Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Ruppin, wie
die Mehrzahl der märkischen Städte, seine Fehden
mit dem umwohnenden Adel, Fehden, zu denen sich
von Zeit zu Zeit auch innere städtische Streitigkeiten
und sogar Volksausbrüche gegen das Gebaren der
niederen Geistlichkeit gesellten.
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In den Kämpfen zwischen der Stadt und dem Land-
adel spielte die sogenannte »Kuhburg«1) eine Rolle.
Sie stand auf den Kahlenbergen, eine Meile nördlich
von der Stadt, auf dem Wege nach Rheinsberg, und
diente zunächst als »Luginsland«. Rückten die Feinde
an, so gab der Wächter sein Zeichen, und die Bür-
ger, die gemeinhin als Besatzung in diesem Turme
lagen, brachen nun mit ihren Knechten und Reisigen
hervor, teils um das Vieh zu retten, teils um dem
Angriff zu begegnen. Zu nachhaltigen Unternehmun-
gen kam es selten, besonders nachdem beide Partei-
en die Nutzlosigkeit einer ernsteren Kriegführung
erprobt hatten. Die Adligen, nach vielfach gescheiter-
ten Versuchen, waren ebenso abgeneigt, die wohl-
verwahrte Stadt2) anzugreifen, als die Bürger eine
Scheu hatten, sich an der Einnahme unzugänglicher
»Sumpfburgen« zu versuchen. Die immer bedrohte
Sicherheit hatte auf beiden Seiten zu einem ausge-
bildeten Defensiv system geführt, und während jetzt der Grundsatz gilt: »daß der Angriff stärker sei als
die Verteidigung«, galt damals das Umgekehrte. So
begnügte man sich mit Überfällen, bei denen die
Bürger insoweit den kürzeren zogen, als ihr Handel
und Wandel ein größeres und bequemeres Angriffs-
objekt bot. 1365 und 1386 werden in einem Ruppi-
ner Schloßregister die gefürchtetsten Feinde aus der
Umgegend genannt. Es sind: Tacke de Wontz, Rein-
ecke von Garz, Wedego von Walsleben, Lüdecke von
Winterfeldt, Claus von Winterfeldt und Hans von Lü-
deritz. Die drei erstgenannten Familien sind ausge-
storben.
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Es kamen selbstverständlich auch »stillere Zeiten«.
Aber wenn in diesen die Fehde ruhte, so ruhte doch
selten der Groll im Herzen, und allerorten, wo Adel
und Bürger bei Wein und Bier, bei Spiel und Festlich-
keit zusammenkamen, war immer Gefahr vorhan-
den, die alte Fehde neu ausbrechen zu sehen. Die
bitterste der Art, die lange nachwirkte, fiel in die
zweite Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Es ver-
hielt sich damit wie folgt.
In einem Wirtshause Ruppins saßen Adlige und Bür-
ger beieinander; man trank, man schwatzte, aus
dem Schwatzen wurde Streit, ein Adliger zog seine
Waffe und stach einen der Bürger nieder. Die Tat
wurde ruchbar auf der Stelle, und die Stadt, die da-
mals noch ihre eigene Gerichtsbarkeit hatte, ließ den
Übeltäter greifen, gefangensetzen und verurteilte ihn
zum Tode durch das Schwert. Als das Urteil und die
zur Vollziehung festgesetzte Zeit unter dem Adel der
Umgegend bekannt wurde, versammelten sich die
Edelleute dicht vor dem Tore in der Nähe der Richt-
stätte, um ihren Standesgenossen zu befreien. Der
Rat jedoch, der davon Kunde erhielt, traf seine Maß-
regeln. Er hielt das Außentor verschlossen und ließ
dem Verurteilten zwischen dem Außen- und Innento-
re (»nahe bei dem ersteren, damit die Ritter es hö-
ren könnten«) den Kopf abschlagen. Dann wurde das
Außentor geöffnet, und die Edelleute durften den
Leichnam ihres gerichteten Standesgenossen zur
Bestattung mit sich nehmen. Der Adel klagte bei
dem Markgrafen, wahrscheinlich bei Albrecht Achill,
und der Stadt, der in diesem Falle trotz ihrer eigenen
Gerichtsbarkeit die Pflicht obgelegen hätte, eine hö-
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here Instanz anzurufen – wurde als Strafe auferlegt:
hinfort keinen freien Adler mehr im Wappen zu führen, sondern einen verkappten . Noch bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts deutete ein eisernes Kreuz
zwischen Außen- und Innentor die Stelle an, wo die
Stadt, über ihr Recht hinaus, einen ihrem Gericht
nicht unterstellten Adligen vom Leben zum Tode ge-
bracht hatte.
Ob der »verkappte Adler« den Ruppinern ein beson-
deres Herzeleid angetan, stehe dahin, jedenfalls aber
sahen sie sich von härteren und fühlbareren Folgen
betroffen, als sie, bei anderer Gelegenheit, ebenfalls
ihren Rechtseifer nicht gezügelt und an einem Geist-
lichen, an dem Diakonus Jakob Schildicke, eine »ra-
sche Justiz« geübt hatten. Die Sache war die:
In der Stadt Ruppin, wie in der Umgegend, waren
seit einiger Zeit Diebstähle aller Art verübt worden;
Geld, Tuch, goldene und silberne Geräte wurden so-
wohl aus Privathäusern wie aus Kirchen entwendet.
Verdacht
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