Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Ruppinschen sah, unterließ er nie, sich nach
Tante Fiekchen zu erkundigen.
Das Tramnitzer Haus umschließt manche alte Erzäh-
lung, manche anekdotische Überlieferung.
Unter den Familienbildern, die dichtgedrängt an den
Wänden hängen, ist eines, das aus den sechziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt und der
Tradition nach von Philipp Hackert herrührt. Es heißt:
ausnahmsweise (was auch zutreffen würde) hab er hier ein Portrait gemalt. Das Bild stellt ein Fräulein
von Rohr als junges, kaum erwachsenes Mädchen in
dem Rokokokostüm jener Tage dar. Hackert soll sie geliebt haben. Wer will es heute noch feststellen!
Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt übrigens eine
Verwechselung der beiden Brüder Philipp und Wil-
helm Hackert vor. Philipp, der weitaus berühmtere,
war Landschafter, Wilhelm Portraitmaler. Woraus
sich auch das Vorhandensein eines Hackertschen
Portraits an diesem Ort, aber von dem unberühmteren Bruder herrührend, am einfachsten erklären
würde.
Der interessanteste Punkt, den Tramnitz aufzuweisen
hat, ist der »alte Kirchhof«. Er liegt mitten im Dorfe, von der sich hier teilenden Straße rechts und links
umfaßt und macht außen und innen den Eindruck
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eines verwilderten Parks. Eichen, Linden, Akazien
wachsen hoch auf, dazwischen Fliederbüsche, halb
Strauchwerk, halb Unterholz, alles umschlungen und
durchdrungen von Blumen und Unkraut, von Efeu
und Hagebuttengestrüpp. Eine vollkommene Wildnis.
Die Stelle, wo die alte Kirche stand, ist kaum noch
wahrzunehmen, seitdem Moos und Farnkräuter über
die Fundamente hinweggewachsen sind. Nur zwei
Denkmäler, freilich auch sie halb versteckt, mahnen noch daran, daß hier einst begraben wurde. Das eine
– ein Obelisk , der »dem teuren Andenken der besten Gattin und Tochter, Frau Margarete von Rohr, gebornen Freiin zu Putlitz«, errichtet wurde – trägt folgen-
de Inschrift:
Sie ließ der Welt vergänglich Glück,
Ließ Schmerz und Elend hier zurück,
Drang, ewig frei von aller Not,
Ins Freudenleben durch den Tod.
Wann einst von uns, in Gott vereint,
Der letzte auch hat ausgeweint,
Dann wird ein frohes Wiedersehn
Auf ewig unser Glück erhöhn.
Das andere Denkmal, um zehn Jahre älter, stellt den
bekannten trauernden Knaben dar, der sich an eine
Aschenurne lehnt. »Kindliche Ehrfurcht widmet dies
Andenken.« Einer Inschrift am Sockel entnehmen
wir, wem und wann es errichtet wurde: Hans Alb-
recht Friedrich von Rohr, königlich preußischer O-
berst, geboren den 3. August 1703, gestorben den
6. Dezember 1784.
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Dieser Hans Albrecht Friedrich von B. stand in Mag-
deburg, machte sämtliche Campagnen unter Fried-
rich II. mit und nahm 1760 den Abschied. Während
seiner Garnisontage zu Magdeburg, unmittelbar vor
Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, trat er – so-
weit die Verhältnisse dies gestatteten – in Beziehun-
gen zum Freiherrn von der Trenck, der ihm eine in
seiner Gefangenschaft selbst gefertigte Tabaksdose
von Kokosnuß und Perlmutter zum Geschenk mach-
te. Die Seitenwände zeigen Cupido mit Pfeil und Kö-
cher, der nach einem Herzen schießt, dazu die Um-
schrift:
Du hast mich nicht getroffen,
Was hat mein Herz von dir zu hoffen?
(Etwas dunkel.) Oben auf dem Deckel ein Adler, der
mit der Klaue das Rohrsche Wappen hält. All dies
hatte Trenck mit einem eisernen Nagel gearbeitet,
da er kein Handwerkszeug besaß. – Die Dose exis-
tiert noch im Herrenhause zu Tramnitz.
Der »alte Kirchhof«, umspielt von Kindern, über-
wachsen von Gesträuch, ist, wie schon angedeutet,
das Poetischste, was Tramnitz aufzuweisen hat. Der
neue Friedhof, draußen am Rande des Dorfes, reicht an diesen alten nicht heran, und auch die hart
daneben gelegene »neue Kirche« kann poetisch nicht retten und helfen. Hat sie doch selber keinen Überschuß davon. Sie stammt aus der »armen Zeit«, will
sagen aus den zwischen 1806 und 1815 liegenden
Jahren (auch die Jahre, die folgten, waren nicht viel
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besser), und gleicht einer Fachwerkscheune, der
man ein halbes Dutzend Fenster gegeben hat. Viel-
leicht, daß ich gar nicht dazu gekommen wäre, sie zu
sehn, wenn ich nicht in Erfahrung gebracht hätte,
daß hier, hinterm Altar, eine Fahne aufbewahrt wür-
de, die von irgendeinem Tramnitzer Rohr entweder
den Schweden bei Fehrbellin oder den Österreichern
bei Hohenfriedberg abgenommen worden sei. Und
wirklich, da war sie, hinterm Altar, alles wie erzählt.
Ich rollte denn
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