Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ziemlich unhand-
liche Meßbuch bequem zu tragen, indem man es rei-
setaschenartig an diesem Lederüberschuß festhält.
Ich habe geglaubt, dies so ausführlich beschreiben
zu sollen, weil ich weder hierzulande noch sonstwo
einer derartigen Einbandform, die Futteral und Trag-
beutel zugleich ist, begegnet bin.
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Bilder . Die Wusterhausener Kirche weist auch viele Bilder auf. Einundzwanzig davon bedecken die quad-ratischen Felder der Empore, die sich an der Nordsei-
te der Kirche hinzieht, und stellen, nach Art der
»Stationen«, aber über diese hinausgehend, die Lei-
densgeschichte Christi dar, vom Abendmahl und dem
Gebet am Ölberge bis zur Himmelfahrt und dem
Jüngsten Gericht. Diese einundzwanzig Bilder, wenn
ich recht gesehen habe, rühren nicht von derselben
Hand her, obschon sie derselben Zeit zu entstammen
scheinen. Das Jahr 1575, wie aus verschiedenen In-
schriften hervorgeht, ist ein großes Restaurationsjahr
für die wusterhausensche Kirche gewesen, und in
ebendiese Zeit möcht ich auch diese Bilder setzen.
Lucas Cranachsche Schule, der wir ja überall in den
Marken begegnen. Einige, namentlich die sechs oder
acht Blätter, die die eigentliche Leidensgeschichte
darstellen, sind außerordentlich gut konserviert,
frisch im Kolorit und nicht ganz ohne Wert. – Dage-
gen sind die dem siebzehnten Jahrhundert entstam-
menden Pastorenportraits in der Taufkapelle völlig
bedeutungslos.1)
Zwei alte Kelche und eine noch viel ältere Patene befinden sich in der Sakristei. Die beiden Kelche sind
aus der Renaissancezeit; der größere, minder schöne
trägt die Jahreszahl 1609, der etwas kleinere gehört
wahrscheinlich dem schon oben genannten Restaura-
tionsjahre 1575 an. Dieser kleinere Kelch, in der da-
mals üblichen Form, ist sehr schön und mit Medail-
lonportraits reich geschmückt. Die Patene, noch aus
der gotischen Zeit, geht mindestens bis auf das Er-bauungsjahr der Kirche, 1474, zurück. Christus, von
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zwei Engeln umschwebt thront als Weltrichter; zur
Rechten seines Hauptes ein Kreuz, links ein Schwert;
vor dem Munde des Heilands aber berühren sie sich,
und zwar so, daß die Spitze des Schwertes die Ver-
längerung des Kreuzes trifft.
Das Heilige-Geist-Hospital am
Wildberger Tore
Die kirchlichen Gebäude Wusterhausens, trotzdem es
während der Mehrzahl seiner Jahrhunderte keine
tausend Einwohner hatte, beschränkten sich nicht
auf »Sankt Peter und Paul«. Da war noch die Kapelle
von Sankt Stephan und außer dieser das Gertruden-,
das Georgen- und das Heilige-Geist-Hospital, von
denen jedes wieder ein Kirchlein hatte. Das Heilige-
Geist-Hospital, hart am Wildberger Tor, existiert
noch. Es bietet dadurch ein besonderes Interesse, daß es früher ein Beguinenhaus (deren es ziemlich viele hierzulande gab) gewesen sein soll.
Die Beguinen, wahrscheinlich von Lambert
de Bègues gestiftet und nach ihm benannt, übten
eine Tätigkeit, die wir heut in den Diakonissenanstal-
ten wiederfinden. Ihre Tätigkeit umfaßte neben Er-
ziehung der Jugend (namentlich der Waisen) auch
Armen- und Krankenpflege, später auch Seelsorge.
Die große Liebestätigkeit der Beguinen stellte zuzei-
ten die Klöster völlig in Schatten, weshalb sie von
diesen mit Neid betrachtet und von seiten der Kirche
nicht selten in ihrer Tätigkeit behindert wurden. Die
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Päpste standen verschieden zu ihnen. Unter den
Machthabern waren Karl V. und Louis XIV. sehr für
sie eingenommen; Joseph II., bei Aufhebung der
Klöster, ließ sie fortbestehen. Im allgemeinen ist ihre Tätigkeit dieselbe geblieben; andererseits sind viele
Beguinenhöfe aus Liebesanstalten zu Nutz und
Frommen anderer in bloße Versorgungsanstalten für ältere Frauen umgewandelt worden. Holland und
Belgien waren immer der Hauptschauplatz ihrer Tä-
tigkeit; berühmt bis diesen Tag ist der Beguinenhof
in Gent. Einige finden sich in Nordfrankreich; bei uns
in Bremen.
Unser Wusterhauser Beguinenhaus, das bereits
um 1307, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung,
genannt wird, ist jedenfalls jenen vorerwähnten Be-
guinenhöfen zuzurechnen, die zu nicht näher anzu-
gebender Zeit aus Liebesanstalten zu bloßen Versor-
gungsanstalten wurden. Mit anderen Worten: unser
Beguinenhaus wurd ein Spittel . Das ist es noch. Es reizte mich, diese wenigstens ehedem halbklösterliche Stiftung kennenzulernen.
Das Gebäude (ein Eckhaus) präsentiert sich an sei-
nen beiden Vorderfronten als ein
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