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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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abführen. Doch kam es nicht soweit;
    einige andere bedeuteten ihm seinen Unsinn und
    drängten ihn weg.
    Nach einer halben Stunde führte man uns auf die
    Hauptwache. Hier wiederholten sich die Szenen vom
    Marktplatz, aber schon nach kürzester Frist wurden
    wir weitergeschleppt, und zwar in das Gefängnis der
    Stadt; wir drei Offiziere kamen in die Armesünder-
    stube. Wohl allenthalben sind sich diese Lokalitäten
    so ziemlich ähnlich. Das erste, was mir ins Auge fiel,
    war eine mit Kohle an die Wand geschriebene Zeile:
    ›Der nächste Gang von hier geht zum Galgen.‹ Nun
    durften wir zwar annehmen, diesen Gang nicht tun zu dürfen, nichtsdestoweniger wirkte diese Zeile sehr
    unangenehm auf meine Empfindung und stand mir
    immer vor Augen. Sie war eine häßliche und bestän-
    dige Mahnung an das höchst Kritische unserer Lage.
    Der Gefangenwärter frug, ›ob wir Geld hätten, um
    uns durch seine Vermittelung Lebensmittel kaufen zu
    können‹, eine Frage, die wir leider verneinen muß-
    ten. Er schüttelte den Kopf, setzte einen Krug mit
    Wasser hin und wies auf einen andern, größern Kü-
    bel; zugleich versprach er, Brot und Streustroh zu
    bringen. Wir waren wie versteinert; doch kam ich mit
    Hülfe eines listigen Schurken von Gensdarmen, de-
    ren zwei bei uns geblieben waren, bald zu mir selbst.

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    Freilich nicht auf angenehme Weise. Der Gensdarm
    redete mich an: ›Monsieur, il y a bien long temps
    que je désire à avoir un souvenir d'un officier prus-
    sien. Vous avez là quelque chose, dont vous ne pou-
    vez plus faire usage: votre escarpe ; en faite moi présent.‹ Ich band meine Schärpe ab, erinnerte
    mich, leider zu spät, der guten Lehren des alten
    Malwing, schwieg und gab dem Buben, was er spot-
    tend von mir erbat. Zugleich mein Letztes. Mit ironi-
    scher Höflichkeit bedankte er sich und schritt unter
    vielen Kratzfüßen zur Tür hinaus. Sein Spießgesell
    hatte es mit Gottschling ebenso gemacht.
    Der Gefangenwärter erschien nun wieder, brachte
    Streustroh und Leuchtung, fragte nochmals, ›ob wir
    wirklich kein Geld hätten‹, und bedauerte uns herzlich, als wir ihm unser Nein wiederholten. Der gute,
    christliche Deutsche beklagte uns sehr und schien in
    Mitleiden für uns aufzugehen; nichtsdestoweniger
    vergaß er, uns unser Deputat Brot für den Nachmit-
    tag und Abend zu geben. Nur ein Weilchen noch
    blieb er, um uns Trost und Mut einzusprechen,
    wünschte uns dann eine wohlzuruhende Nacht und –
    ging. Das letzte, was er uns hören ließ, war das Ras-
    seln und Klirren der Schlösser und Riegel.
    Nun waren wir mit uns und unserm Elend allein. Mein
    alter Wilhelmy erlag fast seinem Schicksal: er
    schwankte zur Streu und wünschte sich laut die ewi-
    ge Ruhe. Gottschling litt heftige Schmerzen, legte
    sich auch und hoffte Linderung vom Schlaf. Ich folgte
    seinem Beispiel. Ein paar Stunden mocht ich ge-
    schlafen haben, als Wilhelmy mich weckte; ihm

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    brannten Kopf und Körper, Gottschling erwachte e-
    benfalls im heftigsten Wundfieber. Beide lechzten
    nach Wasser und – Gott! der Krug war leer, ebenso
    der Kübel. Ich lief in der Stube umher, rief und
    schrie nach Hülfe; umsonst, unser Kerker war zu
    abgelegen, als daß irgendwer hören konnte. Ich stieß
    gegen die Tür, in der Hoffnung, sie zu sprengen, a-
    ber Schloß und Riegel waren zu fest. Hinweg, selbst
    von der bloßen Erinnerung an diese Unglücksnacht.
    Den 2. Dezember 1793 . Morgens, vielleicht acht Uhr, saß ich an dem Lager meiner beiden Gefährten, vertieft und verloren in unser trübes Geschick. Wilhelmy
    und Gottschling, trotz Fieber und Durst, waren eben
    wieder eingeschlafen, als plötzlich die Tür aufging
    und einige junge Frauenzimmer, deren Bekannt-
    schaft Gottschling vor acht oder zehn Tagen gemacht
    hatte, mit Kaffee und Semmel bei uns eintraten. Die-
    se gutmütigen Magdalenen, die vielleicht durch den
    Gefängniswärter von ihm gehört haben mochten,
    hatten sich mit Mühe und Schwierigkeiten einen Weg
    zu uns gebahnt und leisteten nun soviel Hülfe, wie in
    ihren Kräften stand. Auch einen Stadtwundarzt
    brachten sie mit, um Gottschlings Wunden zu ver-
    binden. Ich weckte nun meine beiden Kranken ju-
    belnd auf, und beide labten und erquickten sich an
    dem Frühstück, das ihnen geboten wurde. Unsere
    barmherzigen Samariterinnen standen uns gegen-
    über und freuten sich herzlich, daß uns ihre Gabe so
    vortrefflich mundete; ebenso herzlich war unser
    Dank. Während des Frühstücks fand sich

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