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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ganzen Flä-
    chen, so daß tapetenartige Wirkungen erzielt wer-
    den, ähnlich denen an modernen Berliner Bauten, wo
    man mit Stein, als ob es sich um eine Tapisseriear-
    beit handle, Muster und Figuren herzustellen be-
    ginnt.
    Die Marienkirche hat zwei Türme, die des Vorzugs genießen, beide fertig zu sein, und sich nur dadurch 766
    unterscheiden, daß die Spitze des einen völlig mas-
    siv , die des andern als eine bloße Holzkonstruktion in die Höhe steigt. Als Grund für diese Verschiedenheit
    wird diplomatische Rücksicht angegeben, und zwar
    Rücksicht auf die rivalisierenden Mächte der Maurer-
    und Zimmermeister. Was dem einen recht war, war
    dem andern billig.
    In dem nach rechts hin gelegenen steinernen Turme befinden sich die »vier Glocken mit dem harmonischen Geläut«. Bei dem Brande von 1711 stürzten
    die damals vorhandenen in das Schiff der Kirche nieder, und der Glockengießer Johann Jacobi zu Berlin
    goß aus dem zusammengeschmolzenen Gut die jet-
    zigen vier. Zwei davon sind intereßlos, aber die erste und dritte zeichnen sich durch ihre Inschrift aus.
    Die erste , bei sechzehn Fuß Umfang, hat folgende Umschrift: »Quum dirissimum ac satis fatale incendi-um, incuria perditi fabri, die XIX. Junii anni MDCCXI,
    exortum urbem totam cum trecentis aedibus privatis
    ac sacris, simul omnibus et publicis deperderet, haec
    ego campana die XXX. Octobris MDCCXI reliquiis
    facta a J. Jacobi.« Also etwa: »Nachdem eine höchst
    schreckliche, verhängnisvolle Feuersbrunst, welche
    durch die Nachlässigkeit eines verruchten Schmidts
    den 19. Juni 1711 ausbrach, die ganze Stadt mit
    300 Bürgerhäusern samt Kirchen und öffentlichen
    Gebäuden zugrunde gerichtet hatte, bin ich, diese
    Glocke, am 30. Oktober 1711 aus den Überbleibseln
    hergestellt durch Johann Jacobi.«

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    Die dritte Glocke, bei neun Fuß Umfang, bringt
    Reimzeilen. Sie lauten:
    Gleiche Glut zerstörte mich,
    Gleiche Glut erneute mich
    Wie die andern zweene;
    Drum soll mein Getöne,
    Gott, nächst ihnen, dir auch singen
    Und Dankopfer bringen.
    J. Jacobi goß mich in Berlin 1711.
    Das Innere der Kirche bietet weniger, als man erwarten sollte, weil das mehrerwähnte Feuer von 1711
    den ganzen Inhalt ausbrannte. Manches wurd aber
    doch gerettet.
    Etwas davon zeigt der Altar . Dieser selbst ist ein Rokokobau (1739) von den üblichen Formen; als Bild
    aber ist in die von korinthischen Säulen eingefaßte
    Wand eine bunte mittelalterliche Holzskulptur einge-
    lassen, so daß der Schrein jetzt eine wunderliche
    Stilvermählung aus dem fünfzehnten und achtzehn-
    ten Jahrhundert zeigt.
    Ein andres Überbleibsel aus mittelalterlicher Zeit ist
    eine Reliquienbüchse , die, durch ein glückliches Ungefähr, erst gerettet und dann aufgefunden wurde.
    Sie befand sich in einem aus Steinen aufgeführten
    Altar einer Seitenkapelle, der, weil massiv, dem Feu-
    er widerstand. Auf diesem Altar nahm Anfang der
    fünfziger Jahre Superintendent Kirchner eine einge-

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    legte Steinplatte wahr, die hohl klang, wenn man
    daraufklopfte. Dies bestimmte den Superintenden-
    ten, die Platte herausnehmen zu lassen. Was er
    vermutet hatte, bestätigte sich. Unter dem Sandstein
    war eine Öffnung, von der aus, röhrenartig, ein Ka-
    nal auslief, darin weitere Nachforschungen die vor-
    erwähnte Reliquienbüchse entdeckten. Sie hat die Form einer gedrückten Kugel, ist faustgroß, von Lin-denholz und zeigt eine mittelgroße Öffnung, die mit-
    telst eines einfachen Deckels geschlossen wird. In
    dieser Büchse .befanden sich, außer einem Stück-
    chen Mumie, drei Splitter vom Kreuze Christi in ein
    Stückchen Seidenzeug gewickelt, zugleich auch eine
    Urkunde mit dem Sekretsiegel des Bischofs von Ha-
    velberg. (Büchse und Inhalt sind zur Zeit in Händen
    des Superintendenten Kirchner in Walchow.)
    Von kaum geringerem Interesse sind zwei Grabstei-
    ne , die den außergewöhnlichen Grad ihrer Wohler-haltenheit einem ähnlichen Glücksumstande verdan-
    ken. Sie lagen 1711, als das große Feuer ausbrach,
    wahrscheinlich in Nähe des Altars. Die Flammen und
    selbst das niederstürzende Geröll hatten ihnen wenig
    anzuhaben vermocht, und als zwanzig Jahre später
    zur Wiederherstellung des Kircheninnern geschritten
    wurde, kam den Werkleuten der glückliche Gedanke,
    die bei dem Aufräumen mit aufgerissenen Grabsteine
    bei Pflasterung und Fliesenlegung der Kirche nach
    Möglichkeit zu benutzen. Als bloße Fliese war aber
    die glatte Rückseite des Grabsteins besser zu

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