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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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entstand gegen diesen und jenen, ver-
    schiedene wurden eingezogen; alle jedoch mußten
    wieder entlassen werden, weil die Untersuchung
    nichts gegen sie ergab. Endlich setzte der Magistrat
    eine Haussuchung fest, von der auch die Geistlichen,
    deren Ruppin damals gegen fünfzig zählte, nicht
    ausgeschlossen blieben. Und wirklich, in der Woh-
    nung des Jakob Schildicke fand man das gestohlene
    Gut. In seinem geistlichen Ornate ward er ins Ge-
    fängnis geführt, und sein eigenes Geständnis, das
    am andern Tage erfolgte, überzeugte die Richter von
    seiner Schuld. Aber dies eigene Geständnis genügte

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    nicht, und durch Glockenläuten wurde das Volk zu-
    sammengerufen, um unter Gottes freiem Himmel ein
    ordentlich Gericht zu halten und die Strafe für diesen
    seltenen Verbrecher festzusetzen. So wollten es
    Richter und Magistrat. Das Volk indes war gegen
    jeden Aufschub und verlangte stürmisch und ohne
    gesetzliche Prozedur die augenblickliche Hinrichtung.
    Zwei Bürger, Koppe Königsberg und Heinrich Keller,
    wurden durchs Los zu Vollstreckern gewählt (man
    hatte damals, wenigstens in den kleineren Städten,
    noch keinen Nachrichter), und Jakob Schildicke hing
    am Galgen, ehe noch eine Stunde vergangen war.
    Dies Stück Volksjustiz – dem entgegenzutreten Rich-
    ter und Magistrat nicht die Macht hatten – rief inner-
    halb der gesamten Geistlichkeit einen Sturm des
    Unwillens hervor, die Bischöfe von Havelberg und
    Brandenburg brachten es vor den Papst, und Ruppin
    ward in den Bann getan. Handel und Verkehr stock-
    ten, die Tore waren wie gesperrt, und jeder Ruppi-
    ner, der sich außerhalb der Stadt betreffen ließ, war
    vogelfrei. Es kostete viel demütiges Bitten, eh end-
    lich, nach sechs Jahren, die Absolution erwirkt wer-
    den konnte, der umwohnende Adel aber fand es be-
    quem, keine Notiz von der Freisprechungsbulle zu
    nehmen und seine Angriffe, unter dem Titel: »Im
    Dienst der Kirche«, fortzusetzen.
    Die Frage entsteht: Wie stellten sich die Grafen, die
    doch die nächstoberste Macht im Lande waren, zu all
    diesen Übergriffen? Waren sie nie zur Hand, um die
    Städte gegen den Adel, und nie zur Hand, um den
    Adel gegen die Städte zu schützen? Es scheint, daß
    ihnen früh der Zügel der Herrschaft entfiel; mühsam

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    sich selber bei Ansehen haltend, waren sie viel zu
    schwach, um in jedem gegebenen Falle, gleichviel
    nun, wie sich die Rollen tauschten, das Recht des
    Schwächeren gegen den Stärkeren wahrzunehmen.
    Schutz und Ordnung kamen erst in diesen Lan-
    desteil, als ein neues, lebendiges Regiment an die
    Stelle des alten, hinfälligen trat, mit andern Worten,
    als die Hohenzollern – nach dem Tode des letzten
    Grafen, Wichmann – das Ruppiner Land als Lehn
    einzogen und sich selber als die Herren desselben
    etablierten. Dies war 1524, wie wir gesehen.
    Es kam nun ein Jahrhundert rasch wachsender Pros-
    perität. Die Stadt wußte sich den Hohenzollern zu
    verpflichten und empfing dafür, neben der Bestäti-
    gung alter Privilegien, neue Freiheiten und Vorrech-
    te. Die Zünfte und Innungen waren stark besetzt,
    und Handel und Verkehr blühten unter den Joachims,
    wie es die Stadt nie vordem gekannt hatte. Der
    Dreißigjährige Krieg, der wenige Jahrzehnte später
    dem allem ein Ende machte, warf keine voraufzie-
    henden Schatten in die Ruppiner Gemüter, ahnungs-
    los lebte jeder dem Augenblick, und an die Stelle der
    kriegerischen Erregtheit, in die einst die nachbarli-
    chen Fehden die guten Bürger von Ruppin versetzt
    hatten, traten jetzt die friedlicheren Aufregungen, zu
    denen abwechselnd eine Predigt gegen die Pluderho-
    sen oder eine dem Kurfürsten zu leistende »Huldi-
    gung« einen immer erwünschten Anlaß gaben.
    Die erste Huldigung, die Stadt und Grafschaft nach
    dem Tode des letzten Grafen (1524) dem damaligen

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    Kurprinzen Joachim darbrachten, war entweder von
    besonderer Nüchternheit, oder die Aufzeichnung faß-
    te sich allzu kurz. Desto mehr erfahren wir über die
    Huldigung, die, gegen Ausgang desselben Jahrhun-
    derts, die Ruppiner dem Kurfürsten Joachim Friedrich
    leisteten. Kaspar Witte, einer der beiden Bürgermeis-
    ter, hat den Hergang selbst beschrieben. Es heißt
    darin:
    Am 23. Juni 1598 kamen der Kurfürst samt Gemah-
    lin zur Huldigung nach Neuruppin; mit ihnen waren
    die Kanzlei und der Hofstaat. Der ganze alte und neue Rat, dazu die Deputierten von Wusterhausen und Gransee, von Lindow, Zehdenick und Alten-Ruppin, als sie hörten, daß der

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