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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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mein Degen,
    meine Schreibtafel und Schärpe. Ich bat Malwing, die
    letztere anzunehmen, was er indessen entschieden
    ablehnte. Er sagte nur, ›ich solle sie verbergen‹, ein
    Rat, dem ich leider nicht folgte. Meine Börse mit et-
    wa elf Dukaten nahm er. Ich besaß außerdem noch
    eine auf den General Möllendorf geprägte Medaille

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    und eine kleine Schaumünze, ein Geschenk meines
    seligen Onkels; ich erzählte ihm, was es mit beiden
    für eine Bewandtnis habe, worauf er sie mir ließ.
    Meine Uhr war bei der Bagage. Jetzt nahm mir der
    Alte Wort und Handschlag ab, daß ich mich als sein
    Gefangener benehmen wolle, führte mich dann nach
    einer nahe gelegenen Bauernhütte und sorgte für ein
    Abendbrot, wie es die Umstände gestatteten. Darauf
    legte er sich neben mich schlafen. Mit uns war eine
    Rotte von Volontairs, unsaubere, ekelhafte Kerle. Ich
    hoffte aber sicher am andern Tage ausgewechselt zu
    werden, und so stählte mich diese Hoffnung gegen
    die Widrigkeit alles dessen, was mich umgab. Ich
    schlief ein.
    Den 29. November 1793 . Morgens mit dem Tage
    kam mein alter Malwing. Ich war froh, ihn wiederzu-
    sehen, stand auf und ging mit ihm, wohin er wollte.
    Er führte mich nach dem etwa eine halbe Stunde
    entfernten Hauptquartier, wobei wir an Truppenteilen
    vorüberkamen, die sich schon zu ihrem nahen Tage-
    werk versammelt hatten. Dieser Gang war eine Art
    Spießrutenlaufen, doch waren die Bemerkungen, die
    fielen, mehr beißender Spott und launiger Scherz als
    pöbelhafte Worte und grobe Beschimpfungen. Sie
    frugen mich, ob ich etwas an meine Geliebte zu
    bestellen hätte, sagten, ich hätte viel Republikani-
    sches, offerierten mir eine Prise Contenance und
    dergleichen mehr. Endlich langten wir im Hauptquar-
    tier an. Hier waren drei Generale, ebenso viele Rep-räsentanten und einige andere Offiziere in eine Stube einquartiert. Malwing stellte mich den Generälen vor
    und verließ das Zimmer. Generale und Packknechte,

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    Fleischer und Repräsentanten saßen (gewiß ihrer
    dreizehn an der Zahl) um einen großen Kumpen Reis
    mit Hühnern und frühstückten. Man war allgemein
    äußerst artig gegen mich und forderte mich auf, mit
    zu frühstücken. Eine kleine Weile hatte ich es mir gut
    schmecken lassen, als sich jemand neben mich hin-
    stellte, der dem Anscheine nach ebenso hungrig war
    als ich. Er hatte keinen Löffel, ich bot ihm also mei-
    nen an, in der Hoffnung, daß ich ihn zurückerhalten
    würde. Das war aber irrig. Die Gesellschaft hatte
    nicht Löffel genug, und gingen diese deshalb auf eine
    Art Pränumeration aus einer Hand in die andre. An
    mich kam kein Löffel wieder. Nach dem Frühstück
    ging alles auf seinen bestimmten Posten zur
    Schlacht; vorher indessen gaben mir die Generäle
    noch die Versicherung, sie wollten an diesem Nach-
    mittag noch dem Herzoge von Braunschweig meine
    Auswechselung vorschlagen. Sie würden zu diesem
    Behufe das Nähere mit mir in Kaiserslautern, allwo
    sie ihr Hauptquartier zu nehmen gedächten, verab-
    reden. Bis dahin möcht ich mir die Zeit nicht lang
    werden lassen. Diese ganze Unterhaltung und be-
    sonders der Punkt, ›in Kaiserslautern Hauptquartier
    nehmen zu wollen‹, war in so festem, zuversichtli-
    chen Tone gesprochen worden, daß ich jeden Glau-
    ben an das gute Glück der Preußen für diesen Tag aufgab. Ich blieb noch ein Weilchen allein, ward aber
    dann von einem Gensdarmen abgeholt und auf die
    Wache gebracht.
    Das Wachthaus lag so, daß ich einen großen Teil des
    Schlachtfeldes übersehen konnte. Nicht mit den an-
    genehmsten Empfindungen. Ich wußte, daß unsere

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    Armee, besonders durch Krankheiten geschwächt
    selbst unter Hinzurechnung der Sachsen kaum gegen
    60 000 Mann ausmachte; wenn ich nun hörte, daß
    die Franzosen nach Vereinigung ihrer Rhein-, Maas-
    und Moselarmee 150 000 Mann stark seien, wenn ich
    sie, so unmittelbar vor mir, alle Felder und Wiesen
    weit umher bedecken sah, so stand meine Hoffnung
    niedrig, und ich vergaß bei diesem Anblick alle meine
    eigne Not. Nachmittag brachte man einige Gefange-
    ne ein, erst einen Junker von Schulz vom Dragoner-
    regiment Sachsen-Kurland, dann auch Capitain Wil-
    helmy von demselben Regiment. Auch einige Mann-
    schaften. Wilhelmy sollte später, wie mein Unglücks-
    gefährte, so auch mein Freund werden. Wir hatten
    bereits eine Weile miteinander gesprochen, ich mei-
    nerseits ihm schon diese und jene kleine Aufmerk-
    samkeit erwiesen, und er hielt mich immer noch

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