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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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erlag ihm.
    Zwei Jahre später (das kaufmännische Geschäft war
    inzwischen an den Sohn des Herrn von Poincy über-
    gegangen) kehrte der ältere de Poincy mit seiner
    Familie: Frau, Tochter und Enkelin, nach Europa zu-

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    rück. Die Enkelin war das einzige Kind Moritz von
    Rohrs. Man kaufte sich in Frankreich an, und 1854
    waren Frau von Poincy, die Schwiegermutter, und
    Urania von Rohr, geborne von Poincy, in Trieplatz auf
    Besuch; sie mochten Parallelen ziehen zwischen ihrer
    Hazienda daheim und dem alten Hofe des »Haupt-
    manns von Kapernaum«. Vieles fehlte; aber aller-
    dings auch die Sumpfluft, die so frühe schon die
    schöne Frau zur Witwe gemacht hatte. Denn die
    Dosse ist gesund.
    Die Tochter Moritz von Rohrs war nicht mit bei diesem Besuche, war vielmehr in einer französischen
    Klosterschule zurückgeblieben. Erst sechzehn Jahre
    später lernte sie die Kompatrioten ihres Vaters ken-
    nen, als diese, während des siebziger Krieges, vor
    dem Kloster Abbaye-aux-Bois ihr Lager aufschlugen.
    In diesem Kloster stand das junge Fräulein von Rohr
    damals als Novize. Längst seitdem hat sie den
    Schleier genommen, die Großeltern sind tot, und nur
    die Mutter lebt noch in Paris.
    Ein Portrait, das inmitten der Familienbilder in
    Trieplatz hängt, mahnt an die nahen Beziehungen
    des Hauses Rohr zum Hause de Poincy. Der weiße
    Teint, das schwarze Haar, die leuchtenden Augen –
    sie geben das typische Bild der schönen Kreolin.
    An Sommertagen, wenn der Akazienbaum seine
    Zweige bis dicht vor das Fenster streckt, ist es, als
    spielten seine Blätterschatten mit Vorliebe um dieses Bild.

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    Und es ist dann wie ein Nicken und Grüßen Jacque-
    linens an Urania von Poincy.

    Tramnitz

    Beneath those rugged elms,
    Where heaves the turf in many a mouldring heap,
    The rude forefathers of the hamlet sleep.
    Thomas Gray

    Eine halbe Meile nördlich von Trieplatz liegt Tram-
    nitz, ebenfalls ein alt-Rohrsches Gut. Der Weg dahin
    hat denselben Einsamkeitscharakter wie die zu Be-
    ginn des vorigen Kapitels von mir geschilderte Land-
    schaft. Die Dosse-Ufer sind eben von einer ganz be-
    sonderen Tristheit, wenigstens soweit der obere Lauf
    des Flusses in Betracht kommt. All diese Strecken
    veranschaulichen in der Tat jenes märkische Land-
    schaftsbild, das im allgemeinen weniger in der Wirk-
    lichkeit als in der Vorstellung der Mittel- und Süd-
    deutschen existiert.
    Dorf Tramnitz wirkt wie ein Kind des Bodens, auf
    dem es gewachsen. Es weckt ein Herbstgefühl. Und
    auch die Stelle, wo das Herrenhaus gelegen ist, än-
    dert nichts an diesem Eindruck. Vielleicht wär es an-
    ders, wenn nicht der weiße, ziemlich weitschichtige

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    Bau, vor dem ein paar mächtige Linden aufragen,
    eine wahre Mausoleumseinsamkeit um sich her hät-
    te. Hat sich doch, seit dem Tode des Vorbesitzers,
    aus dem jetzt leerstehenden Herrenhause das Leben
    in ein abseits gelegenes einfaches Fachwerkhaus
    zurückgezogen, an dessen Schwelle wir von einer
    freundlichen alten Dame begrüßt und an einen mit
    Meißner Tassen besetzten Kaffeetisch geführt wer-
    den.
    Die freundliche alte Dame ist »Tante Wilhelmine«.
    Sie verwaltet, neben andrem, auch den Anekdoten-
    schatz des Hauses, und der Kaffee, von dem wir e-
    ben wohlgefällig nippen, wohin könnt er den Gang
    der Unterhaltung natürlicher hinüberleiten als zur
    Geschichte von »Tante Fiekchen«.
    Ebendiese, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts
    auf Tramnitz lebte, war um 1733, als Kronprinz
    Friedrich in Ruppin stand, eine hochbetagte Dame,
    die des Vorrechtes genoß, allen derb die Wahrheit
    sagen zu dürfen, am meisten den jungen Offizieren
    des Regiments Prinz Ferdinand, wenn diese zum Be-
    suche herüberkamen. Einstmals kam auch der Kron-
    prinz mit. Er ward inkognito eingeführt, und da ihm
    »Tante Fiekchens« Kaffee, der wenig Aroma, aber
    desto mehr Bodensatz hatte, nicht wohl schmecken
    wollte, so goß er ihn heimlich aus dem Fenster. Aber
    Tante Fiekchen wäre nicht sie selber gewesen, wenn
    sie's nicht auf der Stelle hätte merken sollen. Sie
    schalt denn auch heftig, und als sie schließlich hörte, wer eigentlich der Gescholtene sei, wurde sie nur
    noch empörter und rief: »Ah, so. Na, denn um so

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    schlimmer. Wer Land und Leute regieren will, darf
    keinen Kaffee aus dem Fenster gießen. Sein Herr
    Vater wird wohl recht gehabt haben! « Übrigens wurden sie später die besten Freunde, schrieben sich,
    und wenn der König irgendeinen alten Bekannten
    aus dem

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