Tore. Beiden wenden wir uns in nachstehendem zu.

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    Die Peter-Pauls-Kirche
    Die Kirche Sankt Petri und Pauli ist ein gotischer Bau
    aus dem Jahre 1474; so dürfen wir aus einer Zah-
    lenangabe schließen, die sich, links über dem Altar,
    an der Decke des hohen Chores befindet. Sehr wahr-
    scheinlich, daß lange vor 1474 ein romanischer oder
    frühgotischer Bau an ebendieser Stelle stand. Wie
    die Kirche gegenwärtig sich präsentiert, überrascht
    sie – nach Art aller ähnlichen Bauten, die wir in klei-
    nen märkischen Städten finden – durch ihre ver-
    gleichsweise Bedeutung. Es geziemt sich, der Phrase vom »finsteren Mittelalter« gegenüber, dies immer
    wieder hervorzuheben. Während wir jetzt beispiels-
    weise Berliner Gemeinden von 40 000 Seelen haben,
    die's nur mühevoll zu einer Kapelle bringen, schufen
    damals allerkleinste Städte Kirchen wie diese , Kirchen, die uns auch heute noch, aller Verstümmelun-
    gen und Beraubungen unerachtet durch ein gewisses
    Maß von Schönheit und Reichtum imponieren. Kir-
    chen bauen und Kirchen schmücken lag eben in der
    Zeit, und auch unsre Peter-Pauls-Kirche zu Wuster-
    hausen durfte Nutzen aus der allgemeinen Stimmung
    ziehen. Freilich, wie schon angedeutet, sind nur Res-
    te früheren Glanzes auf uns gekommen. Statt an
    zwölf Altären (von denen noch die Namen existieren)
    wird nur noch an einem gebetet, die Holzskulpturen
    sind zerstört, die Grabsteine zu Türschwellen gewor-
    den; der hohe Turm ist niedergebrannt und eine ein-
    fache Ziegelkappe wächst nur wenig über das Kir-
    chendach hinaus. Aber wie kümmerlich diese Rudera
    sein mögen, sie sind ausreichend, uns erkennen oder
    ahnen zu lassen, was hier einstens war.

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    Die Holzskulpturen . An jeder Seite des hohen Chors befinden sich acht eichenholzgeschnitzte Chorstühle,
    die früher, ganz ersichtlich, ebenso viele kleine Bal-
    dachine getragen haben müssen oder aber schmale,
    dicht aneinandergefügte Holzfelder, deren Gesamt-
    heit einen gotischen Schirm herstellte. Dieser gotische Schirm fehlt jetzt bis auf vier Seitenfelder, die
    hüben und drüben die Reihe der Chorstühle flankie-
    ren, und zwar derart, daß der jedesmal zuoberst und
    zuunterst Sitzende seinen Kopf seitwärts an ein solches Holzfeld anlehnen kann. Alle vier Holzfelder sind
    gotisch umrahmt und zeigen in ihrer Mitte bemalte
    Relieffiguren: 1. eine Maria mit dem Christkinde,
    2. einen Bischof, 3. einen Abt und 4. einen Mönch.
    Ob die Bezeichnung unter 2 und 3 richtig ist, stehe
    dahin. Der »Bischof«, oder der, den ich dafür halte,
    trägt ein purpurfarbenes, mit Edelsteinen besetztes
    Gewand; der »Abt« den Schlüssel. Die Figur des
    Letztern ist die weitaus beste und erscheint mir nicht
    ganz ohne Kunstwert. Abt und Mönch interessieren
    auch dadurch, daß beide große, mit Buchklammern
    versehene und in ein eigentümliches Futteral
    gesteckte Meßbücher tragen. Die Lederbekleidung
    dieses Futterals hört nämlich nach oben zu mit dem
    Bucheinbande nicht auf, sondern wächst noch einen
    Fuß hoch über die festen Deckel hinaus. Dadurch ist
    Gelegenheit gegeben, das schwere,

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