Wanderungen durch die Mark Brandenburg
halbiert. Schon Mitte des dreizehnten
Jahrhunderts ging Wusterhausen an die Markgrafen
über, ward also Immediatstadt und blieb es.
Um 1360 trat es plötzlich in Beziehungen zur Hansa,
und wie stark auch die Zweifel sein mögen, die sich
speziell an diese Tradition knüpfen, so entzückt es doch meine Phantasie, mir Wusterhausen zu denken,
wie es mit einem Sechzehntel Anteil am Bug eines
Orlogschiffes steht und dem König Waldemar samt
dem ganzen Norden Gesetze vorschreibt. Fünfzig
Jahre später sehen wir unsere Dosse-Stadt abermals
an der Grenze hoher Politik: »Die Wusterhäusener
verbinden sich nächtlicherweile mit den Quitzows
gegen die Bredows«, aber auch diese Großtat zerrinnt in Nebel, wie der vorerwähnte Anteil am Hansa-
sieg. »Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.« Und dieser
Nebelstreif wird immer dichter und dunkler und ver-
dunkelt sich endlich zu völliger Nacht, aus der es nur
dann und wann aufleuchtet, wenn das mit Regelmä-
ßigkeit wiederkehrende Feuer die Stadt in Asche legt.
1758 brannte »durch unvorsichtiges Tabakrauchen
eines Bürgers« das Rathaus nieder. Aus der ganzen
Reihe dieser Verheerungen blieben nur zwei bauliche
Denkmäler übrig, die noch imstande sind, uns von
dem alten Wusterhausen zu erzählen: die Peter-
Pauls-Kirche inmitten der Stadt und das HeiligeGeist-Hospital am Wildberger Tore. Beiden wenden wir uns in nachstehendem zu.
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Die Peter-Pauls-Kirche
Die Kirche Sankt Petri und Pauli ist ein gotischer Bau
aus dem Jahre 1474; so dürfen wir aus einer Zah-
lenangabe schließen, die sich, links über dem Altar,
an der Decke des hohen Chores befindet. Sehr wahr-
scheinlich, daß lange vor 1474 ein romanischer oder
frühgotischer Bau an ebendieser Stelle stand. Wie
die Kirche gegenwärtig sich präsentiert, überrascht
sie – nach Art aller ähnlichen Bauten, die wir in klei-
nen märkischen Städten finden – durch ihre ver-
gleichsweise Bedeutung. Es geziemt sich, der Phrase vom »finsteren Mittelalter« gegenüber, dies immer
wieder hervorzuheben. Während wir jetzt beispiels-
weise Berliner Gemeinden von 40 000 Seelen haben,
die's nur mühevoll zu einer Kapelle bringen, schufen
damals allerkleinste Städte Kirchen wie diese , Kirchen, die uns auch heute noch, aller Verstümmelun-
gen und Beraubungen unerachtet durch ein gewisses
Maß von Schönheit und Reichtum imponieren. Kir-
chen bauen und Kirchen schmücken lag eben in der
Zeit, und auch unsre Peter-Pauls-Kirche zu Wuster-
hausen durfte Nutzen aus der allgemeinen Stimmung
ziehen. Freilich, wie schon angedeutet, sind nur Res-
te früheren Glanzes auf uns gekommen. Statt an
zwölf Altären (von denen noch die Namen existieren)
wird nur noch an einem gebetet, die Holzskulpturen
sind zerstört, die Grabsteine zu Türschwellen gewor-
den; der hohe Turm ist niedergebrannt und eine ein-
fache Ziegelkappe wächst nur wenig über das Kir-
chendach hinaus. Aber wie kümmerlich diese Rudera
sein mögen, sie sind ausreichend, uns erkennen oder
ahnen zu lassen, was hier einstens war.
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Die Holzskulpturen . An jeder Seite des hohen Chors befinden sich acht eichenholzgeschnitzte Chorstühle,
die früher, ganz ersichtlich, ebenso viele kleine Bal-
dachine getragen haben müssen oder aber schmale,
dicht aneinandergefügte Holzfelder, deren Gesamt-
heit einen gotischen Schirm herstellte. Dieser gotische Schirm fehlt jetzt bis auf vier Seitenfelder, die
hüben und drüben die Reihe der Chorstühle flankie-
ren, und zwar derart, daß der jedesmal zuoberst und
zuunterst Sitzende seinen Kopf seitwärts an ein solches Holzfeld anlehnen kann. Alle vier Holzfelder sind
gotisch umrahmt und zeigen in ihrer Mitte bemalte
Relieffiguren: 1. eine Maria mit dem Christkinde,
2. einen Bischof, 3. einen Abt und 4. einen Mönch.
Ob die Bezeichnung unter 2 und 3 richtig ist, stehe
dahin. Der »Bischof«, oder der, den ich dafür halte,
trägt ein purpurfarbenes, mit Edelsteinen besetztes
Gewand; der »Abt« den Schlüssel. Die Figur des
Letztern ist die weitaus beste und erscheint mir nicht
ganz ohne Kunstwert. Abt und Mönch interessieren
auch dadurch, daß beide große, mit Buchklammern
versehene und in ein eigentümliches Futteral
gesteckte Meßbücher tragen. Die Lederbekleidung
dieses Futterals hört nämlich nach oben zu mit dem
Bucheinbande nicht auf, sondern wächst noch einen
Fuß hoch über die festen Deckel hinaus. Dadurch ist
Gelegenheit gegeben, das schwere,
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