Wanderungen durch die Mark Brandenburg
mein Degen,
meine Schreibtafel und Schärpe. Ich bat Malwing, die
letztere anzunehmen, was er indessen entschieden
ablehnte. Er sagte nur, ›ich solle sie verbergen‹, ein
Rat, dem ich leider nicht folgte. Meine Börse mit et-
wa elf Dukaten nahm er. Ich besaß außerdem noch
eine auf den General Möllendorf geprägte Medaille
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und eine kleine Schaumünze, ein Geschenk meines
seligen Onkels; ich erzählte ihm, was es mit beiden
für eine Bewandtnis habe, worauf er sie mir ließ.
Meine Uhr war bei der Bagage. Jetzt nahm mir der
Alte Wort und Handschlag ab, daß ich mich als sein
Gefangener benehmen wolle, führte mich dann nach
einer nahe gelegenen Bauernhütte und sorgte für ein
Abendbrot, wie es die Umstände gestatteten. Darauf
legte er sich neben mich schlafen. Mit uns war eine
Rotte von Volontairs, unsaubere, ekelhafte Kerle. Ich
hoffte aber sicher am andern Tage ausgewechselt zu
werden, und so stählte mich diese Hoffnung gegen
die Widrigkeit alles dessen, was mich umgab. Ich
schlief ein.
Den 29. November 1793 . Morgens mit dem Tage
kam mein alter Malwing. Ich war froh, ihn wiederzu-
sehen, stand auf und ging mit ihm, wohin er wollte.
Er führte mich nach dem etwa eine halbe Stunde
entfernten Hauptquartier, wobei wir an Truppenteilen
vorüberkamen, die sich schon zu ihrem nahen Tage-
werk versammelt hatten. Dieser Gang war eine Art
Spießrutenlaufen, doch waren die Bemerkungen, die
fielen, mehr beißender Spott und launiger Scherz als
pöbelhafte Worte und grobe Beschimpfungen. Sie
frugen mich, ob ich etwas an meine Geliebte zu
bestellen hätte, sagten, ich hätte viel Republikani-
sches, offerierten mir eine Prise Contenance und
dergleichen mehr. Endlich langten wir im Hauptquar-
tier an. Hier waren drei Generale, ebenso viele Rep-räsentanten und einige andere Offiziere in eine Stube einquartiert. Malwing stellte mich den Generälen vor
und verließ das Zimmer. Generale und Packknechte,
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Fleischer und Repräsentanten saßen (gewiß ihrer
dreizehn an der Zahl) um einen großen Kumpen Reis
mit Hühnern und frühstückten. Man war allgemein
äußerst artig gegen mich und forderte mich auf, mit
zu frühstücken. Eine kleine Weile hatte ich es mir gut
schmecken lassen, als sich jemand neben mich hin-
stellte, der dem Anscheine nach ebenso hungrig war
als ich. Er hatte keinen Löffel, ich bot ihm also mei-
nen an, in der Hoffnung, daß ich ihn zurückerhalten
würde. Das war aber irrig. Die Gesellschaft hatte
nicht Löffel genug, und gingen diese deshalb auf eine
Art Pränumeration aus einer Hand in die andre. An
mich kam kein Löffel wieder. Nach dem Frühstück
ging alles auf seinen bestimmten Posten zur
Schlacht; vorher indessen gaben mir die Generäle
noch die Versicherung, sie wollten an diesem Nach-
mittag noch dem Herzoge von Braunschweig meine
Auswechselung vorschlagen. Sie würden zu diesem
Behufe das Nähere mit mir in Kaiserslautern, allwo
sie ihr Hauptquartier zu nehmen gedächten, verab-
reden. Bis dahin möcht ich mir die Zeit nicht lang
werden lassen. Diese ganze Unterhaltung und be-
sonders der Punkt, ›in Kaiserslautern Hauptquartier
nehmen zu wollen‹, war in so festem, zuversichtli-
chen Tone gesprochen worden, daß ich jeden Glau-
ben an das gute Glück der Preußen für diesen Tag aufgab. Ich blieb noch ein Weilchen allein, ward aber
dann von einem Gensdarmen abgeholt und auf die
Wache gebracht.
Das Wachthaus lag so, daß ich einen großen Teil des
Schlachtfeldes übersehen konnte. Nicht mit den an-
genehmsten Empfindungen. Ich wußte, daß unsere
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Armee, besonders durch Krankheiten geschwächt
selbst unter Hinzurechnung der Sachsen kaum gegen
60 000 Mann ausmachte; wenn ich nun hörte, daß
die Franzosen nach Vereinigung ihrer Rhein-, Maas-
und Moselarmee 150 000 Mann stark seien, wenn ich
sie, so unmittelbar vor mir, alle Felder und Wiesen
weit umher bedecken sah, so stand meine Hoffnung
niedrig, und ich vergaß bei diesem Anblick alle meine
eigne Not. Nachmittag brachte man einige Gefange-
ne ein, erst einen Junker von Schulz vom Dragoner-
regiment Sachsen-Kurland, dann auch Capitain Wil-
helmy von demselben Regiment. Auch einige Mann-
schaften. Wilhelmy sollte später, wie mein Unglücks-
gefährte, so auch mein Freund werden. Wir hatten
bereits eine Weile miteinander gesprochen, ich mei-
nerseits ihm schon diese und jene kleine Aufmerk-
samkeit erwiesen, und er hielt mich immer noch
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