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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ver-
    wenden als seine Bildseite, weshalb Bild und Inschrift
    nach unten kamen. Und so wurden sie gerettet.
    Neuerdings aus dem Mittelgange, wo sie lagen, wie-

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    der aufgenommen, hat man sie nördlich in die Kir-
    chenwand eingemauert. Es sind zwei Bellins, Vater
    und Sohn. Der Grabstein des Vaters zeigt ein gutes
    Ritterbild mit vier Wappen in den Ecken und folgende
    Inschrift: »Anno 1582, den Tag Mariä Lichtmeß, ist
    der edle, gestrenge, ehrenfeste Hermann Bellin, Erb-
    seß XV. Markow, in Gott seliglich entschlafen, wel-
    cher Seele Gott gnädig sei.« – Der Grabstein des
    Sohnes, auch Hermann Bellin, ist klein und von ge-
    ringerem Interesse.
    Neben diesen Epitaphien der Bellins, Vater und Sohn,
    erhebt sich noch ein dritter, um 150 Jahre jüngerer
    Grabstein, und zwar der des Inspektors oder Superintendenten Ernst Germershausen, eines Mannes von
    einer gewissen städtischen und (weil typisch) auch
    kulturhistorischen Bedeutung, weshalb wir hier ein-
    gehender bei ihm verweilen.

    Ernst Germershausen
    folgte 1704 seinem Vorgänger Andreas Seehausen
    im Amt und verwaltete es achtundzwanzig Jahre. In
    die Zeit seiner geistlichen Oberherrschaft fällt das
    große Feuer von 1711, das 300 Häuser und in ihrem
    Innern auch die Kirche zerstörte. Mit dem Magistrate
    lag er in beständiger Fehde, was auf den Wiederauf-
    bau der Kirche nachteilig wirkte. Die Stadtbehörde
    verweigerte beispielsweise die Lieferung von Holz,
    infolgedessen die Kirche drei Jahre lang ohne Dach
    blieb. Beiläufig eine Strafe, die diejenigen, die sie

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    verfügten, mit traf, wenn sie nicht vielleicht »aus
    Rache« auch die Predigt versäumten. In der Magist-
    ratsregistratur ist noch ein starkes Aktenbündel vor-
    handen, das Kunde gibt von der gegenseitigen Erbit-
    tertheit.
    Aus Predigten, die G. hinterlassen, erkennt man ihn
    als einen sehr eigenartigen Herrn. So findet sich in
    einem Leichensermon aus dem Jahre 1728 folgende
    sonderbare Bemerkung über Ebbe und Flut: »Die
    Lästerer der Religion geben vor, Moses habe die Ju-
    den bloß aus Hochmut und Ehrgeiz durchs Rote Meer
    in die Wüste geführt, um über sie zu herrschen, und
    habe des Meeres Ab- und Zufluß verstanden . Allein, solche Spötter haben keinen Begriff von der See-fahrt, da den geringsten Schiffsleuten bekannt ist,
    daß Ebbe und Flut in der Welt nirgend existiert als in der Nordsee, am heftigsten in Schottland, weshalb
    man meint, daß dort der Schlund sei, wo das Meer,
    als wenn es Othem holete, das Wasser gleichsam
    verschlucke und wieder von sich stoße, da, je weiter
    von Schottland, diese Ebbe und Flut desto weniger
    zu spüren.«
    Er konnt aber auch besser sprechen. So beispiels-
    weis in einer andern Leichenrede, die er im selben
    Jahre hielt. Sie begann: »Am 6. Mai 1728 starb in
    seinem vierundachtzigsten Jahre der vorachtbare
    und wohlvornehme Herr Daniel Grieben senior. Er
    trat dreimal in den Stand der heiligen Ehe und hin-
    terläßt sechzehn Kinder, sechsundfünfzig Enkel und
    acht Urenkel. Sein Leben und Wandel betreffend, so
    hat er sich als einen christlichen und gottseligen

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    Bürger wohl aufgeführet, Gottesdienste, selbst in der
    Wochen, nie versäumet und mit gebührender An-
    dacht das heilige Abendmahl fleißig gebrauchet; sei-
    ne Kinder und Gesinde zur Gottesfurcht gehalten und
    wohl erzogen, daß auch, Gott sei Dank, unter solcher
    starken Zahl kein Ungeratenes vorhanden. Er gab
    einen guten Haushalter ab; gegen den Nächsten war
    er mitleidig, so daß er in der Not mit Geld und Ge-
    treide jedermann ohne jeden Eigennutz gern gedie-
    net. Und da ihn Gott im Zeitlichen reichlich gesegnet,
    hat er sich durch solches weder zu Stolz und Hoffart
    noch zu Verschwendung bewegen lassen, sondern ist
    nach wie vor in Gottesfurcht Demut und Fleiß
    verblieben. Viel Menschen hat er mit Vormundschaft
    und Zurechtweisung ihres Vermögens gedienet und
    seine Leibes- und Gemütskräfte Gott zu Ehren und
    dem Nächsten zu Nutz wohl angewendet.«
    Das sind Kernworte, die auch den ehren, der sie sprach. Seine beständigen Streitigkeiten mit der
    Stadtbehörde beweisen nicht allzuviel gegen ihn. Sie scheinen (wenn sie überhaupt dazu angetan sind,
    einen Schatten auf seinen Charakter zu werfen) le-
    diglich in einem hochgespannten Selbstbewußtsein
    ihren Grund gehabt zu haben. Und zu diesem
    Selbstbewußtsein war er in dem damaligen Gransee
    vielleicht berechtigt. Er war gelehrt und charakter-
    voll, in Welt und Büchern gleich erfahren und

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