Wanderungen durch die Mark Brandenburg
durch die Stadt und vorwiegend aus dem
gräflichen Säckel erfolgte, so ist es nicht unwahr-
scheinlich, daß die gedachte Ehre den finanziellen
Ruin beschleunigte.
1520 starb der Bischof von Havelberg, und der sieb-
zehnjährige Wichmann wurde mündig erklärt. Der
Druck großmütterlicher Autorität hatte die rasche
Entwicklung seiner Gaben nicht zurückhalten kön-
nen, und der Kurfürst selbst war es, der dem früh
herangereiften Grafen, trotz seiner Minderjährigkeit,
die Verwaltung des väterlichen Erbes anvertraute.
War doch der Kurfürst selbst mit fünfzehn Jahren zur
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Herrschaft über die Marken gelangt. Graf Wichmann
nahm denn auch den Hans von Zieten zu Wildberg zu
seinem Geschwornen Rat und ging 1521 im Gefolge
des Kurfürsten auf den Reichstag zu Worms; aber
der Stern des Hauses stand im Niedergang, und sein
Erlöschen war nah. Zu dem Schwinden von Hab und
Gut, zu jeder äußeren Zerrüttung gesellte sich, wie
es scheint, auch eine zerrüttete Gesundheit. Wo-
durch zerrüttet, steht dahin. Der Graf war ein Freund
der Jagd und der Frauen , wenigstens erklärt sich nur so die erste Strophe des alten, weiterhin mitgeteilten
Liedes.
Auf der Jagd war es auch, wo ihn die tödliche Krank-
heit befiel. Verschiedene seiner Hofleute rieten zu
einem Arzt, aber in Neuen-Ruppin war keine ärztli-
che Hülfe zu beschaffen (die Städte Ruppin, Wuster-
hausen und Gransee hatten seit 1466 einen gemeinschaftlichen Bader ), und einen Arzt von Berlin herbeizuholen, dazu war man bereits zu arm . Das Fieber wuchs, und um es zu bekämpfen, heizte man, similia
similibus, das Zimmer des Kranken wie einen Back-
ofen und gab ihm Met und Wein. Er starb schon nach
wenigen Stunden. Die alte Gräfin, Anna Jacobine
(gestorben 1526), die ihn, unbeschadet ihrer
Herrschsucht, von Herzen geliebt hatte, war untröst-
lich über den Tod des Enkels, und die Mönche in
Ruppin beklagten den Verlust in folgendem Lied:
Der edle Herr Wichmann zog jagen aus,
Eine falsche Frau ließ er zu Haus
Mit ihren vergüldeten Ringen.
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»Ach Kersten, lieber Jäger mein,
Mir ist von Herzen allzu weh,
Ich kann nicht länger reiten.«
Sie machten ihm die Stube heiß,
Darinnen ein Bett war weich und weiß,
Drin sollte der Herre ruhen.
Sie schenkten ihm Met und schenkten ihm Wein.
Das nahm dem Herrn das Leben sein,
Dem edlen Herrn Wichmanne.
»Großmutter und lieb Schwester mein,
Steckt in meinen Mund ein Tüchelein
Und kühlt doch meine Zunge.
Daß ich nun von euch scheiden soll,
Das machet all der bittre Tod;
Wie gern noch möcht ich leben.«
Ein schwarzer Wagen, drin legten sie ihn,
Sie führten zu Nacht ihn nach Ruppin,
Sie begruben ihn in das Kloster.2)
Sie schossen ihm nach sein Helm und Schild,
Sie hingen auf sein Wappenbild
Am Pfeiler im hohen Chore.
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Die alte Gräfin murmelte still:
»O weh, o weh, Mein liebes Kind,
Daß ich hier steh – die Letzte .«
Wenige Tage nach dem Tode Graf Wichmanns er-
schien Kurprinz Joachim (der spätere Joachim II.),
um dem Leichenbegängnis beizuwohnen und die Un-
tertanen in Eid und Pflicht zu nehmen. Das Lehn war
erledigt, und die Herrschaft Ruppin ward als Kreis in
die Kur- und Mittelmark eingereiht. Die Hohenzollern
aber gesellten von jenem Tage an zu der stattlichen
Reihe ihrer andern Namen und Titel auch noch den
eines » Grafen von Ruppin «.
1. Dies Lindow ist nicht das märkische Städtchen
gleichen Namens, zwei Meilen östlich von
Ruppin, dessen Klosterruinen bis diesen Tag
höchst malerisch zwischen dem Wutz- und
dem Gudelack-See liegen, sondern die Graf-
schaft Lindow in der Nähe von Zerbst.
2. Über der alten Gruft der Grafen zu Ruppin in der im vorigen Kapitel ausführlicher erwähnten Klosterkirche standen folgende, von der
Hand der Mönche herrührende Reimzeilen:
Hierunner is der edlen Herrn van Lindow Grafft
Van olders hefft se gewerket Godes Krafft,
Dorch oren (ihren) Veddern Broder Wichman,
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Want hy altererst huff (hub) dat Kloster an.
Greve Ghenerd, de uns de Steve hefft gegeven
Van synet und alle synes Geslechte wegen,
De is de erste , de syn Graff hie hefft ghekaren.
Gott geve, dat erer aller Sylen nimmer werden
verlaren.
3. Die Zeit unter den Grafen bis
zum Dreißigjährigen Krieg
Nun fahre wohl, Landfriede! nun, Lehndienst, gute
Nacht!
Es herrscht der freie Ritter, der alle Welt verlacht.
All die Zeit über, namentlich während des vierzehn-
ten und fünfzehnten Jahrhunderts, hatte
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